Prozess gegen mutmaßlichen Serienvergewaltiger: Anwalt der Hauptzeugin soll nach  Schweigegeld gefragt haben Sexprozess: Eine Zeugin unter Anklage

Von Manfred Scherer
Anwalt Johann Schwenn, hier auf einem Archivfoto, hat im Prozess gegen einen mutmaßlichen Serienvergewaltiger schweres Geschütz aufgefahren. Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa Foto: red

Ein wertvoller Ring, angeblich "Bezahlung" für eine Vergewaltigung, den das vermeintliche Opfer im Gerichtssaal trägt. Ein Angebot, gegen eine hohe Abfindung vor Gericht zu schweigen. Schwere Geschütze gegen die Hauptzeugin im Prozess gegen ihren wegen Serienvergewaltigung angeklagten Vater. Den Druck übt nicht alleine Verteidiger Johann Schwenn aus.

 
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Den Druck auf die Hauptzeugin üben alle Prozessbeteiligten aus. Die Richter um den Vorsitzenden Michael Eckstein, Staatsanwalt Daniel Götz, sogar Kristina von Imhof, die Anwältin der Hauptzeugin. Wie berichtet, hatte die 47-jährige Zeugin zum Prozessauftakt ihren Vater beschuldigt, sie seit über 30 Jahren missbraucht und vergewaltigt zu haben.  Die Anklage gegen den 71-jährigen Unternehmer aus Westdeutschland, der auch eine Firma in Oberfranken hat, ist auf 23 Vergewaltigungen an seiner Tochter eingegrenzt - die Frau hatte von weit mehr Sexualstraftaten berichtet. Darüber hinaus soll der Angeklagte sich an seinen zwei Enkelinnen und einer ihrer Freundinnen sowie an seiner nach einem Unfall behinderten Ex-Frau vergangen haben.

Eine wichtige Belehrung der Hauptzeugin

Alles Lüge? Es ist 14.15 Uhr an diesem zweiten Tag in einem Prozess um Sex, Macht und Geld, als der Gerichtsvorsitzende Michael Eckstein die Hauptzeugin belehrt, dass sie Fragen, durch deren wahrheitsgemäße Beantwortung sie sich selbst einer Straftat bezichtigen müsse, nicht beantworten muss. Und ihr dann diese Frage stellt: "Haben sie und andere Familienmitglieder den Angeklagten zu Unrecht belastet?" Die Antwort: "Nein, das habe ich nicht."

Zuvor hatten die Richter und der Staatsanwalt einige Auffälligkeiten in der Aussage der Zeugin abgeklopft.

Zum Beispiel die Sache mit dem "rauchenden Colt": Die Zeugin hatte von einer Vergewaltigung durch ihren Vater berichtet, in einem Hotel in Westdeutschland, am Vorabend einer Überschreibung von Firmenanteilen. Der Vater habe in ein raues Hotelhandtuch ejakuliert und sei gegangen - mit der Drohung, sie könne die Anteilsüberschreibung vergessen, falls sie jemandem von dem Vorfall erzähle. Der beisitzende Richter Yves Döll fragt: "In dem Handtuch hätten sie eine DNA-Spur gehabt, quasi einen rauchenden Colt als Indiz für die Straftat. Warum sind sie damit nicht zur Polizei?" Ähnlich die Fragen von Staatsanwalt Daniel Götz: Nicht nur hier, auch bei anderen Taten hätte man Spuren sichern können - blaue Flecken, Blut und ähnliches. Eine andere Frage in diesem Zusammenhang betrifft Taten, bei denen andere Personen in der Nähe waren: "Warum haben sie nicht geschrien? Die Antwort der Zeugin: "ich kann es nicht erklären. Ich habe es einfach nicht getan. Ich habe mich nicht getraut. Ich war noch nicht so weit."

