"Sir Vival" Rüdiger Nehberg erzählt in Bayreuth Lagerfeuergeschichten - und vom Kampf gegen Genitalverstümmelung Rüdiger Nehberg über Verstümmelung

Von Susanne Will
Rüdiger Nehberg ist Abenteurer und Kämpfer für Menschenrechte. Foto: privat Foto: red

Der Aktivist und Abenteurer Rüdiger Nehberg überquerte den Atlantik mit einem Tretboot, um unter anderem auf Umweltzerstörung aufmerksam zu machen. Heute muss „Sir Vival“ keine Maden mehr essen um zu demonstrieren, wie man in der Wildnis überlebt. Nehberg widmet sich seit einigen Jahren dem Thema, das, wie er sagt, das wichtigste in seinem Leben geworden ist: Dem Kampf gegen die Verstümmelung von Frauen. Am Donnerstag, 20. Oktober, hält er um 20 Uhr einen Vortrag im Zentrum.

 
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Sie faszinieren seit Jahrzehnten Menschen mit Ihren Geschichten.

Rüdiger Nehberg: Ja, wobei sich das mittlerweile hin zu älteren Zuhörern verlagert. Ich biete nicht mehr soviel Survival. Ich kämpfe gegen weibliche Genitalverstümmelung – damit können die ganz Jungen noch nichts anfangen. Zwölfjährige Jungs wollen lieber Lagerfeuergeschichten hören.

Wird es in Ihrem Vortrag nur um die Verstümmelung gehen?

Nehberg: Nein, ich erzähle auch die Lagerfeuergeschichten, es wird ein Querschnitt durch mein Leben, diesen selbsterlebten Krimi. Ich werde auch zeigen, wie man ein Wildschwein mit der Hand fängt. Ich mache mit Funken Feuer oder zeige, wie mich eine Riesenwürgeschlange nach zwei Minuten völlig erledigt hatte. Survival und humorvolle Geschichten bilden den Schwerpunkt im ersten Teil.

Ihre Survival-Trips haben Sie rund um den Globus geführt.

Nehberg: Durch meine Erfahrungen, auch in Überlebenstechniken, bin ich in Länder gekommen, in die ich sonst nie gekommen wäre. Und dort wurde ich Augenzeuge dieses Grauens. Jetzt ist mein Lebensthema der Kampf gegen die Verstümmelung der Frauen.

Das ist ein schweres Thema.

Nehberg: Ja. Aber das Publikum hilft mir. Dort rekrutiere ich meinen Förderkreis für den Verein „Target“. Mittlerweile hat der Verein 40 000 Spender.

Das ist wirklich eine Menge. Wie viel muss man denn anlegen, um Ihnen zu helfen?

Nehberg: Wir haben es so gestaltet, dass sich auch junge Menschen eine Mitgliedschaft leisten können, es beginnt bei 15 Euro im Jahr. Viele sind ergriffen, wenn sie hören, was Frauen weltweit geschieht. Vor allem, wenn sie selbst Töchter haben und das Glück begreifen, dass sie hier in Deutschland leben. Die jungen Menschen setzen das Thema weiter um: Nach meinem Vortrag veranstalten viele Aufklärungskampagnen zum Thema an ihren Schulen. Das bringt ungeheuer viel.

Haben Sie direkten Kontakt zu verstümmelten Frauen?

Nehberg: Meine Frau und ich wurden im Jahr 2000 Augenzeugen. Die Frau sprach offen mit uns, über alle Folgen, Leid, Qual und Entwürdigung. Das war so schlimm, dass wir nicht mehr sprechen konnten, meine Frau und ich. Dabei erfuhren wir auch, dass es täglich 8000 Frauen und Mädchen betrifft, die allermeisten Muslima.

Und meist wird es mit der Religion begründet…

Nehberg: Da packt mich die Wut. Wie kann eine Weltreligion wie der Islam sich das unwidersprochen in die Schuhe schieben lassen? Mir war klar: Ich brauche den Islam als Partner. Deshalb gründeten wir auch einen eigenen Verein, um unabhängig von Bedenkenträgern zu sein. Das war die beste Entscheidung meines Lebens.

Und was hat die Vereinigung mit dem Islam gebracht?

Nehberg: Überlegen Sie mal: Ich, ein Vorstadt-Bäcker und meine Frau, die Arzthelferin, wir haben es gschafft, dass sich die höchsten Würdenträger des Islam trafen. Nach langer Diskussion und Vorträgen von Ärzten, dazu Filme, die die Verstümmelungen zeigten, haben diese Würdenträger den Mut aufgebracht, die weibliche Genitalverstümmelung al Fatwa zu geißeln, sie zu einem strafbaren Verbrechen zu erklären.

Aber es wird dauern, bis das überall ankommt.

Nehberg: Ja. Es ist zwar die wichtigste Voraussetzung für das Ende der Verstümmelung. Aber es ist sehr schwer, die  historische Botschaft in die Köpfe der Betroffenen zu hämmern, die seit 5000 Jahren mit dieser unsäglichen Tradition leben.

Das wird Zeit brauchen.

Nehberg: Ja, und die habe ich nicht mehr. Mir läuft meine Lebenszeit davon, ich bin 82 Jahre alt. Meine Frau kann das alleine nicht übernehmen, da Frauen im Islam wenig Mitspracherecht haben. Ich merke immer, wie wichtig es im Islam ist, dass wir als Mann und Frau auftreten. Meine Ehefrau kommt an die Beschneiderinnen ran, ich habe die Möglichkeit, mit den Männern, die die Gesetze machen, zu reden. So war es auf der Kairo-Konferenz. Wir haben Bilder gezeigt. Viele Männer hatten Tränen in den Augen. Sie glaubten bis dahin, das sei nur ein Kratzer. Oder sie haben es mit der Beschneidung von Männern verglichen – es hat absolut nichts damit zu tun.

Sie sind zwar 82, aber Sie wären nicht Rüdiger Nehberg, wenn Sie nicht noch Visionen hätte.

Nehberg: Stimmt. Eine habe ich. Mein größtes Ziel: Ich will die Botschaft, dass Verstümmelung strafbar ist, auf einem Transparent in Mekka über der Kawa verkünden. Und zwar dann, wenn dort vier Millionen Menschen aus allen Winkeln der Welt beten. Aber dazu brauche ich die Kooperation mit dem saudischen König. Jüngst hatte ich ein Gespräch im Vorzimmer des Großmufti von Saudi Arabien – der Antrag ist bereits in Arbeit.

 

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