Zum Beispiel die Sache mit der Bauch-Operation: Die Zeugin behauptete am Montag im Prozess, sie sei von ihrem Vater kurz nach einer Bauchoperation aus dem Krankenhaus abgeholt worden. Obwohl sie ihrem Vater von ihren heftigen Unterleibsschmerzen berichtet habe, habe der sie im Auto begrapscht. Das Problem der Richter und des Staatsanwalts: Hiervon hatte die Zeugin bislang nichts berichtet, der Fall steht nicht in der Anklage. "So etwas vergesse ich doch nicht", sagt Nebenklageanwältin von Imhof: "Warum erst jetzt?" Die Zeugin sagt: "Für mich hatte es nicht diese Bedeutung."
Für den Verteidiger Johann Schwenn hat das durchaus Bedeutung. Er fragt: "Wurde der Fall hinzu erfunden?"
Zwei Fragen des Verteidigers haben es in sich
Die Stunde des Verteidigers schlägt um 15 Uhr. Nein, Schwenn wirft nicht mit Dreck. Schwenn stellt keine üblen Behauptungen auf. Wie ein Meisterfechter setzt er Stiche. Seine Waffe ist die Strafprozessordnung. Er macht Vorhalte aus den Akten, stellt Fragen. Und zwei haben es in sich.
Die Frage nach dem Zivilstreit: Die Hauptzeugin bejaht, dass sie sich mit ihrem Ehemann vor Gericht streitet. Es geht um Unterhalt, um Firmenbeteiligungen. Die Zeugin bejaht, dass ihr Zivilanwalt am Montag ein vier Millionen-Angebot des Ehemanns zur gütlichen Einigung als zu niedrig abgelehnt hat. Und dann setzt Schwenn seinen Treffer: Ob die Zeugin etwas davon wisse, dass der Zivilanwalt ein schriftliches Angebot unterbreitet habe, dass die Hauotzeugin im Strafverfahren gegen ihren Vater ihr Aussageverweigerungsrecht in Anspruch nehmen würde, falls die Gegenseite ein angemessenes finanzielles Angebot unterbreite? Zu deutsch: Wurde nach Schweigegeld gefragt? Die Zeugin sagt: "Davon weiß ich nichts." Sie entbindet den Zivilanwalt von der Schweigepflicht. Der Anwalt wird im weiteren Prozessverlauf mit Sicherheit als Zeuge aufgerufen werden.
Die Frage nach dem umstrittenen Buch: Die jüngste Tochter der Hauptzeugin hat ein Buch über ihr Leben geschrieben. Die Auslieferung des Buches hat Schwenn, so trägt er vor, in Hamburg vor Gericht unter Androhung von bis zu 250.000 Euro Bußgeld gestoppt. In dem Buch schreibt die Tochter, ihr Leben sei "an Weihnachten 2013 komplett über den Haufen geworfen worden. Damals habe sie ein "schreckliches Familiengeheimnis" erfahren: "Mein Großvater hat meine Mutter jahrelang missbraucht." Schwenns Trumpf: Die jüngste Tochter soll laut Anklage im September 2010 selbst von ihrem Großvater sexuell missbraucht worden sein. 2010 und 2013 passen vor diesem Hintergrund nicht zusammen.
Die Erklärung Schwenns: "Man kann es hier mit einer von wirtschaftlichen Interessen gesteuerten Falschbezichtigung zu tun haben."
Der Prozess wird in zwei Wochen fortgesetzt.