Zum Beispiel die Sache mit dem teuren Ring: Den will die Zeugin zu Weihnachten von ihrem Vater geschenkt bekommen haben, als "Bezahlung" für eine Vergewaltigung kurz zuvor. Als sich herausstellt, dass die Frau den Ring während des Prozesses trägt, fragt der Vorsitzende Eckstein hörbar erstaunt: "Sie tragen den Ring jetzt?" Unter Tränen erklärt die Zeugin den Grund: Auf dem Ring sind die Initialen der Namen ihrer Kinder eingraviert. "Ich trage ihn wegen meiner Kinder."

Zum Beispiel die Sache mit der Bauch-Operation: Die Zeugin behauptete am Montag im Prozess, sie sei von ihrem Vater kurz nach einer Bauchoperation aus dem Krankenhaus abgeholt worden. Obwohl sie ihrem Vater von ihren heftigen Unterleibsschmerzen berichtet habe, habe der sie im Auto begrapscht. Das Problem der Richter und des Staatsanwalts: Hiervon hatte die Zeugin bislang nichts berichtet, der Fall steht nicht in der Anklage. "So etwas vergesse ich doch nicht", sagt Nebenklageanwältin von Imhof: "Warum erst jetzt?" Die Zeugin sagt: "Für mich hatte es nicht diese Bedeutung."

Für den Verteidiger Johann Schwenn hat das durchaus Bedeutung. Er fragt: "Wurde der Fall hinzu erfunden?"

Zwei Fragen des Verteidigers haben es in sich

Die Stunde des Verteidigers schlägt um 15 Uhr. Nein, Schwenn wirft nicht mit Dreck. Schwenn stellt keine üblen Behauptungen auf. Wie ein Meisterfechter setzt er Stiche. Seine Waffe ist die Strafprozessordnung. Er macht Vorhalte aus den Akten, stellt Fragen. Und zwei haben es in sich.

Die Frage nach dem Zivilstreit: Die Hauptzeugin bejaht, dass sie sich mit ihrem Ehemann vor Gericht streitet. Es geht um Unterhalt, um Firmenbeteiligungen. Die Zeugin bejaht, dass ihr Zivilanwalt am Montag ein vier Millionen-Angebot des Ehemanns zur gütlichen Einigung als zu niedrig abgelehnt hat. Und dann setzt Schwenn seinen Treffer: Ob die Zeugin etwas davon wisse, dass der Zivilanwalt ein schriftliches Angebot unterbreitet habe, dass die Hauotzeugin im Strafverfahren gegen ihren Vater ihr Aussageverweigerungsrecht in Anspruch nehmen würde, falls die Gegenseite ein angemessenes finanzielles Angebot unterbreite? Zu deutsch: Wurde nach Schweigegeld gefragt? Die Zeugin sagt: "Davon weiß ich nichts." Sie entbindet den Zivilanwalt von der Schweigepflicht. Der Anwalt wird im weiteren Prozessverlauf mit Sicherheit als Zeuge aufgerufen werden.

Die Frage nach dem umstrittenen Buch: Die jüngste Tochter der Hauptzeugin hat ein Buch über ihr Leben geschrieben. Die Auslieferung des Buches hat Schwenn, so trägt er vor, in Hamburg vor Gericht unter Androhung von bis zu 250.000 Euro Bußgeld gestoppt. In dem Buch schreibt die Tochter, ihr Leben sei "an Weihnachten 2013 komplett über den Haufen geworfen worden. Damals habe sie ein "schreckliches Familiengeheimnis" erfahren: "Mein Großvater hat meine Mutter jahrelang missbraucht."  Schwenns Trumpf: Die jüngste Tochter soll laut Anklage im September 2010 selbst von ihrem Großvater sexuell missbraucht worden sein. 2010 und 2013 passen vor diesem Hintergrund nicht zusammen. 

Die Erklärung Schwenns: "Man kann es hier mit einer von wirtschaftlichen Interessen gesteuerten Falschbezichtigung zu tun haben."

Der Prozess wird in zwei Wochen fortgesetzt. 

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