Schulleiter: "In Bayern haben wir die Chance des Vorrückens auf Probe" Streit ums Sitzenbleiben

Von Elmar Schatz
 Foto: red

Gehört das Sitzenbleiben abgeschafft – oder nicht? „Es gibt Fälle, in denen ein Wiederholen durchaus Sinn macht und sich auch im Nachhinein als glückliche Lösung erweist“, so die Leiterin der Gesamtschule Hollfeld, Christiana Scharfenberg zum Kurier.

 
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Sie fügt hinzu: „Aus meiner Auslandsschulerfahrung kann ich sagen, dass es in anderen europäischen Ländern sehr wohl auch die Möglichkeit der Wiederholung gibt. Aber es wird sparsam damit umgegangen und wirklich nur genutzt, wenn man den Sinn einer solchen Wiederholung erkennen kann.“

Vorrücken auf Probe

Ein pauschales Sitzenbleiben sei nicht immer die beste Lösung – „aus diesem Grund haben wir hier in Bayern seit einiger Zeit die Möglichkeit des Vorrückens auf Probe“, erläutert Scharfenberg. Auf diese Chance verweist auch der Leiter des Gymnasiums Christian Ernestinum (GCE) in Bayreuth, Studiendirektor Franz Eisentraut. In den vergangenen zehn Jahren sei die Zahl der Wiederholer dank gezielter Förderung auf nur etwa zwei Prozent gesunken. Eine Schullaufbahn ohne Sitzenbleiben würde nichts bringen; denn am Ende müssen alle das gleiche Abitur machen, sagt Eisentraut.

Am GCE hätten Fördergruppen manchmal nur drei, vier Schüler. „Das ist fast schon Einzelunterricht“, sagt Eisentraut. 25 bis 30 Lehrerstunden könne er dafür pro Woche investieren. „Wir fragen in jedem Vierteljahr: Wo brennt’s am meisten?“

GEW gegen Sitzenbleiben

Strikt gegen das Sitzenbleiben und das „aus dem 19. Jahrhundert stammende Gymnasium“ sei die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), sagt deren Bayreuther Vorsitzender Ernst Friedlein. Die Lehrergewerkschaft wünsche sich eine „Schule für alle“, die einen größeren Zusammenhalt der Gesellschaft schaffen würde, so Friedlein. Es könne etwas nicht stimmen, wenn in Bayern von 150 Kindern, die ins Gymnasium eintreten, nur ein Drittel das Abitur schaffe.

Das Sitzenbleiben abschaffen möchte auch der bayerische SPD-Spitzenkandidat Christian Ude – so wie es mittelfristig die neue rot-grüne Regierung in Niedersachsen vorhat.

Ein Schüler kann in Bayern auf Probe vorrücken, wenn sein Misserfolg durch Nichtkernfächer, eine lange krankheitsbedingte Abwesenheit oder durch eine schulärztlich festgestellte Leistungsminderung verursacht war. Die Schule muss erwarten können, dass der Schüler die Lücken schließen kann. Die Probezeit dauert in diesen Fällen bis zum 15. Dezember.

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