"Schamlos clever": Söders Weg zur Macht

Von Elmar Schatz
 Foto: red

Der Machtwille Markus Söders ist ihnen schon frühzeitig aufgefallen: Roman Deininger und Uwe Ritzer beschreiben den Aufstieg des neuen Ministerpräsidenten.

 
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Markus Söder hat den Gipfel der Macht in Bayern erklommen, zeitgleich ist das Buch „Markus Söder“ von Roman Deininger und Uwe Ritzer über den neuen Ministerpräsidenten erschienen; die Autoren, die beide für die „Süddeutsche Zeitung“ arbeiten, sprachen mit uns über ihren Blick auf Markus Söder.

 

Herr Deininger, Herr Ritzer, wann ist Ihnen die Idee gekommen, dass Markus Söder ein Buch wert ist?

Roman Deininger: Söder war ja so etwas wie Seehofers ewiger Kronprinz. Und ein Politiker, der sein öffentliches Bild minutiös inszeniert. Die Frage, ob sich dahinter auch Brüche und Abgründe verbergen, hat den Uwe und mich genauso umgetrieben. Wir kennen uns ja aus unserer gemeinsamen Zeit im Nürnberger „SZ“-Büro. Vor zwei Jahren haben wir beschlossen, dass wir das Buch machen.

Uwe Ritzer: Das war die Wette, dass Söder irgendwann etwas wird. Wir beide waren von Anfang an davon überzeugt, nur der Zeitpunkt war ungewiss. Als im Dezember 2017 klar war, dass Söder sich im Machtkampf durchsetzt, sind wir ans Schreiben gegangen. Wir waren Gott sei Dank schon weit mit unseren Recherchen. Inzwischen trauen sich ja selbst die größten Söder-Gegner in der CSU nicht mehr, ein kritisches Wort über ihn sagen.

 

Sie schreiben, Söder sei „schamlos clever“, würden Sie das genauer ausführen?

Deininger: Wir haben versucht, das Besondere an diesem Politiker-Typus auf einen Nenner zu bringen. Viele sehen nur das Schamlose an Söder, die dreiste Eigen-PR, den unbedingten Willen zum perfekten Bild. Was viele nicht so sehen, ist die Cleverness, mit der er das betreibt. Er hat früh verstanden, dass ein nettes Foto mehr Leute erreicht als eine ewig lange Pressemitteilung. Und die Formel „schamlos clever“ beschreibt auch ganz gut, wie er beim Publikum Punkte macht. Als langjähriger Begleiter weiß man zum Beispiel, dass Söder gern stilles Wasser trinkt und fast gar keinen Alkohol. Aber wenn ihm im Bierzelt dann ein Wasser serviert wird, ruft er: Habt ihr nichts Anständiges zu trinken? Die Leute sind begeistert. Dass er dann höchstens mal am Bierschaum nippt, kriegen sie ja nicht mit.

 

Söder arbeitet mit Bildern und Szenen, passt er somit ins digitale Zeitalter genau rein?

Ritzer: Er ist ganz alte Schule, aber halt bei Instagram. Er bespielt ein Bierzelt genauso wie Facebook. Ein irres Kostüm in Veitshöchheim wird nicht nur von den Zeitungen gedruckt, sondern läuft auch in den sozialen Netzwerken.

 

Ist es so, dass Söder einerseits viele Bilder präsentiert und andererseits intensive Sacharbeit leistet?

Deininger: Absolut. Wenn er sich bei seinen Ministerstationen große inhaltliche Blößen gegeben hätte, hätten seine vielen Gegner das ausgenutzt.

Ritzer: Er hat sich immer schnell und seriös in Themen eingearbeitet. Anderseits versteht er es, mit hübschen Titeln Symbolpolitik zu machen. Nehmen wird das neue Raumfahrtprogramm „Bavaria One“: Bei Eliten erzeugt das ein müdes Lächeln, aber die meisten Leute draußen sind stolz, dass Bayern so etwas hat. Er weiß genau, welche Knöpfe er drücken muss.

 

Im Buch wird geschildert, wie Söder Förderbescheide zum Breitbandausbau verteilt, in Tirschenreuth und anderen Orten. Jeder Bürgermeister nimmt einige Hunderttausend Euro entgegen.

Ritzer: Als Heimatminister hat er das perfektioniert. Jeder Dorfbürgermeister ist stolz auf ein Foto nach dem Motto „Ich und mein Minister“. So ein Bild landet dann natürlich wieder in der Lokalzeitung und bei Facebook. Damit hat sich Söder eine unglaubliche Fangemeinde unter Kommunalpolitikern erarbeitet.

Deininger: Das Bemerkenswerte ist ja, dass oft auch Freie Wähler oder sogar Sozialdemokraten sagen: Der ist eigentlich ganz in Ordnung. Man darf nicht unterschätzen, wie weit er sein Netz geworfen hat. Er hatte ja schon als bayerischer JU-Chef und CSU-Generalsekretär die idealen Ämter, um flächendeckend Freundschaften und Abhängigkeitsverhältnisse aufzubauen. Wenn er vor fünfzehn Jahren mal irgendwo ein Fass angezapft hat, wirkt das bis heute.

 

Hat Söder seine aktuelle Kruzifix-Initiative genau kalkuliert?

