Der Prozess hätte Monate dauern können
Doch wie arbeitet die Justiz einen solchen Fall auf? Fast 1000 Ausweis- oder Passantragsverfahren der vergangenen Jahre einzeln durcharbeiten? In jedem Fall Unterlagen sichten? Gar die Antragsteller als Zeugen hören? Ein solcher Prozess würde Monate dauern.
Ein Prozess wird ökonomisch
Deshalb einigten sich die Prozessbeteiligten auf Anregung des Schöffengerichtsvorsitzenden Meyer auf eine prozessökonomische Verfahrensweise: Das Verfahren wurde auf die Verstöße der Jahre 2014 und 2015 beschränkt - von den rund 900 Fälle blieben so 364 Fälle zur Aburteilung übrig. Diese Verfahren gestand der Angeklagte. Alle anderen Taten im Zeitraum davor wurden eingestellt. Amtsrichter Meyer und auch Staatsanwalt Julius Klug betonten, dass diese Verfahrensweise dem Angeklagten keinerlei Vorteile bei der Strafe bringt.
Gesamtstrafenbildung heißt nicht Aufsummieren
Das liegt am Modell der Gesamtstrafenbildung: Bei derartigen Serienstraftaten kann es keine Aufsummierung der Einzelstrafen geben. Die höchst mögliche Einzelstrafe sah der Staatsanwalt bei neun Monaten für jene Fälle, in denen die Gebühren für einen elektronischen Reisepass in Höhe von 59 Euro veruntreut wurde. Für die Fälle, in denen die geringste Gebühr für Personalausweise in Höhe von 22,80 Euro veruntreut wurden, setzte der Ankläger drei Monate an. Bei einer Addition der Einzelstrafen wäre eine astronomisch hohe Gesamtstrafe das Ergebnis. Die Regel der Gesamtstrafenbildung lautet: Die höchste Einzelstrafe maßvoll erhöhen. Während der Staatsanwalt eine Freiheitsstrafe von 22 Monaten beantragte, sprach sich Verteidiger Carsten Niewerth für eine solche von 15 Monaten aus. Beide befürworteten Bewährung.
Er hat schon 8500 Euro zurückgezahlt
Der Grund dafür: Der Angeklagte hat wieder einen Job. Er hat bereits 8500 Euro Schaden an die Stadt Hollfeld zurück gezahlt. Er wies nach, dass er während der Jahre seiner Untreue aufgrund depressiver Verstimmungen mit Tranqulizern behandelt worden war - die Medikamente bewirkten zumindest eine Enthemmung. Seine Freundin, die aus allen Wolken gefallen war, als er entlassen wurde, hielt zu ihm - und heiratete ihn sogar. Und, so sagt der Angeklagte: "Von der Spielsucht bin ich weg." Im Prozess wurde auch ein Brief verlesen, den der Angeklagte im April 2015 an Bürgermeister Barwisch geschrieben hatte. Darin schreibt er von "großer Scham", das Vertrauen der Bürgermeisterin und aller Mitarbeiter im Rathaus derart missbraucht zu haben. Er habe das "Rad des Verderbens" nicht mehr stoppen können und bittet, "nicht allzu schlecht" über ihn zu urteilen.
Die Bewährungsauflage kriegen die Kinder
Das Schöffengericht verhängte die vom Staatsanwalt beantragten 22 Monate und sah ebenfalls die besonderen Umstände für die Bewährung. Das Gericht verhängte eine Bewährungsauflage: 2000 Euro muss der Verurteilte an die Kindertagesstätte Hollfeld zahlen.
Im Hollfelder Rathaus ist das Kassensystem mittlerweile umgestellt worden - nach dem Motto Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.