Rücktrittsforderung - Klinik-Chef bleibt

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Klinikum. Foto: Nils Katzenstein Foto: red

Schon wieder Zoff am Klinikum: Die SPD ätzt gegen Klinik-Chef Joachim Haun und will ihn loshaben. Ihm fehle die Kompetenz. Die Klinik schießt zurück: Die SPD habe keine Ahnung davon, was am Klinikum vorgehe.

 
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Der Streit tobt hinter den Kulissen, seit zwei Neurologen freigestellt wurden. Sie sahen Patienten in Lebensgefahr, sprachen von mehr als 100 falschen Diagnosen und viel zu wenig Personal. Beweise für Vorwürfe lieferten sie nicht und gingen trotzdem an die Öffentlichkeit. Darin sah das Klinikum einen groben arbeitsrechtlichen Verstoß – und setzte sie auf die Straße. Ein wegen seiner angeblichen Nähe zum Klinikum umstrittener Gutachter sah hingegen keine Patienten in Gefahr. Betroffene Eltern, Kinderärzte und Kommunalpolitiker wurden im Hintergrund aktiv. Ihr Ziel: wenigstens die Kinder-Neurologin, die als äußerst kompetent gilt, wieder ans Klinikum zu bekommen, und sei es auch nur vorübergehend, damit die kleinen Patienten direkt in Bayreuth versorgt werden können. Die Klinik bleibt hart – und sucht nach neuen Ärzten.

Wasser auf die Mühlen der Haun-Kritiker

Der Fall der beiden Mediziner ist Wasser auf die Mühlen der internen Haun-Kritiker, die öffentlich kaum etwas sagen. Am Donnerstag vergangener Woche trafen sich 23 Chefärzte und stimmten geheim ab: 19 von ihnen waren gegen Haun, sahen eine „Störung des Vertrauensverhältnisses“ und forderten mehr „Einfluss der Ärzte auf Entscheidungen“. Das Dokument liegt der Redaktion des Kuriers vor.

Fünf Tage später trafen sich im Großen und Ganzen die gleichen Chefärzte, diesmal zusammen mit Haun, und stimmten wieder ab. Ergebnis: Alle waren plötzlich für Haun. Die Palastrevolution war im Sande verlaufen, entweder aus Einsicht oder weil die Ärzte Angst um ihre Fördermittel hatten – je nach Deutung. Denn Haun hatte Matthias W. Beckmann dabei, den Leiter der Bayreuther Gynäkologie und Chef der Frauenklinik Erlangen, jener Uni-Klinik also, die mit ihrer Zweigstelle Bayreuth noch mehr zusammenarbeiten möchte. Er soll nach Informationen des Kuriers den Ärzten die Leviten gelesen haben, dass ihre Revolution der Zusammenarbeit nicht zuträglich sei. Andere Mediziner sagen, er habe sie mit der Drohung „gekauft“, Fördermittel zusammenzustreichen.

SPD-Stadtratsfraktion fordert Beurlaubung Hauns

Am Abend vor der Versammlung des Aufsichtsrates am Donnerstag entzog die Bayreuther SPD via Pressemitteilung Haun das Vertrauen. Man ersuche „die Verantwortlichen des Aufsichtsrats, ihn von seinen Aufgaben zumindest vorübergehend zu entbinden“. Gründe: Er verstehe es nicht, Probleme zu lösen, verstehe nichts von Krisenmanagement, füge dem Klinikum Schaden zu, entlasse gute Mitarbeiter und gefährde das Patientenwohl.

Die Wut über die SPD ist in Watte gepackt – und in diplomatische Worte. Die Aufsichtsratsvorsitzende, Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe (BG), und ihr Vize, Landrat Hermann Hübner (CSU), sprechen in einer Erklärung von „unreflektierten öffentlichen Äußerungen der SPD-Stadtratsfraktion, die an den Tatsachen vorbeigehen“. Diese schädigten den Ruf der Klinik. „Wir verwahren uns gegen den Vorwurf, die Verantwortlichen und die Geschäftsführung der Klinikum Bayreuth GmbH hätten das Patientenwohl aus dem Blick verloren“, heißt es in ihrer Erklärung. Merk-Erbe sagte dem Kurier, sie halte die Erklärung der SPD für „haltlos“.

Merk-Erbe: "SPD hat sich nicht informiert"

Noch schärfer wird die Kritik von Merk-Erbe und Hübner, wenn sie der SPD unverhohlen Ahnungslosigkeit und schlechte Recherche vorwerfen: „Die SPD-Stadtratsfraktion hat sich nicht bei der Klinikum Bayreuth GmbH informiert. Gelegenheit dazu hätte es in ausreichendem Maß gegeben.“ Außerdem sei es „verfehlt“, Haun vorzuwerfen, er sei ein schlechter Chef. „Die Vorkommnisse der jüngeren Vergangenheit sind konsequent aufgearbeitet und nicht unter den Teppich gekehrt worden.“ Auf Deutsch: Es sei ein Zeichen von Führungsstärke, die beiden umstrittenen Ärzte sofort vor die Tür zu setzen und nicht zu warten, bis sie noch mehr unbewiesene Behauptungen verbreitet hätten.

