Schummel-Software in Ladenkassen

Von unserem Korrespondenten Rudi Wais
 Foto: red

Durch die Manipulation ihrer Registrierkassen hinterziehen Einzelhändler und Gastronomen dem Staat jedes Jahr Milliarden an Steuern.

 
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Mit Hilfe spezieller Programme ließen sich die Geräte heute so manipulieren, dass sie am Ende des Tages ein niedrigeres Ergebnis als den tatsächlichen Umsatz ausspuckten, kritisierte der Vorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft, Thomas Eigenthaler, in einem Interview mit dem Kurier. „Der ehrliche Unternehmer ist dann der Dumme“, warnte er. Einen Gesetzentwurf von Finanzminister Wolfgang Schäuble, der diesem Missbrauch ein Ende bereiten soll, hat das Bundeskabinett zwar bereits beschlossen. Der SPD-Fraktion geht er allerdings nicht weit genug, der Wirtschaft ist er bereits zu rigide.

Eigenthaler sprach sich für eine Lösung nach österreichischem Vorbild aus. Anders als in Deutschland, sind Unternehmer dort bei einem jährlichen Umsatz von mehr als 17 500 Euro verpflichtet, eine elektronische Registrierkasse zu führen. Außerdem werde dort mit jedem Beleg ein sogenannter Quellcode erzeugt, mit dessen Hilfe der Umsatz für das Finanzamt registriert werde. Nach Berechnungen des Bundesrechnungshofes kosten die Mogelkassen den Fiskus bis zu zehn Milliarden Euro pro Jahr. Zum Vergleich: Das ist mehr als der komplette Haushalt des Familienministeriums oder die jährlichen Einnahmen aus der Kfz-Steuer.

Eine besonders beliebte Methode, Steuern zu hinterziehen, ist der sogenannte Trainingskellner. Dabei wird die Kasse in einem Restaurant so programmiert, dass in ihr zu Übungs- und Ausbildungszwecken eine virtuelle zweite Kasse geführt wird. Umsätze, die dort gebucht werden, tauchen anschließend in der offiziellen Abrechnung nicht auf. In anderen Fällen werden Buchungen nachträglich storniert oder in größeren Betrieben nicht alle Kassen erfasst. Als besonders anfällig gelten Branchen, in denen viel bar bezahlt wird, wie in der Gastronomie, im Taxi- oder Friseurgewerbe. Einige Programme erlauben es sogar, alle Umsätze in bar auf Knopfdruck um einen bestimmten Prozentsatz zu reduzieren.

In einem Fall aus Rheinland-Pfalz, den der Rechnungshof im vergangenen Jahr dokumentiert hat, hatte der Inhaber eines Eiscafés innerhalb von sieben Jahren 1,9 Millionen Euro an Steuern hinterzogen; die passende Schummel-Software dazu hatte ihm der Hersteller der Kasse auf einem USB-Stick mitgeliefert – er wurde später wegen Beihilfe verurteilt.

Der Verkauf solcher Programme ist nach Eigenthalers Worten nicht prinzipiell illegal. Außerdem sei in Deutschland kein Unternehmer verpflichtet, eine elektronische Kasse zu führen. „Eine Schublade in der Ladentheke tut es auch.“ Schäuble will vom Jahr 2020 an eine neue Sicherheitstechnik bei Ladenkassen einführen, schreibt dafür aber weder einen bestimmten Standard noch eine generelle Kassenpflicht vor, die aus seiner Sicht dann ja auch für Wochenmärkte, Hofläden oder Vereinsfeste gelten müsste. „Ohne eine solche Verpflichtung wird auch in Zukunft der Manipulation Tür und Tor geöffnet sein“, heißt es dagegen in einer Stellungnahme der Steuergewerkschaft für den Finanzausschuss des Bundestages. Erschwerend hinzu komme, so Eigenthaler, dass von 1000 Kleinbetrieben in Deutschland jedes Jahr im Schnitt nur 24 von den Finanzämtern überprüft werden könnten.

Umstritten sind auch die Kosten für die Einführung der neuen Sicherheitsstandards. Nach Berechnungen aus der Wirtschaft sind sie mit 900 Millionen Euro an Umstellungskosten und 200 Millionen Euro jährlich für den Betrieb der neuen Kassensysteme in etwa doppelt so hoch wie von Schäubles Beamten veranschlagt.