Ende des 65. Festivals junger Künstler Festival junger Künstler: Sissy Thammer zieht Bilanz

Von Wolfgang Karl
Das 65. Festival junger Künstler ist zu Ende. Archivfoto: Ritter Foto: red

Das Festival junger Künstler ist vorbei. Im Interview zieht Intendantin Sissy Thammer Bilanz und blickt in die Zukunft.

 
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Danke, dass Sie sich Zeit genommen haben.

Sissy Thammer: Es ist ja auch immer schön, noch einmal Bilanz ziehen zu dürfen.

Bilanz ziehen ist ein gutes Stichwort: War es nun eigentlich das 65. oder das 66. Festival junger Künstler?

Thammer: Das 65.. Wobei ja eigentlich 1950 das erste war. Wir haben uns dazu entschieden, dieses zum Jubiläumsjahr zu machen. Dafür hatten wir auch die Patronage von Frank-Walter Steinmeier. Das ist eine große Ehre, schließlich übernimmt er nicht einfach so eine Schirmherrschaft.

Da wären wir bei der Rente mit 67. Das Festival junger Künstler geht aber noch nicht bald in Rente, oder?

Thammer: Wir haben durchaus die Absicht, 100 zu werden. Es gibt strategische Gespräche. Dem haben wir uns immer gestellt: Zuerst räumt man auf, dann schaut man, was man verbessern kann. Hin und wieder muss man auch eine neue Strategie anlegen. In den 30 Jahren, in denen ich das mache, erinnere ich mich auch an große Zäsuren. Zum Beispiel mussten wir auf den Fall des Eisernen Vorhangs reagieren. Unsere Strukturen waren auf Begegnungen mit dem Osten ausgerichtet. Das wurde dann zu beliebig. Musikalisch waren wir zum Beispiel Trendsetter im Bereich Musical, als es noch keine Musical-Ausbildung in Deutschland gab. Vorreiter waren wir auch in der Weltmusik, mit der Reihe Orient meets Occident. Wogegen wir uns wehren ist Niveaulosigkeit. Wir sagen nicht, dass wir uns um den Frieden bemühen: Hier ist ein russischer Geiger, dort ein ukrainischer Schlagzeuger und das ist jetzt unsere Friedensbotschaft. Das reicht nicht.

Dennoch war Frieden ein Thema, mit der Aufführung von „Requiem for Peace“. Waren die Grußworte vom Bamberger Erzbischof und der Bayreuther Regionalbischöfin schon länger geplant?

Thammer: Den Erzbischof kann man nicht spontan einladen. Ich hatte beide bereits Anfang August eingeladen. Der Erzbischof nahm sich dann Zeit und wollte die jungen Leute treffen. Mich hat es sehr beeindruckt, dass er gekommen ist. Auch die Ansprache der Regionalbischöfin hat mir sehr gut gefallen.

War das „Requiem for Peace“ das mächtigste Chorwerk, dass sie bisher aufgeführt haben? Es dauert zwei Stunden.

Thammer: Nein, wir haben schon Lelio von Hector Berlioz aufgeführt. Das war das größte. Wir hatten 140 Musiker, davon 120 Chorsänger. Es geht nicht immer um die Größe. Ich halte eigentlich nichts von großen Reden vor Konzerten. Viele Leute haben gesagt: Wir haben nicht gewusst, dass davor etwas stattfindet. Das haben wir für uns gemacht, auch wenn die Öffentlichkeit dazukommen durfte. Aber es war kein Programmteil.

Wie kommen Sie auf so ein Werk?