Ritzer: Das hat er sicher. Mit der Kritik mancher Bischöfe hat er vielleicht nicht gerechnet, aber sein Plan war schlicht, sein konservatives Kernklientel zu bedienen. Der Bayerische Rundfunk hat ja jetzt eine Umfrage veröffentlicht, wonach 56 Prozent die Kruzifix-Initiative für richtig halten. Das ist genau die Methode Söder: Provozieren und dann im Gegenwind einfach stehen bleiben, weil er weiß, dass die CSU-Basis es genauso sieht.

 

Ist Söder ein Fanatiker in seinem persönlichen Machtstreben?

Deininger: Fanatiker ist ein extremes Wort. Er ist maximal ehrgeizig und war gewiss nie zimperlich im Kampf um die Macht. Es dürfte in der bayerischen Politik keinen geben, der seine persönlichen und politischen Ziele mit so viel Konsequenz, Zeitaufwand und Einsatz verfolgt hat wie Markus Söder. Edmund Stoiber hat das bei uns im Buch schön auf den Punkt gebracht: Keiner seiner Konkurrenten in der CSU wollte die Macht so sehr wie er.

 

Söder hat das Buch zwar nicht autorisiert, aber kooperiert - richtig?

Ritzer: Es war wie bei jeder journalistischen Recherche: Du hörst Geschichten, zu denen du fairerweise auch die andere Seite hören musst. Von Anfang an haben wir Söder gesagt: Wir schreiben da etwas über Sie und das werden Sie vorher nicht lesen. Aber wir haben genau wie Sie das Interesse, dass Ihre Version der Dinge im Buch vorkommt. Er war da sehr professionell und stand uns für mehrere lange Gespräche zur Verfügung.

 

Hat er sich schon gemeldet auf das Buch hin?

Deininger: Wir wissen, dass er’s gelesen hat. Aber man erfährt nur auf Umwegen, wie er’s fand. Es steht sicher einiges drin, das für Söder unangenehm ist. Sonst hätten wir ja auch etwas falsch gemacht. Das Buch ist hart, aber fair. Stoiber hat als Gast bei unserer Buchpremiere gesagt, das Bemühen um Ausgewogenheit sei erkennbar. Mit dem Ansatz kann sicher auch Söder leben.

 

Söder wird getrieben von dem Datum 14. Oktober; was wird mit ihm passieren, wenn er im Herbst bei der Landtagswahl schwach abschneidet und die absolute Mehrheit nicht mehr erreicht?

Ritzer: Wenn er ähnlich schlecht abschneidet wie Horst Seehofer bei der Bundestagswahl, dann wird er sicherlich in Frage gestellt.. Dann wird er sich aus meiner Sicht nicht halten. Wenn Du bei der CSU Frontmann bist, dann ist es so, wie wenn Du bei Bayern München Trainer bist: Wenn Du in der Bundesliga Dritter wirst und in der Champions League in der Vorrunde ausscheidest, dann war’s das für Dich. Die CSU hat noch nie in ihrer Geschichte einem ihrer Anführer schwache Ergebnisse verziehen. Deswegen wird Söder bis zum Wahltag alles – wirklich alles – tun, um der CSU ein hervorragendes Ergebnis einzufahren.

Deininger: Wenn die FDP oder die Freien Wähler an der 5-Prozent-Hürde scheitern, könnte ja sogar schon ein Ergebnis von etwa 44 Prozent für die absolute Mehrheit der Sitze reichen. Unser Eindruck ist aber, dass Söder sich bemüht, die Erwartungen niedrig zu halten. So kann er dann auch ein mäßiges Ergebnis als Erfolg verkaufen.

 

Surft er in den Gewässern der AfD?

Ritzer: Ja, aber die AfD ist ja nicht nur gewählt worden von Leuten, die rechts außen stehen. In einem Wahlbezirk in Deggendorf hatte die AfD bei der Bundestagswahl 31 Prozent. Da sind unheimlich viele konservative CSU-Leute dabei, die mit der merkelisierten CDU einfach nichts mehr anfangen können. Diese Wähler will Söder mit seinen konservativen Themen wieder einfangen – und unser Gefühl momentan ist, dass ihm das zumindest zum Teil gelingen könnte.

 

Nun sitzt Seehofer als Innenminister in Berlin und Söder als Ministerpräsident in München, wie stark kann er da Opposition gegen die Bundesregierung machen?

Deininger: Söder hat sich bisher strategisch geschickt zurückgehalten. Seit er Ministerpräsident ist, hat er den Schauplatz Berlin weitgehend gemieden. Das ist die neue Aufgabenteilung mit Parteichef. Der bestellt das Feld im Bund und hat ja mit seiner „Der-Islam-gehört-nicht-zu-Deutschland“-Initiative schon einen Pflock eingeschlagen, der zu Söder Strategie passt. Und das obwohl Seehofer und Söder sich so wirklich so spinnefeind sind, dass sie kaum mal eine SMS austauschen.

Ritzer: Söder und Seehofer wissen, dass es die Parteibasis der CSU keinem von ihnen verzeihen würde, wenn der mühsam errungene Burgfrieden jetzt in irgendeiner Form kippt. Wenn die CSU bei der Landtagswahl punkten will, muss sie geschlossen sein. Wenn einer der beiden jetzt meint, er muss die Spielchen der vergangenen zwei, drei Jahre fortsetzen, dann wird die Basis sauer.

 

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