Gegen den angeblich schlechten Ruf führt die Klinik eine Patienten-Umfrage ins Feld, bei der sie sich mit 57 Kliniken vergleichen lassen muss. Bayreuth landet auf Platz 13. Hier zeigen sich 89 Prozent der Patienten zufrieden, eine deutliche Verbesserung, sagt Klinik-Chef Haun. Die Klinik bleibt den beiden Medizinern gegenüber hart: keine Wiedereinstellung. Allerdings weist Pressesprecher Frank Schmälzle darauf hin, dass „mit Nachdruck“ Nachfolger gesucht würden.

Direktorium wird aufgefüllt

Aus dem erneuten politischen Angriff gegen Haun geht dieser gestärkt hervor. „Der Aufsichtsrat hat Haun das Vertrauen ausgesprochen“, sagt Schmälzle. Auch der erste Angriff im Mai vergangenen Jahres hat Haun nicht geschadet. Damals hatte der Zweckverband beschlossen, ihm einen Geschäftsführer für medizinische Belange an die Seite zu stellen. Doch man einigte sich auf ein „Direktorium“ als Führungsgremium. Das wird heuer aufgefüllt. Der Personalleiter kommt im April, die medizinische Leitung im Oktober, ein kaufmännischer Leiter wird noch gesucht. Der wird aber nicht die Stelle von Haun einnehmen, sondern übernimmt nur Teile des Tagesgeschäftes, um laut Klinik „mehr Kapazität für strategische Entscheidungen zu ermöglichen“.

Die SPD-Erklärung im Wortlaut:

Auf Grund der jüngsten Ereignisse am Bayreuther Klinikum ist die SPD-Stadtratsfraktion um das Bayreuther Klinikum in großer Sorge. Mit der Personalie Dr. Haun hat sich die SPD-Fraktion eigentlich erhofft, dass sich das Arbeitsklima im Klinikum und die Zufriedenheit der Patienten deutlich verbessern. 

Dazu sollten wichtige Projekte wie der Umbau und Ausbau des Hauses und des medizinischen Angebots vorankommen. Nun ist genau das Gegenteil eingetreten.

So müssen wir bedauerlicherweise feststellen, dass es noch immer keine zweite Geschäftsführung und dass es massive Verzögerungen bei der Umsetzung der Sanierung und des Umbaus der Klinik gibt. Zudem gerät das Klinikum immer wieder in die negativen Schlagzeilen auch über Grenzen der Region hinaus. Die Geschäftsführung in der Person von Dr. Haun hat es bisher zu wenig verstanden, Probleme in und um das Haus kompetent zu lösen.

Konfliktmanagement und Krisenmanagement stellen wir uns anders vor als es bisher geschehen ist: Bei der Suche nach einer geeigneten Parkplatzregelung, bei den Schwierigkeiten im Bereich der Kardiologie, bei den massiven personellen Problemen im Bereich der Geburtshilfe, bei der Veränderung des sozialpädiatrischen Zentrums oder jüngst bei der Freistellung von zwei Ärzten in der Neurologie und in der Kinderklinik. Eine Kündigung oder Freistellung mit hohen Ausgleichszahlungen, die zudem dem Klinikum wirtschaftlichen Schaden zufügt, den Ruf lädiert und künftige Neuanstellungen erschwert, darf nur letztes Mittel im äußersten Notfall und nicht eine Ad-hoc-Entscheidung sein. Dazu kommt, dass Aufsichtsräte und Mitglieder der Verbandsversammlung nicht direkt und als Erste informiert werden sondern über die Presse Kenntnis erhalten und keine Interventionsmöglichkeiten haben.

Leider wird auch zunehmend außer Acht gelassen, dass es um Patienten geht, um Menschen, die in einer Notlage sind und Hilfe brauchen und um Personal, dass sich zum Teil aufopfernd bis an die Grenzen der persönlichen Leistungsfähigkeit verausgabt. Wie soll ein Vertrauensverhältnis zu den behandelnden Ärzten bestehen, wie können Ärzte ihrer anstrengenden Aufgabe gerecht werden, wenn die Geschäftsführung nicht in der Lage ist, Probleme sachlich, zielorientiert und menschlich zu klären und Lösungsstrategien zu entwickeln? Die Verantwortlichen und insbesondere der Geschäftsführer des Bayreuther Klinikums haben das Patientenwohl offensichtlich im wesentlichen Bereichen aus den Augen verloren. Mit innerbetrieblichen Unstimmigkeiten sollte man auf der Führungsebene anders umgehen, besonders deshalb, weil der Ruf des Hauses in erster Linie nicht durch kritische Ärzte und Pflegepersonal beschädigt wird, sondern eher durch ein hartes Handeln der Verwaltung, das wenig lösungsorientiert und zukunftsträchtig ist.

Wir entziehen dem Geschäftsführer des Bayreuther Klinikums deshalb das Vertrauen und ersuchen die Verantwortlichen des Aussichtsrats ihn von seinen Aufgaben – zumindest vorübergehend - zu entbinden.

