Samuel Koch: Etwas Himmel auf Erden

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Hat sich ins Leben zurückgekämpft: Samuel Koch. Am Samstag war er Referent bei Schmidt-Colleg in Bayreuth. Foto: Rudi Ziegler. Foto: red

Ein tragischer Unfall wegen einer Wette hat das Leben von Samuel Koch innerhalb weniger Sekunden völlig verändert. In Bayreuth tritt er auf als ein Mann, der stark und verletzlich zugleich wirkt.

 
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Dieses Gespräch hat sich tief eingebrannt in Samuel Kochs Gedächtnis. Es gebe drei Varianten mit einem solchen Schicksalsschlag umzugehen, war die Botschaft des Pflegers. Die einen ziehen sich völlig zurück und werden depressiv. Die anderen werden zum Tyrannen, weil sie nicht damit umgehen können, ständig auf fremde Hilfe angewiesen zu sein. Und drittens: Rausgehen, aktiv sein, Aufgaben und den Kontakt mit Menschen suchen. Samuel Koch hat sich für die letztgenannte Option entschieden. Doch bei seinem Auftritt bei den Schmidt-Colleg-Tagen in Bayreuth wird deutlich, dass es nicht immer leicht für ihn ist, seinen „Mikrokosmos“, wie er es nennt, zu verlassen.

Ungute Erfahrungen als Rollstuhlfahrer

Koch spricht über Veränderung als Chance. Die Unternehmer und Führungskräfte erleben einen jungen Mann, der stark wirkt – aber gleichsam verletzlich. Denn er berichtet auch von Erlebnissen, die ihn schwer getroffen haben. Einmal wurde er – im elektrischen Rollstuhl sitzend – beim Theaterbesuch mehrmals von Mitarbeitern des Veranstalters gefragt, ob er denn wirklich nicht laufen könne, nicht mal ein paar Meter. Es waren nämlich trotz vorheriger Anmeldung keine Plätze für Rollstuhlfahrer vorhanden.

Vom Hals abwärts gelähmt

Seit sechseinhalb Jahren ist Samuel Koch vom Hals abwärts querschnittgelähmt. Viele Fernsehzuschauer litten mit, als er sich am 4. Dezember 2010 in der Show „Wetten, dass...?“ schwer verletzte. Mit speziellen Sprungstiefeln hatte er über ein fahrendes Auto springen wollen, doch er stürzte. Dabei hatte er vorher „nicht immer das beste Gefühl im Bauch“ gehabt. Damit hadere er immer noch, wie der 29-Jährige bereits in einem Interview verriet.

Sport war seine große Leidenschaft

Wie schwer dieser Bruch in seinem Leben ist, wird an diesem Tag klar. Ob Turnen, Reiten, Fechten oder Snowboarden – Sport war seine große Leidenschaft. Im Geräteturnen schaffte es Koch sogar bis in die 2. Bundesliga. Seine ganzen Pläne hatte er auf „bewegungsorientierte Berufe“ ausgerichtet. Bis jener „dämliche Zwischenfall“, wie es der 29-Jährige formuliert, viele Träume zertrümmerte. „Ich hatte keinen Plan, keine Orientierung mehr“, sagt er. Die ersten drei Monate danach waren besonders schlimm. „Ich war ziemlich verzweifelt. Ich fühlte mich einsam und unverstanden, obwohl meine Familie und Freunde da waren“, blickt er zurück.

Neuen Lebensmut gefasst

Doch dann gab es einen Augenblick, der ihm neuen Lebensmut einhauchte: Als er während seines Krankenhausaufenthalts auf dem Balkon saß und in die Ferne blickte, überwältigte ihn die Schönheit der Natur. Eine Wiese, ein wundervoller See und zwischen den Bergen fielen Sonnenstrahlen ein – „das mag ziemlich kitschig klingen“, sagt Koch. „Aber mir wurde klar: Solche Momente will ich noch mehr haben.“

Dieser Satz seines früheren Turn-Trainers hat den im rheinland-pfälzischen Neuwied geborenen Koch geprägt: „Ein Training ohne Blut, Schweiß und Tränen ist kein richtiges Training.“ Fleiß, Härte, Disziplin – damit sei er aufgewachsen. Den viel zitierten und oft gefürchteten Drill bei der Bundeswehr, Koch war Offiziersanwärter, empfand er als „recht lasch“.

Bedingungslose Liebe des Vaters

Zur Erziehung gehörte aber auch die Unterstützung der Familie, vor allem die bedingungslose Liebe des Vaters. Diese Faktoren haben dem 29-Jährigen geholfen, sein neues Leben anzunehmen und sich neuen Aufgaben zu widmen. Koch ist viel unterwegs, hält Vorträge und Lesungen. Er hat zwei Bücher („Zwei Leben“ und „Rolle vorwärts – Das Leben geht weiter, als man denkt“) veröffentlicht. Für „Zwei Leben“ wurde er vom Christlichen Medienverbund KEP mit dem Preis „Goldener Kompass“ ausgezeichnet. Darüber hinaus engagiert er sich für soziale Projekte – etwa die Deutsche Stiftung Querschnittlähmung, die Initiative „Wings for Life“ und die „Elfmeter-Stiftung“. All diese Tätigkeiten geben dem tragischen Unfall im Nachhinein zwar immer noch keinen Sinn, doch zumindest „nehmen sie ihm viel Unsinn“, wie Koch sagt.

Schauspieler in TV, Kino und Theater

Auch seinen Traum, Schauspieler zu werden, hat er sich erfüllt. Er übernahm eine Rolle in der Telenovela „Sturm der Liebe“ und in Til Schweigers Kinofilm „Honig im Kopf“. Koch, der an der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover studiert hat, ist aktuell am Staatstheater Darmstadt engagiert. Im November wird er in einem neuen Film-Projekt auf der Kinoleinwand zu sehen sein. Den Kern der Schauspielerei sieht Koch darin, „Menschen zum Lachen, Weinen und Nachdenken“ zu bringen. Das könne man auch trotz physischer Einschränkungen schaffen.

Wach und abenteuerlustig

Langfristigen Plänen steht der junge Mann, der im Sommer vergangenen Jahres seine Freundin Sarah Elena Timpe heiratete, skeptisch gegenüber. „Die können auch freiheitsberaubend sein.“ Er und seine Frau dächten über die Gründung einer Familie nach, verrät Koch. Auf alle Fälle wolle er weiterhin anderen Menschen helfen. Und: „Ich bin weiter wach und abenteuerlustig. Ich möchte mit möglichst vielen Menschen zusammenkommen und mit ihnen etwas den Himmel auf Erden feiern.“

Koch ist gläubiger Christ. Der Reformator Martin Luther ist für ihn ein Vorbild. Der Wert eines Menschen soll nach Überzeugung des 29-Jährigen nicht daran gemessen werden, welche Leistungen er erbringt und wie nützlich er im Sinne des kapitalistischen Wirtschaftssystems ist. „Wir sind schon wertvoll, weil wir da sind“, betont Koch.

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