Rad-Profis mit Hilfsmotor unterwegs?

Von Timo Schoch

Mit Doping-Gerüchten müssen sich viele Sportarten auseinandersetzen. Der Radsport ist seit Jahren ein fester Bestandteil dieser unrühmlichen Szene. Aber es gibt offensichtlich nicht nur gedopte Athleten.

 
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Es gab schon immer mal den Verdacht, dass auch Räder selbst „gedopt“ werden. Am vergangenen Wochenende nun wurde bei der Cross-WM eine Fahrerin überführt: Bei der 19-jährigen Nachwuchsfahrerin Femke van den Driessche aus Belgien wurde ein unerlaubter Hilfsmotor an ihrem Ersatzrad gefunden. Ein Einzelfall?

Eine Szene vom April 2010 lässt noch heute etliche Radsportfans ungläubig mit dem Kopf schütteln. Damals kam erstmals das Gerücht über ein neues Doping-Wundermittel im Radsport auf. Ein Mittel, das in keiner Urin- oder Blutprobe nachweisbar ist, das nicht einmal gesundheitliche Risiken birgt und das aus einem durchschnittlichen Radsportler eine Rakete macht. Die Rede ist von Technikdoping. Denn an jenem kühlen Frühjahrstag trat der Zeitfahr-Weltmeister Fabian Cancellara dermaßen kräftig in die Pedale, dass jeder nur noch sein Hinterrad sah. Cancellara gewann vor rund sechs Jahren überlegen die Flandern-Rundfahrt und Paris-Roubaix, zwei der bedeutendsten Frühjahrsklassiker also.

Stutzig machte vor allem ein Videoschnipsel, der Cancellara zeigt, wie er kurz vor einem entscheidenden Antritt mit der Hand verdächtig am Lenker entlangrutscht und danach seinem Spitznamen „TGV von Ittingen“ alle Ehre macht: Cancellara fährt allen mit größter Geschwindigkeit auf und davon. Alles sieht so spielerisch leicht aus, als wenn ein Radprofi  die Hobbyradfahrer stehen lässt. Doch die Düpierten waren keine No-Name-Radler, sondern allesamt gestandene Profis. Cancellara dementierte alle Betrugsgerüchte.

Weitere Nahrung erhielten die Spekulationen um mögliches Technik-Doping im September 2014. Der Kanadier Ryder Hesjedal war während einer Etappe der Spanien-Rundfahrt gestürzt. Als der Sky-Profi sich wieder aufrappelt und sein Rad aufheben will, beginnt es, sich plötzlich wie von Geisterhand selbst zu drehen und nimmt dabei sogar richtig an Fahrt auf. Selbstverständlich dementierte Hesjedal den Gebrauch jeglicher Hilfsmittel. Allerdings hatte der Kanadier 2013 ein bereits zehn Jahre zurückliegendes Dopingvergehen zugegeben – allerdings setzte er da auf „herkömmliches“ Doping. 

Bei der diesjährigen Cross-WM half kein Dementi mehr. Am nicht benutzten Ersatzrad der 19-jährigen Nachwuchsfahrerin Femke van den Driessche aus Belgien wurde ein unerlaubter Hilfsmotor gefunden. Der Sportlerin droht nun eine sechsmonatige Sperre und eine Geldstrafe von bis zu 200 000 Schweizer Franken, umgerechnet rund 180 000 Euro. Van den Driessche dementierte Betrugsabsichten vehement und gab an, ein Mechaniker habe das Rad verwechselt. Sicher ist: Die Belgierin geht als erste überführte Technik-Doperin in die Geschichtsbücher ein.

Der Radsport-Weltverband ist sich der Problematik offensichtlich bewusst und führt stichprobenartig mit Scannern Untersuchungen an den Rädern durch. Denn das Technik-Doping im Radsport scheint effizienter zu sein als ein gedopter Fahrer im Sattel. „Man kann im Radsport mehr mit Elektronik als mit Chemie bewirken, und das mit deutlich weniger Schäden für die Gesundheit“, zitierte die italienische Sportzeitung „La Gazzetta dello Sport“ einen nicht namentlich genannten Experten. Der Informant behauptet, dass es eine ganze Reihe von Interessenten für einen Hilfsmotor im Rad gebe. Allein im vergangenen Jahr habe er rund 1200 solcher Geräte verkauft, behauptet er.

Das Equipment sei im Hinterrad versteckt, koste bis zu 200 000 Euro und könne mithilfe einer Fernbedienung aktiviert werden, so der Informant weiter. Der Mechanismus sei im Inneren der Hinterradfelge versteckt. Rund 60 Watt erzeuge der Hilfsmotor. „Das genügt, um einen durchschnittlichen Radprofi in Superman zu verwandeln“, heißt es in der „Gazzetta“. Auffallen würde der Motor nicht. Es genüge aber, die Leistungskurve einiger Rennfahrer zu beobachten, um festzustellen, wer mit Technik-Doping unterwegs sei.

Cancellara betonte: „Le moteur, c'est moi!“ („Der Motor bin ich!“) Es gebe keinen Grund, "etwas anderes zu scannen als meine Beine“, so der Schweiizer weiter. Diese Sätze gelten aber wohl nur so lange, bis die Scanner den nächsten Hilfsmotor entdecken.