Klinik-Chef Ranftl spricht von „mafiösen Strukturen“ Schwere Vorwürfe gegen das Klinikum

Von Frank Schmälzle
Das Klinikum Bayreuth ist nun unter neuer Leitung. Bis dahin kommt Thomas Jendges aus Heilbronn. Foto: Türk Foto: red

Heillose Überlastung der Ärzte und Pfleger und daraus resultierende Behandlungsfehler, Fehlentscheidungen der Geschäftsführung und ein Aufsichtsrat, der all dem zusieht: Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ berichtet in seiner heute erscheinenden Ausgabe über Missstände am Bayreuther Krankenhaus der maximalen Versorgungsstufe.

 
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Die Klinikleitung und die Aufsichtsratsvorsitzenden, Landrat Hermann Hübner und Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe, weisen die Vorwürfe in dem Beitrag zurück. Die beiden Spiegel-Redakteure Barbara Schmid und Udo Ludwig sehen das Klinikum Bayreuth gleichwohl als ein Paradebeispiel: „In Oberfranken ist in einigen Klinikabteilungen Wirklichkeit geworden, wovor Gesundheitsfachleute seit Jahren warnen“, schreiben sie. „Eine Medizin nach Kassenlage, in der alle das gleiche Geld bekommen – ob sie nun gute Arbeit oder katastrophale Arbeit abliefern. Eine Medizin ohne wirksame Qualitätskontrolle, bei der wirtschaftliche Aspekte Vorrang genießen.“

Die Recherchen des Nachrichtenmagazins bestätigen, was der Kurier in den vergangenen Jahren berichtete: Dass das Klinikum – anders als die Hälfte der Krankenhäuser in Deutschland – schwarze Zahlen schreibt, hat einen Preis. Die Liste der Kritikpunkte reicht von nicht mehr zeitgemäßen Hygienemaßnahmen in den Operationssälen über untragbare Arbeitsbelastungen von Ärzten und Pflegern bis hin zu Defiziten bei der Behandlung und Fehlbesetzungen auf wichtigen medizinischen Positionen.

Arbeitsbelastung: Mal kommen die Klagen aus der Frauenklinik, schreibt der Spiegel. Mal aus der Mikrobiologie, aus der Anästhesie, der Intensivmedizin oder aus der Notaufnahme. Und auch auf den Pflegestationen kommen die Mitarbeiter nicht mehr rum – viele, die mit Patienten zu tun haben, machen sich Sorgen: Sie haben Angst, Fehler zu machen, weil sie überlastet sind. Aufsichtsrat und Klinikleitung haben bislang nicht reagiert. Die Klinik-Geschäftsführung erklärte auf Spiegel-Anfrage nur, auch sie prangere die immer stärkere Arbeitsbelastung an. Aber sie sagt auch: In der deutschen Kliniklandschaft gehöre Überlastung dazu. Es wäre „geradezu grotesk“ zu glauben, solche Situationen würden nie auftreten.

Behandlungsfehler: Eine junge Frau sei gestorben, weil sie orthopädisch behandelt worden sei. Dass sie herzkrank ist und das der Auslöser ihrer starken Schmerzen ist, habe man zu spät bemerkt. Der Bayreuther Staatsanwaltschaft liegen Hinweise vor, nach denen in vier Fällen Säuglinge nach der Geburt starben oder schwer behindert waren. Wegen eines „schweren Organisationsverschuldens“, wie der Klinikum-Kenner, der die Staatsanwaltschaft einschaltete, sagt. Die Staatsanwaltschaft hatte schon vor Wochen auf Kurier-Anfrage bestätigt, dass solche Hinweise vorlägen. Ermittlungsergebnisse teilte sie nicht mit. Gegenüber dem Spiegel weist die Klinikleitung indes jede Kritik im Zusammenhang mit der Geburtshilfe zurück. Nennt sie „Vorverurteilungen“.

Fehlbesetzungen: Alarmsignale der Bundesärztekammer, der Bayerischen Landesärztekammer und Kurier-Recherche verhallen, als Klinik-Chef Roland Ranftl einen neuen Leiter für die Frauenklinik einstellt. Die Operationsmethoden des hochgelobten Chirurgen erscheinen Medizinern am Klinikum schon sehr bald fragwürdig. Er muss nach wenigen Wochen wieder gehen.

Mehr noch. Was der Kurier als unbestätigte Information nicht veröffentlichte, schreibt der Spiegel: Das Nachrichtenmagazin berichtet, dass Patienten auf einer der beiden Intensivstationen auffallend lange künstlich beatmet würden. Das gefährde Patienten, bringe aber mehr Geld in die Kassen des Krankenhauses. Und: Im Klinikum häufe sich auffallend die Zahl teurer Herzkathederbehandlungen. Und wieder weist die Klinikleitung beide Vorwürfe zurück. Den Mehreinnahmen für lange Beatmungszeiten stünden deutlich höhere Kosten gegenüber. Und der Einsatz von Herzkathedern sei in jedem Fall mit den Herzchirurgen am Klinikum abgesprochen gewesen.

Das sagt der Klinik-Chef: Was er zu der Kritik an seinem Krankenhaus sage? „Heute sicher nichts“, wehrt Roland Ranftl am Sonntagnachmittag ab. Er kenne den Beitrag noch nicht. Sein Wochenende will er dafür nicht unterbrechen: „Irgendwo ist heute ja auch noch Sonntag.“ Er habe auf die Fragen des Spiegels geantwortet. Und er glaube, „dass die Strukturen der Informationsweitergabe relativ mafiös sind“. Kein sauberer Journalismus also. Objektive Berichterstattung wünsche er sich, sagt Ranftl – und schließt dabei den Kurier ein.

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