Railjam in Bischofsgrün: 15 Sportler springen nicht um den Sieg sondern für den Style Von Frank Schmälzle Railjam Bischofsgrün: Gewinnen Nebensache

Von Frank Schmälzle

One-Eighty oder Three-Sixty. Frontboard oder Frontflip. Halbe oder ganze Drehung. Überschlag, mal eher einfach, mal schwer. Man kann eine Wissenschaft draus machen. Muss man aber nicht. Man kann das, was die 15 Sportler an Tricks beim Railjam in Bischofsgrün gezeigt haben, auch einfach nur spektakulär finden. Keine Pause für die Augen, einer nach dem anderen rauscht die Rampe herunter. Wirbelt durch die Luft. Landet. Mal sauber. Mal schmerzhaft. In jedem Fall: eine Show.

 
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Die Organisatoren: Fünf Jungs, fünf Tage. Michael Baumgärtel (21), Sascha Purucker (26) und drei Kumpels haben die Rampe gebaut. 27 Meter ist sie lang, die Fahrer starten aus einer Höhe von 6,50 Meter. Drei Rails sind drauf, zwei aus Holz, auf denen die Fahrer schlittern, bevor sie zu ihren Tricks abheben. Eine ist eine lange Metallröhre, die hat einer aus der Jury zusammengeschweist. Ein Gerüst trägt die Rampe, ein Kubikmeter Holz ist verbaut. Und sieben Lastwagenladungen Schnee haben die Organisatoren rangeschafft. Wo sie den im ziemlich grünen Fichtelgebirge gefunden haben? Wird nicht verraten, damit ihnen nicht andere den Schnee klauen. Was da in einer Seitenstraße neben dem Marktplatz steht, ist alles Handarbeit, alles selbstgemacht. Warum sie sich die Mühe machen? "Weil wir eine Riesen-Gaudi dabei haben", sagt Sascha Purucker. "Aber auch, weil wir was für unseren Ort machen wollen." Die Szene der Trickskifahrer und der Freestyler auf Snowboards soll Bischofsgrün kennenlernen. Die Szene soll mal raus aus den großen Skigebieten in den Alpen und im Allgäu, mal was Neues ausprobieren. Das ist das Ziel - doch die Jungs aus Bischofsgrün haben wohl noch ein Stück Weg vor sich: 15 Rider, 15 Skifahrer und Snowboarder, sind beim Railjam dabei. Die meisten aus der Region. Die Österreicher, die kommen wollten, tauchen nicht auf.

Der Bürgermeister: Stephan Unglaub ist stolz. Stolz auf die Jungs, die den Railjam "zu 99 Prozent allein wuppen". Klar, sie kommen ins Rathaus, sagt der Bürgermeister. Holen sich eine Genehmigung, oder mal einen Tipp. "Aber sonst braucht diese Truppe keine Hilfe", sagt Unglaub. "Ich finde das super, dass junge Leute anpacken und sich so mit ihrem Heimatort identifizieren." Spricht für die Jungs, sagt Unglaub. Und für Bischofsgrün: "Der Zusammenhalt passt bei uns."

Der Lokalmatador: Erst ein Frontflip - ein Rutscher über eine Rail und dann ein Überschlag nach vorn. Danach ein Fronstide two-seventy, frontal auf die Rail draufspringen und dann eine ziemlich spektakuläre Luftdrehung um 270 Grad. Tobias Rieß (22) hat ein Heimspiel. Der Freestyle-Boarder kommt aus Bischofsgrün. Beim Training am Tag zuvor hat er sein Brett geschrottet, dumm gelandelt, vordere Schaufel abgebrochen. Macht nichts, beim Railjam-Wettbewerb vor seinem Publikum ist er natürlich dabei. Ob das Sport oder Spaß ist? "Beides", sagt er. Sport, weil es ohne Körperkontrolle nicht geht. Spaß, weil nicht nur obejektive Kriterien zählen. "Seit Oktober bin ich 35 Mal in die großen Skigebiete zum Trainieren gefahren."

Was man lernt, wenn man mit Tobias und den anderen Sportlern spricht: Ihr Ehrgeiz ist groß, aber er wendet sich nicht gegen die anderen. Sie müssen nicht gewinnen, das ist nicht das Ziel. "Wir sind nicht beim Fußball", sagt Tobias Rieß. "Hier hat jeder seinen Style, macht jeder sein Ding und wird dafür respektiert." Einer der Boarder legt einen Sprung von einer Rail auf die andere hin - booah, ein Transitition, sagen die Experten. Der einzige an diesem Nachmittag. Jubel, die Fahrer feiern ihn, klatschen ihn ab, nehmen ihn in den Arm. Tobias Rieß schafft es am Ende auf Platz drei des Wettbewerbs. Und ist danach erst mal ein wenig platt. 30 Minuten dauert der erste Durchgang. Rauf auf die Rampe, kurz durchatmen, dann auf die Rail und rein in den Trick. Wieder rauf auf die Rampe. Die besten gehen ins Finale. Nochmal fast eine halbe Stunde und dann der Contest für den besten Trick. Platzierung? Unwichtig. "Es hat Spaß gemacht." Übrigens: Tobias Rieß hat einen Sponsorenvertrag. Was in der Boarderszene heißt: Ein neues Brett und ein Paar neue Stiefel pro Saison. Geld gibt es nicht. "Und um Profi zu werden, ist der Zug abgefahren." Wie gesagt: Tobias Rieß ist 22.

Die Jury: Die Skala geht von eins bis zehn. Damit bewerten Felix Stich (21), aus Kemnath, Max Fischer (27) aus Bayreuth und Hannes Leeb (22) aus Bischofsgrün die Schwierigkeitsgrade der Tricks, die die Rider auf der Ramp zeigen. "Mich nervt es, dass bei vielen Wettbewerben die Schwierigkeit bei der Bewertung im Vordergrund steht", sagt Hannes Leeb. "Es geht doch nicht nur darum." Worum es geht? Um den Style, um das Individuelle. Darum, dass das einfach ausieht, was ziemlich schwierig ist. Das Niveau, sagen die drei Juroren, sei für einen Regional-Contest ganz gut. Besser wird es, wenn es wirklich etwas zu gewinnen gibt. Wenn die Preisgelder über den hundert Euro liegen, die der beste Skifahrer und des beste Boarder beim Railjam bekommen. "Dafür müssten Geldgeber her." Mal sehen, wie es im nächsten Jahr aussieht. Eine Bayreuther Brauerei findet den Railjam cool.

Die Sieger: Bei den Trickskifahrer landet Johannes Meier (21) aus Fürth ganz vorn. "Klar, freu ich mich", sagt er. Was er vor allem mit nach Haus nimmt: "Dass mich die anderen so gut aufgenommen haben, das war das Beste." Den Wettbewerb der Snowboarder gewinnt Kai Schüssel (27) aus Bayreuth. Er sagt: "Der Railjam wird von Jahr zu Jahr professioneller." 2017 will er wieder dabei sein.

Railjam: Dritter Bischofsgrüner Schneemann-Railjam. So hieß das Treffen der Akrobaten auf Skiern und Snowboards am Samstag in Bischofsgrün. Railjam? "Das kann man nicht übersetzen", sagt Saschs Purucker aus dem Organisationsteam. Aber man kann es sich erschließen. Rails, das sind halbierte und geglättete Baumstämme oder Eisenrohre, auf denen die Fahrer rutschen, bevor sie abheben. Jam - das Wort hat sich die Rider-Szene von Musikern geborgt. Bei einem Jam spielt jeder Musiker nach seinem Stil.

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