Thammer: Das war ein Vorschlag von Fred Sjöberg. Wir hatten die Jahre zuvor mit Fred Sjöberg und dem Chor ein Potpourri verschiedener Werke. Das kam an. Wir haben auch immer die Schwierigkeit, international zu arbeiten. Das hört sich zwar immer toll an, aber arbeitet mit verschiedenen Niveaus. Ein jordanischer Chor, mit Arabern, die europäische Musik singen, ist auf einem anderen Level als ein deutscher oder schwedischer Chor. Wir haben Chöre aus China und Armenien: Die kommen mit ihrer eigenen Kultur und müssen in die europäischen Werke eingearbeitet werden. Das ist meist gelungen. Sjöberg meinte dann, er wolle sich qualitativ aber noch einmal steigern. Dazu wollte er ein ganzes Werk machen. Für ein großes Orchester hatte ich kein Geld. Also meinte er: „Ich mache eine Uraufführung in Örebro.“ Das habe ich mir dann im Internet angeschaut. Die zweite Aufführung des Werkes war dann schon bei uns. Die Idee hat uns gefallen und Larry Nickel hat uns gefallen.

Auch eine Premiere war Peter Stark als Dirigent des Abschlusskonzertes.

Thammer: Peter Stark war zum ersten Mal da und ich darf heute sagen, dass ich ihn wieder einlade.

Das Konzert war ein Erfolg. Dabei hatte das Orchester nur dreieinhalb Tage Probezeit.

Thammer: Es war unglaublich. Aber so einfach ist es nicht: Bevor die Tutti-Proben kamen, hatten wir schon Registerproben. Ohne unsere Lehrer Rien de Reede, Clare Thompson und Iagoba Fanlo in den Kammermusikproben wäre das nicht gegangen.

Welche Bilanz ziehen sie bei den Besucherzahlen?

Thammer: Wir sind im Wesentlichen ausgebucht. Beim Abschlusskonzert hätten wir noch ungefähr 50 Leute in die Stadthalle gebracht. In Kloster Speinshart aber niemanden mehr. In der Regel sind wir verdammt gut besucht. Außerdem haben wir ein System, auf das ich großen Wert lege. Auf unseren Eintrittskarten steht, man soll am Schluss zahlen, was es einem wert ist. Wir möchten niemanden ausschließen. Ich möchte, dass Rentner, Flüchtlinge und kinderreiche Familien auch kommen können. Wir fahren gut damit: Die Leute sind fair. Manche legen einen Fünfziger rein, andere können eben nur ein oder zwei Euro zahlen.

Eine weitere Premiere: Der Live-Stream beim Abschiedskonzert. Wie waren Sie zufrieden?

Thammer: Mir hat das sehr gut gefallen. Wir haben ja auch andere Trends. Wir hatten thailändische und chinesische neue Musik. Wir haben Sachen aus den Heimatländern der Teilnehmer genauso gebracht wie Dinge in der Auseinandersetzung mit der europäischen Musik. Wir hatten Programme, die eingängig waren, aber nicht billig wirkten. Die Chinesen waren zum Beispiel überragend. Mir hat besonders gefallen, dass wir auch neue Musik hatten. Wir haben zwei Säulen: zum einen die Akademie mit elf Workshops, zum anderen die Artists in Residence. Damit möchten wir ein Netz von Musik über ganz Oberfranken legen und den Tourismus ankurbeln. Da sprechen einen Leute aus dem Rheinland an, die extra ihren Urlaub auf unsere Konzertzeit legen. Manche reisen den Orchestern gar hinterher.

Wie sehen die Pläne für die musikalische Zukunft aus?

Thammer: Ich denke, dass die Zusammenarbeit mit Peter Stark und den ihn umgebenden Kammermusikern ausgebaut wird.

Info: Wie lange die Besucher beim Live-Stream verweilten, ist laut Antonia Emde von der Öffentlichkeitsarbeit des Festivals nicht zu beantworten. „Aber die Klickzahlen lagen bei gut 4000. Wo die Leute zugesehen haben, ob aus Bayreuth oder Thailand, können wir leider nicht sagen.“

Lesen Sie hier eine Kritik des Abschlusskonzertes.

Hier gibt es eine Geschichte über das Catering beim Festival.

Und hier verbirgt sich der Bericht über das Konzert in einer Flüchtlingsunterkunft.