Georg Ritter, Bürgermeister (CSU): „Es ist schade, aber wir haben nach wie vor das Angebot im Dorf. Im Edeka gibt es Bäcker und Metzger, auch in Hüttstadl ist eine Metzgerei. Die Grundversorgung ist sicher.“
Armin Kellner, Tankstellenbesitzer: „Unser Dorf macht einen Wandel durch. Veränderungen sind allgegenwärtig. Schließungen wie diese sind sicher vordergründig nachteilig für uns, da die Vielfalt an Einkaufsmöglichkeiten nach und nach verloren geht. Dadurch sehe ich aber auch eine Chance für eine Zusammenarbeit der Fichtelgebirgsgemeinden, speziell mit Mehlmeisel, das über drei Metzger und drei Bäcker verfügt. Idealziel wäre ein Zusammenschluss der vier Gemeinden in eine gemeinsame Großgemeinde. Um zukunftsfähig zu sein, wird das irgendwann auch nötig sein.“
Franz Kuchler, Rentner: „Ich denke, leer bleibt zumindest die Bäckerei Rappl nicht. Die Lage ist ideal. Der Metzger Krug müsste wahrscheinlich viel investieren und wofür? Die Jungen gehen weg, die Industrie siedelt sich in Großstädten an und dort entstehen dann auch wieder Arbeitsplätze. Auf dem Dorf hast du kaum eine Chance. Wenn du ein Geschäft nicht mehr selber führen kannst und nicht gerade familiären Rückhalt hast, stirbt es aus.“
Stefan Pecher, Fraktionsvorsitzender CSF: „Ich nehme das als Problem wahr, weil ich hochwertige Waren gerne im Dorf kaufe. Aber es ist kein Fichtelberger Problem, sondern eines, das alle kleinen Gemeinden betrifft, in denen Supermärkte am Rand entstehen und wo deswegen die Innenstädte aussterben. Wir müssen Fichtelberg so attraktiv gestalten, dass junge Familien herziehen können. Aber es wird noch schlimmer werden: Wenn in Himmelkron ein großer Möbelmarkt entsteht, werden auch das kleine Möbelgeschäft und der Gardienenladen, den wir haben, sterben.“
Marianne Steinkohl, Vermieterin: „Ich persönlich versuche, so gut es geht die Einheimischen Geschäfte zu unterstützen, indem ich meine Lebensmittel noch bei ortsansässigen Lädchen einkaufe. Außerdem weiß ich dann auch, was ich habe. Ich hoffe sehr, dass sowohl die Bäckerei Rappl als auch unser Metzger Krug irgendwie weiterlaufen. Der Leerstand in Fichtelberg ist eh schon groß genug. Ich merke es ja auch an meinen Hausgästen. Die wollen hier entspannen und neue Dinge ausprobieren. Da gehören einheimische Lebensmittel natürlich dazu.“
Rudolf Elvers, stellvertretender Fraktionsvorsitzender FWG: „Es ist problematisch, wenn ein langjähriger Betrieb wie Krug schließt, aber nicht für die Versorgung. Wir werden das im Gemeinderat zur Sprache bringen und wenn die Gemeinde neue Pächter unterstützt, etwa durch die Gewerbesteuer, würden wir uneingeschränkt dahinterstehen. So haben wir das schon in der Vergangenheit gemacht.“
Horst Lochner, Förster: „Es gibt ja für uns Fichtelberger auch im angrenzenden Mehlmeisel noch Angebote. Beruflich bin ich sowieso in Mehlmeisel unterwegs, dann kann ich meine Einkäufe gleich verbinden.“
Das sagt der Experte
Fichtelberg ist kein Einzelfall. Das sagen nicht nur die Fichtelberger, das sagt auch Sebastian Norck. Er erforscht an der Uni Bayreuth die Folgen des demografischen Wandels für Gemeinden und erklärt, warum der Einzelandel gefährdet ist – und was die Gemeinden dagegen tun können.
Herr Norck, warum machen in immer mehr Gemeinden in der Region die Einzelhändler dicht?
Sebastian Norck: Große Unternehmen haben zum Beispiel bei der Beschaffung ihrer Waren oder in der Werbung Kostenvorteile, die sie als Preisvorteile an ihre Kunden weitergeben können. Einzelhändler können da nicht mithalten. Dieser Wandel in der Geschäftswelt hat in den 1960er Jahren begonnen und zeigt sich überall.
