Weiterer Diskussionsbedarf
Der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV), Frank Überall, sieht weiter Diskussionsbedarf. „Das Ergebnis sehen wir ja, in einem Jahr hat es jetzt nicht regelmäßig irgendwelche riesengroßen Probleme deswegen gegeben“, sagte Überall der Deutschen Presse-Agentur. „Wir kommen aber an der grundsätzlichen medienethischen Frage nicht vorbei, egal, wie wir das Kind nennen.“
Auslöser einer Debatte über diese Frage waren unter anderem die Übergriffe in der Kölner Silvesternacht 2015/16 und die Festnahme eines Verdächtigen für die Tötung einer Studentin in Freiburg 2016.
Redaktionen müssten in jedem Fall abwägen, ob sie etwa in Polizeimeldungen die Herkunft eines Verdächtigen nennen wollten, sagte Protze. Ohnehin müsse die Presse Informationen nach ihrer Bedeutung auswählen.
Neugierde der Leser ist kein Maßstab
Wenn bestimmte Einzelheiten nicht genannt würden, heiße das nicht automatisch, dass damit gegen das Wahrheitsgebot verstoßen werde. Protze stellte aber klar: Eine angebliche Neugierde der Leser dürfe kein Maßstab sein.
Ohnehin sieht der Presserat in dieser Frage eine wachsende Konkurrenz der Pressestellen der Polizei, die etwa über Soziale Medien die Nutzer direkt erreichen. Ob die Polizei im Umgang mit solchen Fragen immer ihrer ethischen Verantwortung gerecht werde, sollten die zuständigen Innenminister der Länder klären.
Viele Beschwerden richteten sich im vergangenen Jahr gegen Berichte über Krisen und Konflikte, etwa gegen die Veröffentlichung von Fotos angeblich straffälliger Demonstranten beim G20-Gipfel in Hamburg.
Der Presserat sieht dabei keinen Verstoß gegen den Persönlichkeitsschutz, kritisiert aber, dass die abgebildeten Demonstranten damit an den Medienpranger gestellt würden. Nahezu die Hälfte der Rügen (9) wurden wegen Schleichwerbung etwa auf Online-Seiten verhängt.
dpa