Vorsitzender des Zentralrates der Sinti und Roma in Bayreuth Romani Rose: Unsere Werte sind bedroht

Von Elmar Schatz
Betrachtet die Flüchtlingskrise als Bewährungsprobe: Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrates der Sinti und Roma. Foto: dpa Foto: red

Romani Rose sieht eine zunehmende Bedrohung jener Werte, die nach der Katastrophe des Zweiten Weltkrieges mühsam errungen worden sind. Der Vorsitzende des Zentralrates der Sinti und Roma betrachtet die aktuelle Flüchtlingskrise als Bewährungsprobe. Er erinnert an dunkle Zeiten der deutschen Geschichte.

 
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Der Nazi-Staat „hat unserer Volksgruppe kollektiv das Existenzrecht abgesprochen“. Dabei sind die Roma seit 600 Jahren im deutschen Sprachraum beheimatet, sagt Rose, der auf Initiative des Beauftragten der Bundesregierung für die Aussiedler und Minderheiten, Hartmut Koschyk (CSU), zur Interkulturellen Woche gekommen nach Bayreuth gekommen und Gast der Stadt war.

13 enge Verwandte von Romani Rose wurden in Auschwitz ermordet. Er erinnert bei seiner Rede am Freitag im Zentrum an den Auschwitz-Erlass des SS-Chefs Heinrich Himmler vom 16. Dezember 1942, wonach alle Sinti und Roma familienweise, also vom Baby bis zu den Großeltern, zu deportieren und zu töten seien.

Mehr als eine halbe Million Sinti und Rom fielen der systematischen Vernichtung zum Opfer. Und nach dem Krieg hätten es die Überlebenden häufig noch mit denselben Beamten zu tun gehabt, die vorher ihren Abtransport ins KZ veranlasst hatten. „Die Erfahrung absoluter Rechtlosigkeit hat sich tief in unser kollektives Gedächtnis eingeprägt“, sagt Rose.

Noch 1956 hat der Bundesgerichtshof in einem Grundsatzurteil eine Entschädigung für Sinti und Roma abgelehnt. Von dem Schandurteil habe sich der BGH erst jetzt distanziert.

Viele Menschen, die eigentlich seiner Volksgruppe zugehörten, wollten dies im Alltag nicht preisgeben, sagt Rose; denn die Vorurteile gegenüber Sinti und Roma seien in der Gesellschaft tief verwurzelt. Vor allem etablierte Mitglieder der Volksgruppe sähen sich gezwungen, ihre Zugehörigkeit nach außen zu verbergen. Rose: „Es ist aber wichtig, dass wir uns als Minderheit nicht verstecken.“

In Ungarn werde sogar offen rassistische Gewalt ausgeübt. Zudem würden Roma in südosteuropäischen Ländern subtil aus dem Alltagsleben ausgegrenzt; „das ist Apartheid wie einst in Südafrika, aber mitten in Europa“.

„In Deutschland sind wir Zeugen, wie Flüchtlingsheime in Flammen aufgehen – aber auch von einer Welle der Hilfsbereitschaft für die Flüchtlinge, die niemand unberührt lassen kann“, so Rose.

Ausdrücklich spreche er Bundeskanzlerin Angela Merkel seinen höchsten Respekt aus, die den in Ungarn gestrandeten Flüchtlingen aus ihrer verzweifelten Lage geholfen habe. Aber in dieser historischen Dimension des Flüchtlingsdramas müsse Europa als Ganzes Solidarität beweisen.

„Die Zukunft unserer Kinder hängt davon ab, ob Europa zusammensteht oder daran zerbricht.“ Rose betont: “Ich bin trotz allem guter Hoffnung, dass unsere Demokratie auch die aktuelle Herausforderung bewältigen wird.“

Interkulturelle Wochen

Die Interkulturellen Wochen 2015 in Bayreuth stehen unter dem Motto „Vielfalt! Das Beste gegen Einfalt!“Auf Bestreben von Joey Wiegand, unterstützt von Hartmut Koschyk, Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedler und nationale Minderheiten, wurde Ende Juli in Bayreuth ein Runder Tisch eingerichtet, mit dem gemeinsamen Ziel von Stadtverwaltung, Arbeitsagentur, Wirtschaft und den Sinti selbst, dass mehr junge Sinti einen Schulabschluss und eine Berufsausbildung schaffen.

Beeindruckend war am Freitag bei der Veranstaltung im Zentrum der Auftritt der 14-jährigen Sopanistin Scarlett Adler Rani aus dem Zamir-Chor von Barbara Baier. Die junge Sintessa besucht die Altstadt-Schule und möchte Opernsängerin werden.

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