Er kassierte ein Jahr und neun Monate Haft für dreifachen sexuellen Missbrauch an Kindern in Tateinheit mit einer Nötigung, ausgesetzt drei Jahre zur Bewährung, dazu eine Geldauflage in Höhe von 360 000 Euro.
Er war angeklagt der 23-fachen Vergewaltigung, der zweifachen versuchten Vergewaltigung und des vierfachen sexuellen Missbrauchs von Kindern, dazu kamen zwei Fälle der sexuellen Nötigung sowie der unerlaubte Besitz eines Revolvers. Dafür hätte ein 71-Jähriger auch zehn Jahre im Knast landen können. Doch am Ende einer Marathon-Verhandlung über achteinhalb Monate und 36 Verhandlungstage ging der Mann gestern mit einer Bewährungsstrafe aus dem Schwurgerichtssaal des Bayreuther Landgerichts.
Er kassierte ein Jahr und neun Monate Haft für dreifachen sexuellen Missbrauch an Kindern in Tateinheit mit einer Nötigung, ausgesetzt drei Jahre zur Bewährung, dazu eine Geldauflage in Höhe von 360 000 Euro.
Angeklagt worden sind Taten an seiner Tochter (48), seinen Enkeltöchtern und einer ihrer Freundin, sowie an der Ex-Ehefrau. Doch die Strafkammer unter Vorsitz von Richter Michael Eckstein sah nicht alle der in der Anklage aufgeführten Fälle als erwiesen an und sprach ihn in allen Punkten, die die Hauptbelastungszeugin – seine Tochter – gegen ihn vorgebracht hatte, frei. Damit folgte das Gericht dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Begründung: „In drei von neun Fällen ist die Kammer überzeugt, dass sie nicht stattgefunden haben können, in einem Fall liegen erhebliche Zweifel vor“, sagte Eckstein. Er wandte sich an den vollbesetzten Zuschauerraum: „Wie sollen Sie dann begründen, dass sie im Übrigen der Zeugin glauben? Das geht nicht.“
Die Tochter des Angeklagten war mit ihren Töchtern und deren Freundin zur Urteilsverkündung erschienen. Es hielt sie nicht lange auf ihrem Stuhl. „Ich gehe“, sagte sie und erhob sich mit einer ihrer Töchter. Dann hielt sie inne, fixierte ihren Vater, der wie alle Prozesstage stoisch auch das Urteil verfolgte und ihren Blick nicht erwiderte. „Meinem Vater möchte ich noch sagen…“, da schnitt ihr Eckstein mit einem scharfen „keine Erklärungen!“ das Wort ab.
Die zweite Tochter verfolgte die Urteilsverkündung streckenweise zitternd weiter, die Freundin spendete ihr ab und an Trost und legte ihr den Arm um die Schultern. Die Taten, die sie ihrem Großvater vorgeworfen hatte, sah das Gericht als erwiesen an. Dass der Großvater ihre Brüste mit einem Ruck an ihrem trägerfreien Kleid in einem Aufzug entblößte, wertete da Gericht als Nötigung.
Auch an den Taten, die der Großunternehmer an der anderen Enkelin und deren Freundin begangen haben soll, hatte das Gericht keinen Zweifel. Erwiesen sei der sexuelle Missbrauch, als der Opa mit dem Kind und dessen noch sehr kleinem Bruder in einem Bett nächtigte und das Mädchen in der Nacht zu Onanierbewegungen an seinem Glied zwang. Der Großvater wurde wiederholt bei diesem Mädchen und dessen Freundin übergriffig. Hier sah das Gericht bei der Enkelin nur den Versuch, bei der Freundin den ausgeführten sexuellen Missbrauch in zwei Fällen.
Der Staatsanwalt war in seinem Plädoyer von „schwerem“ sexuellem Missbrauch an Kindern ausgegangen. Denn als solcher kann eine Tat auch gewertet werden, wenn die körperliche oder seelische Entwicklung des Opfers nach der Tat erheblich geschädigt ist. Das sah das Gericht nicht. „Dass derartige Übergriffe immer eine Gefahr begründen, liegt in der Natur der Sache. Hier muss aber eine gesteigerte Gefahr vorliegen, und die konnten wir nicht sehen.“
Ausführlich begründete Richter Eckstein den Freispruch, was die Vorwürfe der Tochter des Unternehmens anging. Mit 36 Verhandlungstagen sei es seine längste Hauptverhandlung gewesen. „Die hat sich vor allem dadurch hervorgetan, dass umfangreichste Nachermittlungen geführt wurden!, so Eckstein. „Es wurde kein Stein auf dem anderen gelassen, alles wurde dreimal umgedreht.“ Einen Schwerpunkt bildeten die Nachermittlungen bezüglich der Vorwürfe der Tochter. „In drei der neun Fälle ist die Kammer überzeugt, dass sie nicht stattgefunden haben können“, so Eckstein. Jedoch: Der Anwalt der Tochter sieht in der Anklage einen Fehler. Es geht um den Vorwurf der Vergewaltigung der Tochter nach der Kommunion einer Enkelin. „In diesem Fall stimmt das Datum in der Anklage nicht“, so Nebenklage-Vertreter Frank Peter nach dem Urteil. Wenn das richtig sein sollte, so führte das zum wasserfesten Alibi des Angeklagten für diesen Fall. Peter gestern zum Kurier: „Ich gehe davon aus, dass wir in Revision gehen.“
In einem anderen Fall war das Gericht „felsenfest davon überzeugt, dass der Angeklagte an einer Knobel-Runde teilgenommen hat“, und damit die Tochter zu diesem Zeitpunkt nicht vergewaltigt haben kann. Und eben auch bei einem dritten Fall gab es Verwirrungen um den Tatzeitpunkt. „Juristen wissen, wie wichtig der Tatzeitpunkt ist“, so Eckstein in seiner Urteilsbegründung, „auch, um dem Angeklagten Verteidigungs-Chancen zu eröffnen.“ Auch den Vorwurf der Ex-Frau, der Angeklagte habe sie vergewaltigt, sah das Gericht nicht als erwiesen an.
So blieben dreifacher sexueller Missbrauch von Kindern in Tateinheit mit Nötigung und der unrechtmäßige Besitz eines Revolvers übrig. Für den Angeklagten sprach: Er ist nicht vorbestraft, er hat mit seinem Unternehmen eine „Lebensleistung erbracht“, so der Richter, außerdem liegen die Taten lange zurück. Die Gesamtstrafe beträgt ein Jahr und neun Monate Gefängnis, ausgesetzt auf drei Jahre zur Bewährung. Dazu muss der Unternehmer 360.000 Euro Geldauflage in die Staatskasse zahlen. Sie ist so hoch, weil sie sich nach dem Einkommen des 71-Jährigen richtet. Während der eine Anwalt die Revision überlegt, legte sich der andere Nebenklagevertreter fest: „Der Angeklagte ist zu milde davon gekommen“, sagte Wolfram Schädler, der Anwalt einer Enkelin.
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