Späte Einsicht: Die Rückkehr der Moore

Von Christina Knorz
Baustein des Hochmoores:Revierleiter Peter Schöffel hält Torfmoos in den Händen. Das Moos kann Wasser speichern wie ein Schwamm. Stirbt das Moos, setzt es sich als Torf ab. So wachsen Hochmoore wie auf der Königsheide im Fichtelgebirge mit einem Millimeter pro Jahr. 
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Christina Knorz Foto: red

Die Bayerischen Staatsforsten betreiben ein weiteres Jahrhundert-Projekt. Jetzt werden Flächen renaturiert, die in ferner Zukunft ein intaktes Hochmoor bilden sollen. "Höchste Zeit", wie Wolfgang Wurzel vom Landratsamt sagt. 95 Prozent der Moore im Fichtelgebirge seien durch Land- und Forstwirtschaft zerstört worden.

 
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 "Wir können mehr als Holz", sagt Peter Schöffel. Der Revierleiter von Fichtelberg ist für die Königsheide zuständig. "Das kostbarste Stück, unser Allerheiligstes" im Fichtelgebirge, wie er sagt. Dort haben die Staatsforsten zusammen mit Umweltschutzverbänden vor acht Jahren 100 Hektar Moor renaturiert. Das Ergebnis präsentiert Schöffel am Donnerstagvormittag einer Journalistengruppe mit Stolz, damit die Öffentlichkeit erfährt, dass die Zeiten des Raubbaus in der Forstwirtschaft lange der Vergangenheit angehören. "Und damit Wanderer verstehen, dass manches, was nach wüster Zerstörung aussieht, Sinn und Ziel im Naturschutz hat", sagt Martin Hertel, stellvertretender Forstbetriebsleiter Fichtelberg. Jetzt kommen weitere drei Hektar hinzu, die dereinst die Königsheide wieder zu einem  Hochmoor machen sollen.

Die Hochebenen des Fichtelgebirges sind durchzogen mit Entwässerungsgräben. Die Namensendungen -loh wie in Tümpfelloh deuten noch darauf hin, dass dort vieles unter Wasser stand. Lohe stehe für Moor, erklärt Hertel. Die Gegend war nichts anderes als ein "mittelalterliches Industriegebiet". Man nutzte bis in die 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts alle Möglichkeiten. "Wollte auf jedem Quadratmeter deutschem Boden auch eine deutsche Fichte haben", sagt Hertel. "Heute sind wir schlauer."

Ein Schwamm, der Staub filtert

Kein noch so hoher Festmeterpreis für Holz könne den Nutzen eines Moores ersetzen. Für den Klimaschutz, den Hochwasserschutz und den Naturschutz. "Moore sind ein Schwamm", sagt Schöffel. Bei Starkregen speichere das Moor das Wasser und gebe es langsam wieder ab. Das verhindere extreme Überflutungen. Ein Hochmoor speichere außerdem 30mal mehr Kohlendioxid als ein Wald auf vergleichbarer Fläche, filtere besser Staub aus der Luft und biete tausenden Tier- und Pflanzenarten Lebensraum.

Baustein des Hochmoores ist das Torfmoos. Es ist in der Lage viel Wasser zu speichern und wächst mit dem Wasserspiegel in die Höhe. Die abgestorbenen Teile des Mooses bilden den Boden des Moores, den Torf. "Die Torfschicht wächst im Jahr einen Millimeter", sagt Schöffel. Wer einen Meter Torf ernte, zerstöre das Ergebnis von 1000 Jahren Wachstum. "Das muss man sich einmal genau vorstellen, das ist ungeheuerlich."

Der Torfabbau in Bayern ist mittlerweile gestoppt. Die Firmen, die im großen Stil am Chiemsee und um Rosenheim herum den Torf abgebaut haben, gebe es nicht mehr, sagt Markus Kölbel, Teilbereichsleiter Naturschutz in der Zentrale der Bayerischen Staatsforsten in Regensburg. Auch er stapft am Donnerstag mit durch das wachsende Moor im Fichtelgebirge. In ganz Bayern gebe es 6000 bis 8000 Hektar Hochmoore im Staatsforst. Die größten  in Oberbayern, etliche im Bayerischen Wald und wenige hundert Hektar im Fichtelgebirge und im Steinwald.

Wo Moor war, wurde aufgeforstet

"Die Renaturierung der Moore im Fichtelgebirge war überfällig", sagt Wolfgang Wurzel vom Landratsamt Bayreuth. Er klettert behände über kreuz- und querliegende Baumstämme und setzt seine Füße vorsichtig zwischen die Schwarzbeerensträucher. 15 Quadratkilometer Moorgelände habe es im Fichtelgebirge einmal gegeben. "95 Prozent davon wurden durch die Land- und Forstwirtschaft kaputtgemacht." Bis in die 60er Jahre hinein wurden die Moore entwässert, damit dort aufgeforstet werden konnte. "Es wurde höchste Zeit, dass man sich um die letzten fünf Prozent Moor kümmert." Wurzel kümmert sich auch. Als Zuständiger in der Unteren Naturschutzbehörde kämpft er für den Erhalt oder die Renaturierung der Moore, die auf privaten Flächen vorkommen - bei Landwirten oder Privatwaldbesitzern. Wie sein Vorschlag zur Renaturierung aufgenommen wird? "Dort geht es allein um wirtschaftliche Gründe", sagt Wurzel. "Sie sagen: wenn du das selbst zahlst, kannst du das machen." Der Staatsforst sei schließlich gesetzlich zum Umweltschutz verpflichtet. "Aber das passt schon, was die machen."

Mittlerweile habe sich vieles getan, sagt Matthias Huttner, der oberste Naturschützer beim Amt für Landwirtschaft und Forsten. Das Fichtelgebirge sei auf 3500 Hektar ein Vogelschutzgebiet, biete Auerwild, Luchs, Schwarzstorch und Dreizehen-Specht einen Lebensraum. Bei der Aufzählung der seltenen Libellenarten, die die Tümpel und Wasserflächen des wachsendes Hochmoores besiedeln, geraten Schöffel und Huttner ins Schwärmen. Arktische Smaragdlibellen fänden sich dort, die kleine und große Moosjungfer, sogar die seltene Speerazurjungfer, eine kleine blaue Libellenart bezeuge, wie schnell sich die Natur erholt.

Baggern für den Naturschutz

Durch die Stille des Waldes dröhnt ein Dieselmotor. Andreas Robisch (25) gräbt den Löffel seines 20-Tonnen-Baggers tief in den nassen Boden. Holz splittert, Sträucher werden entwurzelt, Insekten fliegen auf. "Das sieht wüst aus, ist aber wichtig", sagt stellvertretender Forstbetriebsleiter Hertel. "Ich bringe den Wald wieder in Ordnung", sagt Baggerführer Robisch mit Blick auf eine hundert Meter lange Schneise, die er hinterlassen hat. Seine Aufgabe ist es, die alten Entwässerungsgräben zu beseitigen. Dafür muss er tief in den Boden, damit sich das Wasser keinen Durchschlupf sucht. Robisch legt Dämme an, damit sich das Wasser wieder staut, das Torfmoos wachsen kann, die Tiere und Pflanzen zurückkommen und die Menschen in einigen 100 Jahren zurückblicken und sehen, was Peter Schöffel antreibt: "Das waren tolle Förster damals."

 

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