Die Zahl der Starts und Landungen war im ersten Halbjahr 2016 laut Flughafen um 2,5 Prozent auf 191 000 gestiegen, im Gesamtjahr wird mit einem Plus von 4 Prozent gerechnet. Im vergangenen Jahr hatte es ein kleines Plus von 0,9 Prozent auf 380 000 Flugbewegungen gegeben - der erste Zuwachs seit drei Jahren. Die Spitzenwerte von 2007/2008 (432 000) sind aber noch lange nicht wieder erreicht. Von einem „längeren Zeitraum“ dürfte deshalb noch keine Rede sein. Die Münchner SPD erklärte am Mittwoch, die Entwicklung der Flugbewegungen gebe für die SPD noch „keinen Anlass zu einer Neubewertung der Lage“.
"Sie sind eingeknickt"
Vor einem Jahr hatte Seehofer auch den besonders betroffenen Freisinger Stadtteil Attaching besucht. Damals sagte er zu der Entscheidung für oder gegen den Bau: „Die allerwichtigste Frage ist die Frage nach dem Bedarf.“ Und er fügte hinzu: „Die Zahlen, die wir schon einmal hatten, werden derzeit bei weitem nicht erreicht.“ Weite Teile der CSU hatten sich dagegen - anders als Seehofer - stets äußerst vehement für den Bau der dritten Startbahn ausgesprochen.
SPD-Fraktionschef Rinderspacher rief Seehofer zu: „Sie sind eingeknickt.“ Der Ministerpräsident habe sein Wort gegenüber den Menschen gebrochen. Von einer dramatischen Veränderung bei der Zahl der Flugbewegungen könne keine Rede sein. Die SPD sei deshalb sehr überrascht über Seehofers „Kehrtwende“. „Wir nehmen das als Wahlkampfthema für das Jahr 2018 auch gerne auf“, kündigte er an.
Freie-Wähler-Fraktionschef Hubert Aiwanger betonte: „München braucht keine dritte Startbahn.“ Diese müsse verhindert werden. Benno Zierer (Freie Wähler) kritisierte: „Jetzt zeigt sich Seehofers wahres Gesicht: Erst einen sogenannten Bürgerdialog starten und Beruhigungspillen verteilen und dann doch den Bürgerwillen mit Füßen treten.“ Es sei beschämend, dass Seehofer eiskalt die Interessen des Flughafen vertrete. Jetzt müsse OB Reiter „Rückgrat bewahren“.
Scharfe Kritik kam auch von den Grünen. „Die plötzliche Ankündigung des CSU-Ministerpräsidenten, ein Ratsbegehren zum Bau der dritten Startbahn in München anzustreben, ist eine herbe Enttäuschung und eine totale Kehrtwende“, kritisierte deren Umweltexperte Christian Magerl. Seehofers sogenannter Dialogprozess zur Entscheidungsfindung entpuppe sich nun „als arglistige Täuschung“. Wenige Monate Wachstum bei den Flugbewegungen seien zudem bei weitem keine Trendwende und noch lange kein Anlass für eine erneute Abstimmung in München.
"Anti zu Europa, anti zu Merkel, anti zu Flüchtlingen"
Auch das Aktionsbündnis „AufgeMUCkt“ warf Seehofer Wortbruch vor. Seehofer habe versprochen, vor einer Entscheidung noch einmal in den am meisten betroffenen Freisinger Stadtteil Attaching zu kommen, sagte Sprecher Hartmut Binner. „Ich bin enttäuscht wie lange nicht mehr.“ Seehofer verfalle offensichtlich wieder in das alte Muster, „sein Fähnchen nach dem Wind zu drehen“. Binner betonte aber: „Wir haben weder Angst vor einem neuen Bürgerentscheid noch vor einem bayernweiten Volksentscheid.“ Man nehme den Kampf erneut auf.
Hauptstreitpunkt in der Debatte über Seehofers Regierungserklärung war auch die Flüchtlings- und Zuwanderungspolitik. „Ängste vor Überfremdung schüren ist unwürdig für Demokraten“, hielt Rinderspacher Seehofer und der CSU vor. Die CSU sei „anti zu Europa, anti zu Merkel, anti zu Flüchtlingen“. „Sie wollen offensichtlich mit söderndem Scheuerismus aus Deutschland ein ganz anderes Land machen“, sagte er in Anspielung auf umstrittene Äußerungen von Finanzminister Markus Söder (CSU) und CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer. Seehofer dagegen verteidigte die CSU-Politik und sprach dabei auch von „praktizierter Christlichkeit in Regierungsverantwortung“.
dpa