Prozessauftakt am Landgericht: 38 Jahre alter Bauarbeiter wegen Totschlags angeklagt Streit am Bau: Anklage lautet Totschlag

Von Stefanie Karl
Zum Prozessauftakt erschien der Angeklagte in Fußfesseln. Foto: Frank Wunderatsch Foto: red

Im Streit um einen Lastwagen auf frischem Asphalt soll ein Bauarbeiter einem Kollegen mit einer Schaufel so heftig gegen den Kopf geschlagen haben, dass der Mann starb. Der 38-Jährige, der sich seit Montag vor dem Landgericht Coburg wegen Totschlags verantworten muss, bestreitet jede Tötungsabsicht. Als er den Mann zu Boden geschlagen hatte, sei er schockiert gewesen – keinesfalls habe er ihn so verletzen wollen, ließ der Angeklagte seinen Anwalt zum Prozessauftakt erklären.

 
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Während der Anklageverlesung stützt der 38-Jährige das Kinn auf die Faust, schüttelt kaum merklich den Kopf. Der Angeklagte hört Oberstaatsanwalt Martin Dippold konzentriert zu, in den Zuschauerraum schaut er nicht, im gesamtem Verlauf des ersten Verhandlungstages vor der Ersten Großen Strafkammer des Coburger Landgerichts. Wenn überhaupt, dreht er den Kopf seinem Verteidiger Till Wagler zu, bespricht sich, macht Notizen.

Bei 30 Grad Hitze

Der gebürtige Sachse, der seit 2011 in Passau lebt, war am 22. Juni vergangenen Jahres auf der Baustelle des Sanitärgroßhandels Max Carl in Großheirath beschäftigt; dort soll es am Nachmittag bei Temperaturen um die 30 Grad zu einer tödlichen Auseinandersetzung mit einem Kollegen gekommen sein. Gleich zu Beginn der Verhandlung gibt der Angeklagte über seinen Rechtsanwalt eine Erklärung ab. Darin räumt er den tödlichen Schlag mit einer Schaufel ein, bestreitet aber jegliche Tötungsabsicht. „Er war fassungslos, stand neben sich“, umschrieb sein Anwalt.

Auf den frischen Asphalt gefahren

Anlass der Auseinandersetzung war der Vorwurf des Opfers, eines 55-jährigen Arbeiters aus Kasendorf, ein Betonmischfahrzeug sei über eine frisch asphaltierte Fläche gefahren. Zunächst habe sich sein Mandant gar nicht um den Streit gekümmert; dann aber sei das spätere Opfer „schimpfend und gestikulierend“ auf ihn zu gekommen, habe ihn als „Idiot“ und „Rindvieh“ beschimpft.

Der 38-Jährige habe in dem Streit keinen Sinn gesehen, wollte wieder gehen, der Andere aber sei hinter ihm her gekommen. 15 bis 20 Zentimeter seien ihre Gesichter dann noch von einander entfernt gewesen; der 55-Jährige habe geschrien: „Dich scheue ich nicht.“ Dann spukte er dem 38-jährigen ins Gesicht, ob aus Absicht oder vor Wut, das lasse sich heute nicht sicher sagen.

Brille aus dem Gesicht geschlagen

Das Opfer schlägt dem Angeklagten die Brille aus dem Gesicht. Die Schaufel hielt der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt noch in der Hand, nach unten hängend. Dann aber schlug er zu, traf den Kontrahenten an der rechten oberen Kopfhälfte.

„Heute kann mein Mandant beim besten Willen nicht mehr sagen, was ihm in diesem Moment durch den Kopf schoss.“ Einem der Polizisten sagt der Angeklagte später am Tatort: „Das war Schei..., eine Kurzschlussreaktion, es tut mir leid.“ Als das Opfer am Boden liegt, leistet er zusammen mit anderen Arbeitern Erste Hilfe.

Angeklagter mit Fußfesseln im Gericht

Auf die Fragen des Gerichts antwortet der Angeklagte am Montagmorgen höflich, um Sachlichkeit bemüht. Zwischendurch ringt er dennoch um Fassung: Etwa, als der Vorsitzende Richter, Christoph Gillot, die Tatwaffe aus der brauen Papiertüte schält. Oder, als er in einer Sitzungspause mit seiner Frau sprechen darf; eine harmlose Szene, wären da nicht die Fußfesseln, die nur Trippelschritte zulassen.

Insgesamt neun Zeugen vernimmt das Gericht, darunter mehrere Kollegen von Opfer und Täter. Nicht alle haben die Auseinandersetzung genau verfolgt. Insbesondere dazu, wie heftig das Opfer dem Angeklagten vor dem tödlichen Schlag die Brille von der Nase schlug, variieren die Aussagen zum Teil erheblich. War es ein Klatschen, ein Wischen, eine Ohrfeige, ein Fausthieb?

Opfer erlitt zwei Schädeltraumata

Prof. Peter Betz vom rechtsmedizinischen Institut in Erlangen verdeutlichte indes, mit welcher Wucht der Schlag gegen den Kopf des 55-Jährigen geführt worden sein muss. Letztlich habe das Opfer zwei Schädel-Hirn-Traumata erlitten; eines resultierend aus dem Schlag, das andere aus dem Sturz mit dem Hinterkopf auf den harten Grund. Knochenscherben seien bereits in das Hirngewebe eingedrungen. Ein Teil des Gewebes musste operativ entfernt werden.

„Beides sind schwere Verletzungen“, betonte der Rechtsmediziner. Und: Jede einzelne Verletzung für sich wäre geeignet gewesen, zum Tod zu führen. Wie wuchtig denn dann der Schlag geführt worden sein müsse, wollte das Gericht wissen. „Massivst“, antwortete der Sachverständige. „Es bedarf enormer Gewalt, um das Schädeldach zu zerlegen.“ Eine Gewaltausübung, die ein trainierter Mensch durchaus auch mit einer Hand ausführen könne.

Die Verletzungen führten nach gut eineinhalb Wochen zu einem Multiorganversagen. „Eine typische Folgekomplikation“, so der Rechtsmediziner. Aber auch ohne Komplikationen wäre auf Grund der massiven Hirnschwellung der Tod eingetreten. Der Prozess wird am 25. Januar fortgesetzt.

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