So wird der Weimar-"Tatort"

 Foto: red

Gestartet ist das Ermittler-Duo Dorn und Lessing 2013 als einmaliges Feiertags-Event. Doch nach drei Folgen ist der Weimar-«Tatort» dank verworrener Geschichten und viel Klamauk unverwechselbar geworden. Wird «Der scheidende Schupo» nun die 10-Millionen-Marke knacken?

 
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Der neue «Tatort» aus Weimar trägt gleich zu Beginn dick auf: Aus enttäuschter Liebe wütet die gehörnte Frau im Blumenbeet ihres Angebeteten, als sie kurzerhand auf eine Bombe stößt. Einmal mehr entspinnt sich so eine verworrene Geschichte, die mit Klamauk und Situationskomik garniert ist. Dabei schlittert das Ermittler-Duo Dorn und Lessing (Nora Tschirner und Christian Ulmen) in den Erbstreit einer Porzellan-Dynastie. Offensichtlich war die Bombe für ihren Kollegen Ludwig Maria Pohl - Lupo genannt - gedacht. Dem Tod von der Schippe gesprungen, liegt er wenig später trotzdem im Sterben: wegen einer tödlichen Dosis Rizin. Wollte da jemand ganz auf Nummer sicher gehen?

Die Hauptkulisse für den vierten «Tatort» mit Dorn und Lessing bietet nicht das Klassische Weimar, sondern die hoch über der Saale thronende mittelalterliche Leuchtenburg südlich von Jena und die nahegelegene Porzellanfabrik. Einem Märchenschloss gleich samt mystischem Kräutergarten wird die Burg mit ihrer Ausstellung in Szene gesetzt. Dort oben in der Hausmeisterwohnung wohnt auch Lupos frühere Kindergärtnerin Olga Kruschwitz (wunderbar gespielt von Carmen-Maja Antoni), die nicht nur einen äußerst kriminellen Sohn hat, sondern von Lupo verehrt wird und im Hintergrund die Fäden zu ziehen scheint.

In «Der scheidende Schupo» verschaffen die Drehbuchautoren Murmel Clausen und Andreas Pflüger den aus früheren Episoden bekannten, Kakao schlürfenden Polizisten Lupo (Arndt Schwering-Sohnrey) den großen Auftritt. Nicht nur, dass der sonst schüchterne Beamte in Kommissarin Dorn verliebt ist und ihr Gedichte schreibt («Kira, schönste aller Rosen») - als Todgeweihter läuft er zur Hochform auf und gerät selbst auf die schiefe Bahn. Regisseur Sebastian Marka bezeichnet die Folge im Presseheft daher als Mixtur aus Märchen und Coming-of-Age-Geschichte.

Es wäre kein typischer Weimar-«Tatort», wenn die Handlung nicht immer neue, überraschende Wendungen bis hin ins Absurde nimmt. Und auch der Running-Gag ist gesichert, dank eines von Dorn und Lessing verpassten Elternabends im Kindergarten. Die Komik ergibt sich oft aus einzelnen Situationen und Wortwitz - etwa wenn Lupo eingangs gerade im «Raum des Scheiterns» einer Ausstellung auf der Burg seiner Andrea die Liebe aufkündigt oder es nach ihrem explosiven Gang ins Jenseits später heißen wird: «Andrea wird immer noch größtenteils vermisst».

Die Folge nimmt sich zugleich einem Kapitel Thüringer Geschichte an. Zwar steht die Wiege des europäischen Porzellans im sächsischen Meißen. Mit der Nacherfindung 1760 entwickelten sich aber in Thüringen viele Manufakturen und später auch Fabriken, die Porzellan herstellten: Von Alltags- und Tafelgeschirr über Puppen- und Tabakpfeifenköpfe bis hin zu kunstvollen Figuren. Im 19. Jahrhundert stammte zeitweise 60 Prozent der deutschen Porzellanproduktion von hier; später kannte wohl jeder DDR-Bürger das Kahlaer Porzellan mit Zwiebelmuster. In der Stadt wird bis heute Geschirr hergestellt.

War der Weimar-«Tatort» 2013 als Feiertags-Event gestartet, hat er sich inzwischen einen festen Platz in der sonntäglichen Krimi-Fangemeinde errungen. Die dritte Folge im April 2016 sahen 9,85 Millionen Zuschauer. So bleibt abzuwarten, ob Fall Nummer 4 am Sonntag (ARD, 20.15 Uhr) die 10-Millionen-Marke knackt. Und bis zur nächsten Episode müssen die Zuschauer nicht wieder so lange warten: Der MDR dreht inzwischen zweimal im Jahr. Folge 5 («Der wüste Gobi») soll schon diesen Herbst zu sehen sein.

 

dpa

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