Castorf schafft witzige Momente, aber die Jungs mit dem Maschinengewehr, die fatalen Verheißungen und die Bruchstelle zwischen Idyll und Realität sind heute eben andere, die Welt hat sich weiter gedreht als die Drehscheibe auf der Bühne. Es ist halt unpraktisch, wenn man eine Mauer im Kopf hat und diese Mauer nicht wegkriegt. Aber es sind vier Krokodile inzwischen, man kann also nicht sagen, Frank Castorf habe sich nicht gesteigert. Die Solisten lassen sich davon immerhin nicht stören. Stefan Vinke beerbt Lance Ryan in der Titelpartie, ein stimmlich breitschultriger Siegfried, der sich in den ersten beiden Akten kaum merklich bremst und dann im dritten tatsächlich aufblüht, solche Siegfriedtöne haben dieser Produktion bisher tatsächlich gefehlt.
Andreas Conrad ist fabelhaft als Mime, Wolfgang Koch und Albert Dohmen sind als Wanderer und Alberich in Bestform, das gilt auch für Andreas Hörl als Fafner - bei einer intellektuell so verstiegenen Inszenierung wäre es schwierig, wenn man den Text nicht verstünde; zum Glück versteht man jedes Wort. Auch bei Catherine Foster, die als Brünnhilde brilliert und der Kirill Petrenko ein paar Piano-Stellen gönnt; auch bei Nadine Weissmann als exzellente Erda, die stimmlich ein bisschen schroffer geworden ist, was aber - nicht nur im Castorf-Anstrich der Rolle - nur noch interessanter klingt.
Und Petrenko? Der gewinnt den Zweikampf mit der Regie, der dieser Abend leider ist, und erweckt den Anschein, als sei das spielend leicht. Mit einem dunkel funkelnden Vorspiel, haargenau herausgeschälten Fagott- und Klarinetten-Tönen, einer ganzen Palette an Streicherfarben und einem kompromisslos sängerfreundlichen Ansatz. Wie schlagartig Petrenko das Orchester herunterdimmt, und wie voluminös der Apparat dann immer noch klingt, nur eben leise: Das gibt es so nur hier und auch nur mit diesem Dirigenten. Vielleicht ringen sich die Festspiele ja doch noch durch, eine Gesamtaufnahme des Petrenko-„Rings“ herauszugeben. Es wäre ein Fehler, das nicht zu tun.
Eine DVD muss wirklich nicht sein.