Vier Jahre Haft für Flüchtling, der großen Haschischhandel initiierte und dann zum Kronzeugen wurde Spione helfen der Bayreuther Kripo

Von Manfred Scherer
Foto: Britta Pedersen dpa-Archiv Foto: red

Es ist einer der größten Fälle von Drogenhandel der vergangenen Jahre in Bayreuth. Über 20 Kilo Hasch brachten drei syrische Flüchtlinge in den Raum Bayreuth. Der Dealer, der damit anfing, wurde jetzt verurteilt. Im Prozess stellte sich heraus: Der Fall war eine Art „Beifang“ des Verfassungsschutzes, der unter Flüchtlingen bekanntlich nach islamistischen Terroristen sucht.

 
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Der 27-jährige Mann, der als Initiator des großen Drogenhandels gilt, ist ein staatenloser, in Syrien geborener Palästinenser. Für den Handel mit insgesamt 15 Kilo Haschisch angeklagt, legte er vor der Strafkammer des Bayreuther Landgerichts ein Geständnis ab. Deshalb konnte das Gericht unter Vorsitz von Michael Eckstein kurzen Prozess machen: Nach nur einem Tag Gerichtsverhandlung lautete das Urteil: Vier Jahre Freiheitsentzug.

„Nur“ vier Jahre für 15 Kilo? Die Urteilsbegründung erklärt das: Das Gericht gewährte dem 27-Jährigen einen „erheblichen“ Strafrabatt, denn der Mann war Kronzeuge gegen zwei Mittäter, die zunächst von ihm beliefert worden waren und ihn dann aus dem Geschäft gedrängt hatten.

Schlimme Erlebnisse im Kriegsgebiet

Der staatenlose Palästinenser war im Januar 2016 nach Bayreuth gekommen – in der Tasche hatte er eine dreijährige Aufenthaltserlaubnis. Er brachte aber noch etwas anderes mit: Sucht nach Cannabis. Der Mann hatte sich schon im Jahr 2010 aus dem Krisen- und Kriegsland Syrien abgesetzt. Dort habe er schnell erlebt, dass Libyen ein ebenso gefährlicher Ort war wie Syrien: Er habe einen Mord miterlebt, sei einmal entführt worden und von den Entführern, die erfolglos ein Lösegeld erpressen wollten, aus einem fahrenden Auto geworfen worden. In Libyen habe er begonnen, Haschisch zu rauchen, um „zu vergessen“. Und er setzte sich nach Europa ab. Über Italien führte ihn der Weg nach Garmisch und von dort nach Bayreuth.

Durch seinen Aufenthaltstitel war er für den Bezug von Hartz IV-Leistungen berechtigt. Mit dem Geld kaufte er sich Drogen und hatte bald ein neues, ständiges Ziel: Berlin, wo er über Kontakte zu anderen Syrern eine Bezugsquelle für Haschisch auftat. Es war Rauschgift, das den ehemaligen Bayreuther Landgerichtsarzt Klaus-Peter Klante Staunen machte: Zwölf bis 17 Prozent, in Extremfällen sogar 35 Prozent Wirkstoffgehalt seien in dem Fall festgestellt worden. Klante: „Früher waren sieben Prozent viel.“

Pendelverkehr mit dem Taxi

Der 27-Jährige fuhr mit dem Fernbus in die Bundeshauptstadt, lud sich die Taschen voll und begann, zur Finanzierung seiner Sucht, das leicht zu beschaffende „Super-Hasch“ weiter zu verkaufen. Seine Hauptabnehmer waren zwei 19 und 20 Jahre alte Syrer, die wie der 27-Jährige in Bayreuth eine eigene Wohnung hatten. Zwischen den Wohnungen in der Altstadt und in der Innenstadt gab es regen Pendelverkehr per Taxi, um Drogen gegen Geld zu wechseln.

Ein Scheingeschäft in Berlin

Ein Ermittler der Bayreuther Kripo sagte als Zeuge aus, man habe schon zu Jahresbeginn Hinweise aus der Drogenszene gehabt, dass unter aus Syrien stammenden Flüchtlingen mit Drogen gehandelt werde. Ein Hinweis des Verfassungsschutzes brachte schließlich konkrete Informationen: Die Verfassungsschützer nannten den Kriminalern die Namen des 27-Jährigen und seiner beiden Hauptabnehmer. Mit Hilfe eigener Telefonüberwachung sammelten die Fahnder Beweise. Am 5. März nahmen Ermittler den 27-Jährigen fest. Er hatte nur wenige Gramm Haschisch bei sich. In seiner Wohnung fanden die Ermittler jedoch ein Kilo Hasch und fast 7000 Euro Bargeld.

Der 27-Jährige packte gleich nach seiner Verhaftung aus. Er berichtete der Kripo, wie viel Drogen er an die beiden heranwachsenden Abnehmer weiter verkauft hatte. Der 19-Jährige und der 20-Jährige wurden tags darauf in der Altstadt festgenommen. Wie sich herausstellte, hatten die beiden einen eigenen Rauschgiftvertrieb begonnen, als sie entdeckten, wie leicht es war, in Berlin an große Haschischmengen zu kommen. Ende Oktober verurteilte das Landgericht die zwei Heranwachsenden zu Jugendstrafen von jeweils drei Jahren und neun Monaten.

Verdorbene Haschpreise in Bayreuth

Der 27-Jährige Kronzeuge tat aber noch mehr: Er stellte sich für ein Scheingeschäft in Berlin zur Verfügung: Dabei wurde sein Hauptlieferant gefasst, sagte der Bayreuther Ermittler im Zeugenstand: „Seine Aufklärungshilfe war äußerst wertvoll.“ Der Kriminalbeamte erklärte, dass die drei Dealer in Bayreuth die Preise verdorben hatten: Der Grammpreis von 15 Euro sei rapide abgesackt, eine 100 Gramm-Platte des „Superhasch“ war in Bayreuth schon für 500 Euro zu kriegen. Der Einkaufspreis des Angeklagten in Berlin: 300 Euro. Nach den Schätzungen der Staatsanwaltschaft dürfte der 27-Jährige in einem Jahr rund 50 000 Euro umgesetzt haben.

Der Hang des Angeklagten zum Haschkonsum führte dazu, dass der 27-Jährige eine Zwangstherapie machen muss – dass soll künftige weitere Straftaten im Zusammenhang mit Drogenbeschaffung verhindern. Erst soll der Mann nach über achtmonatiger U-Haft weitere neun Monate ins Gefängnis. Nach der anschließenden Therapie könnte er auf Bewährung raus – dann steht auch eine Abschiebung im Raum.

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