Und der demografische Wandel macht alles noch schlimmer, richtig?
Norck: Genau. In den Regionen, in denen die Bevölkerung abnimmt, nimmt auch die Nachfrage ab. Es lohnt sich oft nicht mehr, einen Einzelhandelsbetrieb zu führen. Und Versorgungsdefizite verstärken wiederum die Abwanderung. Ein Teufelskreis.
Keine Kunden, kein Gewinn, keine Einzelhändler mehr. Hat das Folgen für die Menschen?
Norck: Wo sich Filialisten immer stärker ausbreiten, geht das charakteristische Profil des Ortes verloren. Vor allem aber verlängern sich dadurch die Einkaufswege für die Kunden. Das ist besonders problematisch für die Haushalte, die kein Auto haben, da von dieser Entwicklung vor allem die Nahversorgung betroffen ist.
Warum trifft es vor allem die Ortszentren?
Norck: Gerade dort bildet der Einzelhandel einen der wichtigsten Anziehungspunkte. Doch die Konkurrenz von Standorten am Ortsrand hat stark zugenommen. Der Einzelhandel „auf der grünen Wiese“ konzentrierte sich zunächst auf solche Sortimente, die für Innenstädte nicht relevant waren, zum Beispiel Möbel oder Heimwerker- und Gartenbedarf. Inzwischen sind aber auch für den Ortskern charakteristische Sortimente wie Bekleidung, vor allem aber der Lebensmitteleinzelhandel, oft am Stadtrand angesiedelt. Die Geschäfte dort sind für motorisierte Kunden leichter zu erreichen.
Man steigt nicht mehr zweimal aus dem Auto, hat es Metzger Wolfgang Krug umschrieben.
Norck: Oft ist es für die wenigen verbliebenen eigentümergeführten Einzelhandelsbetriebe auch ein Problem, einen Nachfolger für die Geschäftsführung zu finden. Geht der Inhaber in den Ruhestand, hat früher häufig eines seiner Kinder das Geschäft übernommen. So selbstverständlich funktioniert das heute meist nicht mehr.
Können Gemeinden etwas tun, um die Verödung des Ortskerns aufzuhalten?
Norck: Es gibt kein Patentrezept für attraktive Ortskerne. Auf den Bedeutungsverlust wird auf vielfältige Weise mit ganz unterschiedlichem Erfolg reagiert. Die Kommunen können zum Beispiel die Aufenthaltsqualität in den Stadt- und Ortszentren durch bauliche und städtebauliche Maßnahmen beeinflussen. Ein attraktives Ortsbild mit öffentlichen Räumen, die zum Verweilen einladen, schafft Flair – und das nicht nur während der Öffnungszeiten des Einzelhandels.
Wie sieht es mit Leerstandmanagement aus, wie es Bad Berneck oder Hollfeld versuchen wollen?
Norck: Auch ein Versuch, aber die Möglichkeiten sind begrenzt, da potenzielle neue Gewerbebetreibende sich nicht in ihrer Standortwahl beeinflussen lassen. Oft scheitert eine Ansiedlung am Zustand der leerstehenden Objekte oder an den hohen Mietpreisvorstellungen der Eigentümer.
Und die kann die Gemeinde nicht beeinflussen. Was ist stattdessen möglich?
Norck: Die Gemeinde kann den ansässigen Einzelhandel auch durch Marketingmaßnahmen unterstützen. Durch eine aktive Öffentlichkeitsarbeit können Kunden aus den Nachbarorten oder Touristen in die Gemeinde gelockt werden. Auch zeitlich befristete Aktionen, zum Beispiel Events, können die Ortszentren beleben.
Fichtelberg feiert. Würde den Fichtelbergern sicher guttun.
Norck: Wichtig ist, dass die Einzelhändler an einem Strang ziehen und sich gegenseitig nicht nur als Konkurrenten sehen. Deshalb sollte die Gemeinde versuchen, die Zusammenarbeit zwischen den Akteuren, die für die Innenstadt verantwortlich sind, zu stärken. Viele Städte haben dafür ein Innenstadtmanagement aufgelegt, das die Aktivitäten der wichtigsten Akteure koordinieren soll.