Steinmeier: HWK im Ausnahmezustand

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„Schreiner ist der schönste Beruf, den man lernen kann“, sagte Günter Kolb, Leiter der Schreiner-Werkstatt der Handwerkskammer. Elke Büdenbender, die Frau von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, testete spontan die Stabilität der von den Handwerkern gebauten Holztreppe. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Polizisten stehen auf Position. Die Zufahrt zum Gelände ist abgesperrt. Zwar gehen die Schüler wie immer am Gebäude der Handwerkskammer für Oberfranken vorbei. Doch am Freitag ist alles anders. Denn Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat sich angekündigt.

 
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Die Einladung von Handwerkspräsident Thomas Zimmer bei seinem Antrittsbesuch in der Münchner Staatskanzlei hatte Steinmeier ohne großes Zögern angenommen. „Das ist die höchste Ehre, die der Handwerkskammer für Oberfranken jemals zuteil wurde“, erzählt Zimmer nach dem Besuch.

 

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Der Präsident der Handwerkskammer für Oberfranken strahlt, weil dies ein historisches Ereignis ist. Denn noch nie zuvor hat ein amtierender Bundespräsident die Handwerkskammer für Oberfranken besucht. Bei den Festspielen hingegen waren fast alle. Nur die Bundespräsidenten Theodor Heuss und Christian Wulff kamen nach Auskunft des Hauptamts der Stadt Bayreuth nicht zu den Wagnerfestspielen.

Staatsbesuch ohne Zaungäste

Doch der Besuch an der Handwerkskammer geschah weitgehend ohne Öffentlichkeit. Nur Medienvertreter und Mitarbeiter wussten von dem hohen Besuch. Das Bundespräsidialamt wollte das so. Jedes Detail wird genau vorgeplant. Wohl auch dieses; Steinmeier und seine Gattin Elke Büdenbender haben sich am Ende ins Goldene Buch der Kammer eingetragen und ein fränkisches Landbrot aus Zimmers Händen entgegengenommen.

Stärkung der beruflichen Bildung

Bereits im April  hatten beide die Schirmherrschaft der Woche der beruflichen Bildung übernommen. Ein Zeichen für die gesellschaftliche Bedeutung der beruflichen Aus- und Weiterbildung. Elke Büdenbender äußerte in einem Interview, Berufsschulen und Lehrberufe würden nicht die Wertschätzung bekommen, die sie verdient hätten.

Die Frau des Bundespräsidenten ist selbst gelernte Industriekauffrau. Wie Steinmeier stammt sie aus einer Schreiner-Familie. Sie holte das Abitur auf dem zweiten Bildungsweg nach, studierte Jura und war zuletzt Richterin am Verwaltungsgericht Berlin. Gegenüber den Bayreuther Handwerksschülern verhielt sie sich besonders herzlich. Sie lachte viel, schüttelte Hände und erklomm spontan eine Holztreppe in der Schreierei. Eine nahbare Präsidentengattin.

Konvoi mit eigenem Krankenwagen

Nach einem knappen Statement im Hof der Handwerkskammer, dem Gruppenfoto mit den Auszubildenden der Kfz-Werkstatt  und dem gut einstündigen Rundgang waren der Bundespräsident und seine Delegation schon wieder weg. Der Konvoi fuhr davon: Eine schwarze Limousine mit abgedunkelten Scheiben und der Standarte vorneweg, dahinter drei Begleitfahrzeuge und ein Krankenwagen, plus zwei Polizeiautos. Wenn das Staatsoberhaupt der Bundesrepublik unterwegs ist, gilt die allerhöchste Sicherheitsstufe.

Spürhund flößt Respekt ein

Bis der Bundespräsident mit einer halben Stunde Verspätung eintraf, wurden Besucher und Medienvertreter einer großangelegten Sicherheitskontrolle unterzogen. Jeder, der sich im Gebäude aufhielt, war den Beamten des Bundeskriminalamtes bekannt. Als Kennzeichen erhielt jeder Gast ein Armbändchen in der Farbe, die seiner Personengruppe zugeordnet war. Für Journalisten war das die Farbe gelb, die fortan an ihren Armgelenken leuchtete.

