Landgericht lehnt Antrag auf Vereidigung eines zentralen Zeugen ab – Möglicherweise, um ihn zu schützen Sexprozess: "Kümmerer" in der Schusslinie

Von Manfred Scherer
 Foto: red

Den Prozess gegen einen 71-jährigen Unternehmer aus Westdeutschland könnte man als Duell ansehen. Als Duell zwischen dem Vorsitzenden Richter Michael Eckstein und dem Verteidiger Johann Schwenn. Ist es das wirklich? Und welche Rolle spielt der Weisse Ring in dem Fall?

 
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Schwenn ist in dem Verfahren gegen seinen wegen einer Serie von Sexualverbrechen gegen fünf mutmaßliche Opfer angeklagten Mandanten seinem Ruf gerecht worden: Er ist wirklich ein Spezialist für solche Fälle.

Der Begriff Komplott kommt von den Medien

Er hat es geschafft Zweifel zu wecken, vor allem an der Hauptzeugin, der 48-jährigen Tochter des Angeklagten. Die Frau bezichtigt ihren Vater, sie jahrelang missbraucht und vergewaltigt zu haben. Schwenn verdächtigt sie, die vier weiteren Opferzeuginnen – bis auf eine alle Familienmitglieder – mitgezogen zu haben, sie zu ebenfalls belastenden Aussagen angeregt zu haben. Grob gesagt, wäre das ein Komplott – ein Begriff, den Schwenn nicht benutzt hat und der eine Umschreibung der Medien für das möglicherweise gesteuerte Aussageverhalten der anderen Zeuginnen ist. Wie, dafür gab die Aussage eines zentralem Zeugen am 12. Verhandlungstag am Dienstag Anhaltspunkte. Es handelt sich um einen Repräsentanten des Weissen Rings, einen heute 70-jährigen, ehemaligen Polizisten. Die Hauptzeugin hatte sich mit ihren Vorwürfen zunächst an diese Organisation gewandt, der hatte die Kripo eingeschaltet. Seither begleitet der Weisse Ring die mutmaßlichen Opfer inner- und außerhalb des Gerichtssaals.

Eine Zeugin wird ins Spiel gebracht

Viel zu intensiv, wie der Verteidiger meint. Beispiel: Eine als eidesstattliche Versicherung überschriebene Erklärung einer „Sekundärzeugin“. Die Versicherung wurde vom Mann des Weissen Rings aufgenommen, die Zeugin aber ursprünglich von der Tochter des Angeklagten ins Spiel gebracht. Die „Sekundärzeugin“ hatte behauptet, der Angeklagte habe ihr einmal sein Geschlechtsteil gezeigt.

Drei Stunden Fahrt zur "Sekundärzeugin"

Im Zeugenstand gab der Ex-Polizist an, er habe sich von der Tochter des Angeklagten drei Stunden bis ins Württembergische fahren lassen, um dort die Bekundungen der „Sekundärzeugin“ aufzunehmen. In Anwesenheit, mit inhaltlicher oder gar finanzieller Unterstützung der Hauptzeugin? Überhaupt, wurden Zeugenaussagen vorab vorbereitet oder durchgesprochen? Oder nach der Vernehmung bei der Kripo nachgebessert? Der Mann vom Weissen Ring wies das von sich.

Was bedeutet der abgewiesene Vereidigungsantrag?

Schwenns Antrag den Zeugen wegen einer Reihe von Widersprüchen vereidigen zu lassen, wies erst der Vorsitzende per Verfügung, dann das ganze Gericht per Beschluss zurück. Zweck einer im Raum stehenden Vereidigung ist, einem Zeugen zuvor noch die Chance zur Korrektur der Aussage zu geben. Die nahm der Zeuge nicht vor. Glaubt das Gericht ihm also? Der Zeuge sei nicht ausschlaggebend, seine Vereidigung nicht zwingend nötig für die Wahrheitsfindung, begründete das Gericht den ablehnenden Beschluss. Das könnte in diesem Fall heißen, dass man den Zeugen nicht absichtlich einen fahrlässigen Falscheid leisten lassen wollte.

Ein Duell? Eher ein Kampf um die Wahrheit. Der Prozess geht weiter.

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