Allein im Pegnitzer Gebiet gab es 60 Rehunfälle im vergangenen Jahr Rehe leben gefährlich

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Zwei Rehkitze werden von Regina Meyer und ihrem Mann mit der Flasche aufgezogen - die Mutter der Tiere wurde überfahren. Foto: Engelbrecht Foto: red

Susi und Strolch sind süße Rehkitze, acht Wochen alt - verschreckt und Waisen. Ihre Mutter wurde überfahren, jetzt werden sie von der Familie Meyer mit der Flasche aufgezogen. Die Kitze sind kein Einzelfall: "Wahnsinn" nennt der Vorsitzender der Jägervereinigung Pegnitz die Anzahl von Rehunfällen. Dabei könnten die Tiere geschützt werden.

 
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Leise fiepend springt Susi verschreckt herum, ihr Bruder Strolch ist etwas mutiger und läuft vorsichtig zu Regina Meyer hin, die ihm lockend eine Nuckelflasche hinhält. Seit die acht Wochen alten Kitze Waisen sind, werden sie von Regina und Horst Meyer im Creußener Ortsteil Letten aufgezogen, bis sie selbstständig in der freien Natur leben können. Mitte Juli hatte der Jagdpächter ihnen die beiden Winzlinge gebracht. Die Meyers kennen sich mit Rehen aus, Horst ist selber Jäger. Schon zweimal haben sie Kitze aufgezogen. Xaver ist dann im vergangenen Jahr irgendwann weggelaufen, das andere war zu schwach, es hat nicht überlebt. „Sie bekommen alle fünf Stunden Aufzuchtmilch mit Schmelzflocken“, erzählt Regina, „am Anfang war es alle zwei Stunden.“ Außerdem knabbern die Kitze schon eifrig an Blättern, die sie ihnen in das eigens errichtete Gehege im Garten legen. Wenn die beiden etwa drei Monate alt sind, sollen sie langsam zurück in die freie Wildbahn.
„Das ist der Wahnsinn, was wir an Wildunfällen haben“, sagt Karl-Heinz Inzelsberger, Vorsitzender der Jägervereinigung Pegnitz. Jede Hegegemeinschaft habe ihre eigenen Unfallschwerpunkte, in Pegnitz sind es gleich drei: an der B 2 von der Guyancourtbrücke bis zum Cabriosol, beim THW am Dianafelsen und am Krankenhausberg Richtung Autobahn. Etwas Abhilfe sollen jetzt blaue Reflektoren schaffen. Wenn hier die Lichtkegel der Autos draufscheinen, bleiben die Rehe stehen, hofft Inzelsberger. Außerdem soll etwa alle zehn Meter an unübersichtlichen Stellen ein Pflock eingeschlagen werden, der mit Bauschaum und einem Duftmittel versehen ist. „Verstänkern nennt man das“, so Inzelsberger. Gleichzeitig appelliert er an die Hundebesitzer, ihre Vierbeiner unbedingt anzuleinen, damit sie die Rehe nicht aufscheuchen. Auch das veränderte Freizeitangebot – Walker, Jogger, Mountainbiker – und der zunehmende Tourismus tun den Rehen nicht gut, scheuchen sie oft auf. Inzelsberger: „Das ist einfach ärgerlich, wenn eine hochträchtige Geiß überfahren wird.“ Unverständnis äußert er über die Versicherungen, die keine Kosten für die Reflektoren übernehmen. Dabei kosten zwei Stück nur sechs Euro.
Gleichzeitig warnt er davor, ein Tier anzufassen, weder tot noch lebendig. „Wenn wir ein lebendes Kitz finden, dann fassen wir es mit Gras an.“ Ansonsten könnte es sein, dass die Geiß es nicht mehr annimmt, weil es nach Mensch riecht. Wer ein totes Tier findet, sollte den Jagdpächter oder die Polizei verständigen.
Gefahr lauert für die Tiere auch in der Erntezeit, wenn sie in Wiesen oder Feldern liegen. Viele Landwirte würde eine Nacht vorher klappernde Säcke oder Leuchten anbringen, damit die Kitze rauskommen. Viel verspricht sich Inzelsberger von Oktokoptern, einer ferngesteuerten fliegenden Wärmebildkamera, welche die Tiere aufspürt. „Die werden so in zwei Jahren bezahlbar sein, etwa 7000 Euro“, schätzt er. Noch kann sich eine Kreisgruppe oder Privatperson so ein Gerät nicht leisten.

Viele zu Wildunfällen:

> Deutschland: 2007/2008 gab es 22 540 Schwarzwildunfälle, 2012/2013 waren es 25 200. Unfälle mit Rehen gab es in dieser Zeit 198 260 beziehungsweise 198 400.

> Bayern: Im Jahr 2013 gab es insgesamt 62 983 Wildunfälle, bei denen 471 Personen zu Schaden kamen. Unfälle mit Rehen wurden im gleichen Zeitraum 44 000 gezählt.

> Pegnitz: Im Bereich der Kreisgruppe Pegnitz der Jägervereinigung gibt es acht Reviere und zwei Staatsjagdreviere. Hier gab es im vergangenen Jahr 60 Unfälle mit Rehen.

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