Der Serieneinbrecher lebte nicht weit vom Waldrand weg in einem Zelt mit Heizung und Räucherkammer So schnappte die Polizei den Waldläufer

Von Manfred Scherer

Der Waldmensch hatte eine Räucherkammer, eine eigene Heizung und ein Fluchtfahrzeug: Darauf steht "Fichtelgebirgsfahrrad". Er lebte von Diebstählen. Die Polizei im Fichtelgebirge hat jetzt bekannt gegeben, wie die lange Jagd nach dem Mann, der mal "das Phantom" oder "der Waldläufer" genannt wurde, erfolgreich zu Ende ging.

 
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Es ist auch das Wetter, das dem Waldläufer zum Verhängnis wird. Durch die Wälder rund um den Großen Kornberg heult der Sturm. Im südlichen Martinlamitzer Forst, im Dreieck zwischen den Orten Spielberg, Großwendern und Niederlamitz, ist es laut. So laut, dass der Mann, der ruhig schlafend in einem selbstgebauten Zeltverhau in seinem Bett liegt, nicht hört, dass sich draußen seine Jäger nähern.

Spuren im Schnee

Ein Suchtrupp der Wunsiedler und Selber Polizei ist am vergangenen Freitag um 10.45 Uhr endlich am Ziel: Das Versteck des seit Monaten gesuchten "Waldläufers" ist gefunden. Fußspuren im Schnee haben die Beamten hierher geführt, nur 50 Meter vom Waldrand entfernt, befindet sich das Lager des Waldläufers. Der mutmaßliche Serieneinbrecher bemerkt nicht, dass Beamte seine Behausung betreten. Robert Roth, der stellvertretende Chef der Wunsiedler Polizei, sagt: "Die Kollegen haben angefangen zu schwitzen, so warm war es da drin."

Wehmütiger Blick zurück

Der Waldläufer wird geweckt und lässt sich widerstandslos festnehmen. Als er abgeführt wird, schaut er wehmütig zu seiner Behausung zurück und sagt: "Ich bin etwas traurig. Das ist doch mein Zuhause." Später, bei der Haftrichterin, fragt er, ob er duschen darf und eine Einzelzelle kriegen könnte.

Mehr als 90 Einbrüche und Diebstähle werfen die Ermittlungsbehörden dem 61-jährigen Tschechen vor. Dabei richtete der Mann bei Einbrüchen in Fischer-, Jagd- und Skihütten, in Wochenend- oder Gartenhäuser und in Kioske etwa 10.000 Euro Schaden an und machte Beute im Wert von etwa 3000 Euro.

"Er sagt, im Wald gefällt es ihm besser als in der Stadt"

Der Hofer Leitende Oberstaatsanwalt Gerhard Schmitt erklärte bei der Pressekonferenz zur Festnahme des Waldläufers: "Er hat die Einbruchserie gestanden. Der große Kriminelle ist er sicher nicht." Dennoch, so Schmitt, habe die Polizei im Fichtelgebirge zurecht einen großen Aufwand getrieben, um den seit Monaten gesuchten Seriendieb zu fassen: "Es ist heutzutage nicht mehr selbstverständlich, dass eine derart engagierte Polizeiarbeit überall erfolgt." Und Polizeichef Dürrbeck ergänzt: "Bei allem Verständnis für die Lebensweise des Beschuldigten: Machen Sie mal einem Kind klar, dass ihm gerade sein Lieblingstier geklaut wurde."

Laut Oberstaatsanwalt Schmitt wissen die Behörden, dass der Tscheche im Frühjahr 2014 aus der Gegend von Eger ins Fichtelgebirge kam. In seiner Heimat hatte er bis 2006 in der Landwirtschaft gearbeitet. Er soll ein Haus geerbt haben, das jedoch zerfiel. Danach wählte der Mann die große Freiheit. Schmitt: "Er sagt, dass er seit 2006 im Wald lebt, weil es ihm dort besser gefällt als in der Stadt."

Klassische Polizeiarbeit führt zum Erfolg

Die Wunsiedler Polizei machte bei der Jagd nach dem Waldläufer eine neue Erfahrung: Der Gesuchte war nicht aufzuspüren. Selbst wenn er ein Handy gehabt hätte, wäre er bei dem schlechten Funkempfang rund um den Großen Kornberg nicht zu orten gewesen - die neueste und beliebteste Wunderwaffe der Polizei, die Funkzellenortung, konnte nicht angewendet werden.

Es war also "klassische Polizeiarbeit" notwendig, wie der Chef der Wunsiedler Polizei, Willi Dürrbeck, erklärte: Die Spurensicherung stellte nach ersten Einbrüchen fest, dass immer wieder dasselbe Aufbruchswerkzeug - ein Geißfuß - verwendet wurde. DNA-Spuren von verschiedenen Tatorten rundeten das Bild ab: Es war ein und dieselbe Person.

Erst der DNA-Abgleich mit Spuren in internationalen Datenbanken brachte den Treffer und den Hinweis auf die Identität des heute 61-jährigen Tschechen: Er hatte in Österreich 70 Einbrüche begangen und war dort im Jahr 2010 für einige Monate eingesperrt worden.

Strategisch Spuren verwischt

Die Ermittlungsgruppe "Waldläufer" unter Führung der Wunsiedler Polizei setzte Hubschrauber ein, Suchhunde. Polizisten gingen rund um den Kornberg dienstlich Wandern, Pilze sammeln  oder Mountainbikefahren. Polizisten saßen manch lange Nacht in Jagd- oder Fischerhütten erfolglos auf der Lauer. 50 Beamte waren zeitweise im Einsatz.

In vielen Fällen kamen die Fahnder knapp zu spät. Hauptkommissar Roth: "Er war für uns unsichtbar." Heute wissen die Wunsiedler Polizisten, dass der Gesuchte sich wie ein geübter Jäger verhielt: Der Waldläufer überquerte auf der Flucht befahrene Straßen, so dass Suchhunde die Spur verloren. Er ging durch Bäche, so dass er im wahrsten Sinn des Wortes spurlos verduften konnte. Seine Behausung hatte er strategisch am Rand eines Sumpfgebietes, zwischen zwei Bächen, angelegt. Willi Dürrbeck: "Am Tag der Festnahme wateten Kollegen bis zu den Knien durchs eisige Wasser."

Was die Polizisten in dem Waldläuferversteck vorfanden: Am Eingang eine Räucherkammer, in der der Waldmensch gestohlene Lebensmittel und getötete Tiere haltbar machte. Sein Zelt war in verschiedene Zimmer unterteilt. Hauptkommissar Roth halb scherzhaft: "Es war so gut isoliert, dass es wahrscheinlich vom Staat energetisch gefördert werden könnte." 

In der Behausung ein Sammelsurium an Habseligkeiten - von der Seife bis zum selbstgebauten Jagdbogen, von der Propangasheizung zum Gummistiefel, vom Dartpfeil bis zur Schubkarre. Und doch spricht eines dafür, dass es in der selbstgewählten Einsamkeit des Einsiedlers vom Kornberg auch bittere Momente gab: An einer Zeltwand hing eine Fotosammlung mit barbusigen Frauen aus Erotikmagazinen.

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