Die Erklärung des Aufsichtsrates im Wortlaut:

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

zu der jüngsten Pressemitteilung der SPD-Fraktion im Bayreuther Stadtrat nehmen die beiden Spitzenvertreter der Klinikum Bayreuth GmbH, Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe und Landrat Hermann Hübner, wie folgt Stellung:

 

Die Vorsitzende des Aufsichtsrates der Klinikum Bayreuth GmbH, Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe, und der Vorsitzende der Verbandsversammlung des Krankenhauszweckverbandes, Landrat Hermann Hübner, weisen die Forderung der SPD-Stadtratsfraktion, den Geschäftsführer der Klinikum Bayreuth GmbH von seinen Pflichten zu entbinden, entschieden zurück. Für einen solchen Schritt bestehe keinerlei Grund und Anlass. Sie sprechen dem Geschäftsführer das Vertrauen aus.

 

Die SPD-Stadtratsfraktion schade mit ihrer Forderung der Klinikum Bayreuth GmbH nachhaltig. Sie erwecke den Eindruck, die Klinikum Bayreuth GmbH befinde sich in einem Abwärtstrend. Das Gegenteil ist der Fall. Die Klinikum Bayreuth GmbH hat im vergangenen Jahr so viele Patientinnen und Patienten wie nie zuvor in ihrer Geschichte behandelt. Das medizinische Leistungsspektrum wird stetig ausgebaut – die neuen Abteilungen für Thoraxchirurgie und für Hand- und Plastische Chirurgie sind dafür beispielgebend. Die Einrichtung eines Medizin-Campus am Standort Klinikum mache erhebliche Fortschritte. Die Planungen zu einem abschnittsweisen Neubau seien im Zeitplan und sie würden, anders als in der Vergangenheit, eng mit den künftigen Nutzern abgestimmt.

 

Dem Geschäftsführer und dem Aufsichtsrat mangelhafte Konfliktbewältigung vorzuwerfen, sei verfehlt. Die Vorkommnisse der jüngeren Vergangenheit seien vielmehr konsequent aufgearbeitet und eben gerade nicht unter den Teppich gekehrt worden.

 

 „Wir verwahren uns gegen den Vorwurf, die Verantwortlichen und die Geschäftsführung der Klinikum Bayreuth GmbH hätten das Patientenwohl aus dem Blick verloren“, sagen die Oberbürgermeisterin und der Landrat. Viel eher seien solch unreflektierte öffentliche Äußerungen der SPD-Stadtratsfraktion, die an den Tatsachen vorbei gehen, dazu geeignet, den Ruf der Klinikum Bayreuth GmbH zu beschädigen. Wie regelmäßige Patientenbefragungen und der Vergleich mit 57 weiteren im Clinotel-Verbund zusammengeschlossenen Krankenhäusern zeigen, hat sich sowohl die Gesamtzufriedenheit wie auch die Bereitschaft, die Klinikum Bayreuth GmbH weiterzuempfehlen, seit dem Start der Befragung 2015 kontinuierlich gesteigert. Demnach haben 2017 fast 89 Prozent der Patientinnen und Patienten angegeben, sie könnten die Klinikum Bayreuth GmbH weiterempfehlen. Den Behandlungserfolg bewerteten mehr als 87 Prozent als gut oder sehr gut.

 

Die Klinikum Bayreuth GmbH hatte die SPD-Stadtratsfraktion im vergangenen Jahr zu einem Informationsbesuch eingeladen. Dabei hatte man vereinbart, einen direkten Austausch zu pflegen. Dies ist im vorliegenden Fall nicht erfolgt. Die SPD-Stadtratsfraktion hat sich nicht bei der Klinikum Bayreuth GmbH informiert. Gelegenheit dazu hätte es in ausreichendem Maß gegeben, auch wenn offenbar der SPD-interne Informationsfluss aus dem Aufsichtsrat in die Fraktion nicht funktioniere.

Die Erklärung zu den Ergebnissen der Aufsichtsrats-Sitzung im Wortlaut:

"Sehr geehrte Damen und Herren,

 

zur heutigen Aufsichtsratssitzung der Klinikum Bayreuth GmbH möchte ich Ihnen folgendes mitteilen:

 

Dr. Joachim Haun, Geschäftsführer der Klinikum Bayreuth GmbH, hat heute die Mitglieder des Aufsichtsrates umfassend über die Gründe und die Notwendigkeit der Trennung von zwei Oberärzten informiert. Maßnahmen dieser Art fallen in den ausschließlichen Zuständigkeitsbereich der Geschäftsführung. Der Aufsichtsrat hat dem Geschäftsführer das Vertrauen ausgesprochen.

 

Die beiden zuständigen Chefärzte und die Klinikleitung berichteten den Aufsichtsräten weiterhin über die mit Nachdruck verfolgten Maßnahmen zur Wiederbesetzung der derzeit vakanten Stelle in der Klinik für Kinder und Jugendliche. Bewerbungsgesprächen laufen bereits. Aufsichtsrat und Geschäftsführung der Klinikum Bayreuth GmbH nehmen die Sorgen von Eltern, deren Kinder an Epilepsie erkrankt sind, sehr ernst."

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