Die Allianz mit dem Bauriesen Strabag soll künftige Wachstumsfelder sichern Senivitas strategischer Schwenk

Von Roland Töpfer
 Foto: red

Das Bayreuther Pflegedienst-Unternehmen Senivita macht einen strategischen Schwenk: Die neu gegründete Bau-Tochter Senivita Social Estate AG, die je zur Hälfte Senivita und dem österreichischen Bauriesen Strabag gehört, soll der künftige Wachstumstreiber werden. Startkapital ist eine 50 Millionen Euro schwere Wandelanleihe.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Der Deal mit dem Wiener Baukonzern, der mit 73.000 Beschäftigten und 12,5 Milliarden Euro Umsatz zu den größten in Europa zählt, wurde über die deutsche Strabag-Tochter Züblin abgewickelt. Gut 32 Millionen konnten bereits über die Börse eingesammelt werden, so Senivita-Chef Horst Wiesent im Gespräch mit dem Kurier. Ziel bleiben 50 Millionen, und Wiesent gibt sich sicher, die Summe im Laufe des Jahres auch zu erreichen. Vor allem institutionelle Anleger, also Banken, Versicherungen, Fonds, Vermögensverwalter engagieren sich. Auch einige Privatanleger sind eingestiegen. Die Wandelanleihe bietet eine Verzinsung von 6,5 Prozent und kann bei einem für 2018 geplanten Börsengang in Aktien getauscht werden.

Mit der neuen Wandelanleihe hat Senivita nun insgesamt über 70 Millionen Euro Kapital über die Börse aktiviert:

- 15 Millionen mit einer Anleihe (6,5 Prozent) im Jahr 2011, die nächstes Jahr ausläuft und zurückgezahlt werden muss.

- 25 Millionen mit Genussscheinen vom letzten Jahr, die bis zu acht Prozent abwerfen. Zinszahlungen und Rückzahlung der Risikopapiere können bei schlechter Geschäftslage ausgesetzt werden.

- 32 Millionen mit der neuen Wandelanleihe

„Das ist wahnsinnig viel Geld“, sagt Wiesent. Man müsse dabei aber berücksichtigen, dass Senivita Immobilien für 70 bis 80 Millionen in der Bilanz stehen habe. Und: Genussscheine gelten als Eigenkapital und begünstigen die Konditionen von Darlehen. Wiesents Rechnung sieht so aus: Acht (Genussscheine) plus eins (Darlehen) macht neun Prozent, geteilt durch zwei ist 4,5 Prozent.

„Wichtig ist, dass Werte geschaffen werden.“ Banken würden sehr konservativ finanzieren. „Die Börse finanziert Innovationen.“

Innovationen wie das neue Pflegekonzept 5.0, mit dem Wiesent den Markt aufrollen will. Der Kern des Konzepts: Eigene Wohnung, Tagespflege im Gebäude, frei wählbarer ambulanter Dienst. Dafür gibt es höhere Zuschüssen, was den Krankenkassen, mit denen Wiesent im Clinch liegt, nicht gefällt. Doch das Konzept wird von der Politik gestützt und, so Wiesent: „Die Menschen wollen es.“

Mindestens fünf neue Häuser will die Bau-AG von Senivita und Strabag künftig jedes Jahr errichten. In Bayern, vermutlich auch in Oberfranken. Jedes Haus hat 48 Wohnungen zu je 34 Quadratmeter, die Anlegern für jeweils rund 100 000 Euro angeboten werden sollen. Rendite: Rund vier Prozent. Den Vertrieb übernehmen laut Wiesent Sparkassen und VR-Banken.

Die Tagespflege wird im Erdgeschoss untergebracht. Angehörige sind bei Pflege 5.0 eingeladen, mitzuhelfen. Wer Reinigung und Wäsche übernimmt, kann über 200 Euro sparen.

Mit der Neuausrichtung muss Senivita auch seine internen Strukturen optimieren. Rechnungswesen, Risikomanagement, Controlling – vieles muss professionalisiert werden. Mit Eberhard Jach hat die Senivita Social Estate einen Finanzvorstand installiert. Ein dritter Vorstand wird zum 1. Juli bestellt. Wiesent selbst, der Vorstand und Gesellschafter ist, möchte künftig stärker als strategischer Vorstand wirken.

Der bisherige Kern der Unternehmensgruppe, die Senivita Sozial gGmbH, die mit über 1000 Mitarbeitern 19 Pflegeeinrichtungen betreibt, soll bei den Neubauten nach Möglichkeit nicht als Betreiber fungieren. Wiesent möchte einen „großen strategischen Betreiber“ gewinnen. Es werde immer schwieriger, mit der Pflege Geld zu verdienen.

Die Senivita Social Estate kann nach Wiesents Einschätzung in drei, vier Jahren auf 100 Millionen Euro Umsatz kommen. 2018 könnte die erste Hauptversammlung der AG in Bayreuth sein. Drei Wochen war Wiesent gerade wegen der Platzierung der Wandelanleihe unterwegs. Acht bis 18 Uhr, Termin auf Termin, rund 100 Gespräche mit Investoren. Abends mit der Bahn in die nächste Stadt. „Man kann sich nicht ausruhen. Die Welt dreht sich enorm.“

Senivita

Der Bayreuther Pflegedienstbetreiber Senivita hat zusammen mit dem österreichischen Baukonzern Strabag die Senivita Social Estate AG gegründet. Die gemeinsame Bau-AG soll künftig jedes Jahr mindestens fünf neue Häuser mit je 48 Wohnungen bauen, in denen Pflege 5.0 praktiziert wird. Das neue Konzept soll den Bewohnern im Vergleich zur herkömmlichen stationären Pflege mehr Selbstbestimmung ermöglichen. Die Häuser werden an Anleger verkauft und sollen nicht von Senivita betrieben werden. Senivita erhofft sich von der Allianz mit dem Bauriesen profitable Wachstumsmöglichkeiten.

Bilder