Protest bei Gabriels Weihnachtsvorlesung

Von Peter Rauscher
Cornelia Nicodemus und andere Demonstranten schilderten dem Geschäftsführenden Außenminister Sigmar Gabriel vor dem Audimax die umstrittenen Abschiebungsfälle aus Bayreuth und Kulmbach. Foto: Peter Kolb Foto: red

Glühweinduft und Lebkuchen im Foyer des Audimax, davor der Lichterschein von vielen Dutzend Kerzen: Rund um die Weihnachtsvorlesung des Geschäftsführenden Außenministers Sigmar Gabriel an der Uni Bayreuth am Dienstagabend war dennoch vielen Menschen nicht weihnachtlich zumute. Und der Minister, der an diesem Abend eigentlich nur über die großen Fragen der Außenpolitik reden wollte, wurde mit ganz konkreten hässlichen Folgen eines globalen Konflikts in Bayreuth konfrontiert.

 
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Mehr als 1200 Interessenten waren gekommen, um Gabriels Vortrag über „Frieden und Gerechtigkeit weltweit“ im Audimax und im benachbarten Hörsaal auf Videoleinwand zu verfolgen. Rund 120 Menschen folgten einem Aufruf von Bunt statt Braun, Amnesty International und mehreren Hochschulgruppen und bildeten vor dem Hörsaal eine Lichterkette mit Kerzen. Sie demonstrierten gegen die Abschiebung einiger Flüchtlinge aus der Region, insbesondere gegen die Abschiebung von Baryalai Salimi nach Afghanistan in der vergangenen Woche.

"Erbarmen mit Afghanen"

„Afghanistan ist kein sicherer Ort, 2016 wurden dort mehr als 11.000 Menschen getötet oder verwundet“, sagte Elena Nitzler, Gruppensprecherin von Amnesty International. Für Sophia Sipple von Bunt statt Braun setzte die Lichterkette ein „Zeichen gegen die Abschiebungen“. Cornelia Nicodemus warf Sigmar Gabriel vor, er habe als SPD-Minister die strengeren Asylgesetze mitgetragen, die zu dieser Abschiebepraxis führten. „Erbarmen mit Afghanen“ stand auf einem Schild, das sie hochhielt. „Herr Gabriel, holen Sie Baryala und Ofeliya zurück“, war auf einer anderen Tafel zu lesen. Ofeliya ist ein 13-jähriges Mädchen, das zusammen mit seiner Mutter aus Kulmbach nach Aserbaidschan abgeschoben worden war (wir berichteten). In die Lichterkette reihte sich auch Universitätspräsident Stefan Leible ein. „Aus der Berichterstattung ist mir nicht klar geworden, warum Baryalai Salimi eigentlich abgeschoben wurde“, sagte Leible dem Kurier.

Minister will Fälle prüfen

Offiziell war die Lichterkette schon beendet, als Gabriel gegen halb sieben eintraf. Nicodemus und einige verbliebene Demonstranten gingen auf den Minister zu, übergaben ihm einen offenen Brief und trugen ihm die Fälle aus Bayreuth und Kulmbach vor. Gabriel hörte einige Minuten ruhig zu, stellte Fragen und antwortete, eine Abschiebung nach Afghanistan sei nur aus drei Gründen möglich: Wenn es sich um einen terroristischen Gefährder handle, wenn eine schwere Straftat vorliege oder wenn der Geflohene seine Identität dauerhaft verschleiere. All das sei bei Baryalai Salimi nicht der Fall, versicherten die Demonstranten. „Ich kann Ihnen hier nichts versprechen, außer, dass ich die Fälle prüfen und Ihnen dazu meine Einschätzung mitteilen werde“, schloss der Minister.

Europa muss Macht entfalten

Bei seinem Vortrag im Audimax ging Gabriel auf die Protestaktion nicht ein, zumindest nicht direkt. Die zentrale Botschaft seiner Weihnachtsvorlesung lautete: In einer „unbequemer gewordenen Welt“ muss sich Europa neu finden, seine außenpolitischen Interessen definieren und seine Macht entfalten. Ob auch militärisch, ließ Gabriel offen. Bislang sei Europa „an der Seitenlinie“ gestanden, gerade Deutschland habe sich nach den zwei Weltkriegen herausgehalten und die USA machen lassen. Dies sei nicht länger möglich, und zwar nicht nur wegen des Präsidenten Trump. Die USA hätten sich schon unter Obama mehr in den pazifischen Raum orientiert, dies werde sich fortsetzen, glaubt Gabriel.

Der Rückzug der Amerikaner zum Beispiel aus Libyen und Syrien habe jeweils ein Vakuum erzeugt, das Russland und Iran gefüllt hätten. In Asien und Afrika dringe China in Räume vor, die früher die USA dominiert hätten. „Die USA lassen Akteuren mit anderen Wertvorstellungen Raum“, analysierte der Minister. Dass universelle Werte in immer mehr Regionen infrage gestellt werden, hat demnach auch mit der Zurückhaltung Europas zu tun – im Nahen Osten, in Afrika in den Ländern also, aus denen die Menschen nach Europa fliehen. Wo sie dann kaum willkommen sind. Können Abschiebungen wie die von Baryalai Salimi gerecht sein? Auf diese Frage gab Gabriel keine Antwort.

Das Video von Gabriels Weihnachtsvorlesung finden Sie hier

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