Referendum gescheitert: Renzi geht

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Italien droht eine neue Phase der Instabilität: Regierungschef Matteo Renzi ist mit seiner Verfassungsreform gescheitert und hat nach der klaren Niederlage beim Referendum seinen Rücktritt angekündigt.

 
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Das Nein-Lager habe einen "außerordentlich deutlichen" Sieg errungen, sagte Renzi in der Nacht zum Montag bei einer Pressekonferenz. Die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone steht damit vor einer ungewissen politischen Zukunft. Renzis Gegner verlangten rasche Neuwahlen.

"Ich übernehme die volle Verantwortung"

Der Weg seiner Regierung "endet hier", sagte Renzi kurz nach Mitternacht. "Ich habe verloren, ich übernehme die volle Verantwortung." Er werde noch am Montag nach einer Kabinettssitzung sein Rücktrittsgesuch bei Staatschef Sergio Matterella einreichen, kündigte Renzi an. "Das italienische Volk hat sich heute eindeutig geäußert", sagte Renzi. Ob der 41-Jährige, der Italien rund tausend Tage regierte, auch den Vorsitz der Demokratischen Partei (DP) abgibt, blieb zunächst unklar.

Hochrechnungen zufolge stimmten am Sonntag knapp 60 Prozent der Wähler gegen das Vorhaben. Die Wahlbeteiligung lag bei fast 70 Prozent. Renzi hatte das Referendum auch zu einer Abstimmung über seine Regierung gemacht und für den Fall einer Niederlage seinen Rücktritt in Aussicht gestellt.

Übergangsregierung bis 2018 wahrscheinlich

Es wird damit gerechnet, dass Staatschef Mattarella nach Renzis Rücktritt eine Übergangsregierung einsetzt, die Italien bis zur im Frühjahr 2018 geplanten Parlamentswahl führt. Als Favorit für den Posten des Regierungschefs wird Finanzminister Pier Carlo Padoan gehandelt. Als unwahrscheinlich gilt, dass Mattarella vorgezogene Neuwahlen ansetzt, wie es die Opposition fordert.

Kern der bereits vom Parlament beschlossenen Verfassungsreform war die Abschaffung der Gleichberechtigung beider Kammern: So war vorgesehen, den Senat von derzeit 315 auf 100 Mitglieder zu verkleinern. Er sollte außerdem der Regierung nicht mehr das Misstrauen aussprechen können und nur noch über eine begrenzte Anzahl von Gesetzen befinden dürfen. Ziel der Reform war es, die häufigen Regierungswechsel in Italien und die langwierigen Prozesse im Gesetzgebungsverfahren zu beenden.

Wahlrecht muss reformiert werden

Das Nein zu der Verfassungsreform wirkt sich auch auf das neue Wahlrecht aus, das seit diesem Jahr gilt, allerdings allein für das Abgeordnetenhaus. Die Partei, die mindestens 40 Prozent der Stimmen bei einer Wahl gewinnt, sollte dort automatisch 55 Prozent der Sitze bekommen. Da der Senat aber in seiner jetzigen Form bestehen bleibt, muss auch das Wahlrecht erneut reformiert werden.

Renzi hatte bis zuletzt für seine Verfassungsreform geworben. "Unser 'Ja' wird nicht nur Italien ändern, sondern auch Europa und die ganze Welt", sagte er am Freitagabend in Florenz. "Wenn wir diese Chance verpassen, kommt sie 20 Jahre nicht wieder." Am Sonntag gab er in seiner Heimatstadt nahe Florenz gemeinsam mit seiner Frau Agnese Landini seine Stimme ab.

Starke Opposition gegen das Referendum

Gegen Renzis Pläne hatte sich jedoch eine breite Koalition gebildet: Die Front reichte von der extremen Linken über Gewerkschaften und die Protestbewegung Fünf Sterne (M5S) des Populisten Beppe Grillo und die rechte Mitte des ehemaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi bis hin zur rassistischen Lega Nord und der rechtsextremen Partei Fratelli d'Italia (Brüder Italiens).

Renzis Gegner feierten den Ausgang des Referendums. Lega-Nord-Chef Matteo Salvini und Grillo forderten umgehend vorgezogene Neuwahlen. "Es lebe die Demokratie", schrieb Grillo in seinem Blog. "Auf Wiedersehen Renzi, die Italiener müssen so schnell wie möglich wählen." Die Fünf-Sterne-Bewegung, die einem Referendum über einen Austritt Italiens aus der Eurozone nicht abgeneigt ist, kann sich Hoffnungen darauf machen, stärkste Partei in Italien zu werden. Derzeit liegt sie in Umfragen knapp hinter Renzis DP auf dem zweiten Platz.

Auch die deutsche Linkspartei äußerte sich zufrieden über das Ergebnis des Referendums. "Ministerpräsident Renzi wollte mit dem Referendum einen Demokratieabbau vorantreiben, um sein neoliberales Programm durchzusetzen", erklärte Parteichef Bernd Riexinger. Doch die Mehrheit der Italiener habe Renzis Politik "eine klare Absage erteilt".

dpa

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