Bevor tatsächlich Einlass in die Räume gewährt wurde, die der Bundespräsident später betreten würde, erfolgte eine Taschenkontrolle. Handtaschen, Umhängebeutel, Kamerataschen standen hintereinander am Boden,  ein Spürhund der Polizei untersuchte sie. Beim Abschnüffeln fiel ihm weder der Traubenzucker noch die Brotzeit negativ auf, welche die Journalisten in ihren Taschen hatten. „Sie können jetzt wieder atmen!“, rief der BKA-Mann, als er die angespannten Gesichtszüge der Kollegen sah und Hund samt Hundeführer abzogen.

Zunehmend lockerer

Als Steinmeier endlich eintraf, wirkte er leicht angespannt. Draußen ein heißer Sommertag, strahlend blauer Himmel. Der Werkstattrundgang in Bayreuth ist zwischen Terminen in Fürth und Nürnberg eingeschoben worden. Vorher war der Bundespräsident auf Staatsbesuch in den Niederlanden. Danach traf er die Fußballer Mesut Özil und Ilkay Gündogan, die wegen ihres Auftritts mit dem türkischen Staatspräsidenten in die Kritik geraten waren. Jetzt, am Freitag also Bayreuth.

Johanna Erlbacher, Leiterin des Kompetenzzentrums Digitales Handwerk (KDH), und ausgewählte Mitarbeiter und Meisterschüler informierten im Schnelldurchgang über Logistik-Lösungen für Brauereien, digitale Neuheiten in der Orthopädietechnik, in Schreiereien und Kfz-Werkstätten. Das Präsidentenpaar wirkte beeindruckt. Jedenfalls fragten Steinmeier und seine Frau immer wieder nach und ließen sich Arbeitsabläufe erklären. Steinmeier schien zunehmend lockerer zu werden. Oder hatte er sich von der guten Laune seiner Frau, im eleganten, beigen Sommerkleid, anstecken lassen?

"Brötchen noch analog"?

 „Ihre Brötchen sind schon noch analog?“, scherzte der Bundespräsident etwa mit Thomas Zimmer und wollte wissen, wie viele Menschen die Handwerkskammer vertritt. „16.000 Betriebe und 80.000 Beschäftigte“, gab Zimmer zur Antwort. Die jüngere Generation tue sich dank Internet und Smartphone leichter mit der Digitalisierung. Auszubildende gerieten da schnell in die Rolle der Lehrenden, vermutete Büdenbender.

Auch dem Umgang mit der Hochvolttechnik im Bereich der Elektromobiliät zollten die Besucher in der Kfz-Werkstatt großen Respekt. Damit keine Unfälle bei der Reparatur passieren, müssen die Mechatroniker in der Lage sein, die lebensgefährlich Spannung sicher auszuschalten. Für Rettungskräfte wurden genaue Vorgaben entwickelt, wie ein Elektroauto zu retten ist.

Wann kommt er zu den Festspielen?

Die Bayreuther Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe, die am Freitag Geburtstag feierte, begleitete den Bundespräsidenten. Ob sie ihn zu den nächsten Bayreuther Festspielen eingeladen hat? „Natürlich“, sagte Merk-Erbe und grinste schelmisch. Und wann er komme? „Das wird man sehen.“


Info: Nahezu alle deutschen Bundespräsidenten waren einmal in ihrer Amtszeit bei den Bayreuther Festspielen. Nach Auskunft des Hauptamts der Stadt Bayreuth waren dies: 1960 Heinrich Lübke, 1969 Gustav Heinemann, 1974 Walter Scheel, 1980 Karl Carstens, 1984 Richard von Weizäcker, 1995 Roman Herzog, 2002 Johannes Rau, 2005 Horst Köhler und 2013 Joachim Gauck. Nicht in Bayreuth waren Theodor Heuss und Christian Wulff. Mehrfach zu Gast war Angela Merkel, sowohl als Bundeskanzlerin als auch als Privatperson. Bundeskanzler Gerhard Schröder besuchte  einmal die Festspiele. Helmut Kohl war auch zu Gast in Bayreuth, allerdings nicht als Kanzler, sondern als Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz.

 

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