Jeder mit Jedem Politiker und Partyvolk auf der Bierwoche

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 Foto: red

Eine Stadt im Ausnahmezustand: Wenn in Kulmbach Bierwoche ist, dann ist alles anders als sonst. Die Kulmbacher feiern sich selbst und ihr Bier mit Gästen aus aller Welt. Die Unterschiede verschwinden, jeder kann mit jedem, denn unter dem Bierzelthimmel sind alle gleich. Eindrücke vom ersten Bierfesttag am Samstag.

 
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AUFMARSCH: "Meinst du, wir finden noch einen Platz?" Um zehn vor elf läuft das Paar in Lederhosen und Dirndl mit großen Schritten Richtung Zentralparkplatz. "Toni, du darfst auf keinen Fall ohne Mama oder Papa irgendwohin", wird das Kind im Buggy ermahnt. Sein Kopf ist hochrot, kein Wunder, ist es doch bereits jetzt um die 30 Grad heiß.

Karierte Hemden, Trachten in Modefarben - ihre Dichte nimmt zu, je näher man dem Zentralparkplatz kommt. Wer Glück hat, erwischt einen Platz im Schatten an der Feuerwache. Von hier aus ist die Blasmusik zu hören, die vom nahe gelegenen Marktplatz herüberhallt. Dann knallt's: Die Schüsse der Böllerschützen. "Jetzt kommen'se gleich", erklärt die Mutter dem Jungen. Die Büttner, die Prominenz aus Stadt und Politik, die Stadtkapelle.

Auf der Bühne lobt Brauereivorstand Markus Stodden die Biermarke, "die stabilste Währung der Welt". Der Oberbürgermeister reimt: "Der englische Prinz, der BVB, alles ist uns worscht, nichts davon stillt unseren Durst." Und dann ist angezapft, das Bier fließt. "Am Bierfest können wir zeigen, wie schön es bei uns ist", findet Thomas Hacker (FDP), der Kulmbach aus seiner Zeit als Steuerberater kennt. Zum fünften Mal ist Monika Hohlmeier da (CSU), die das Bierfest familiärer findet als das Oktoberfest, nicht so anonym. "Hier redet jeder mit jedem."

Zum ersten Mal gesichtet wird Bundestagskandidatin Emmi Zeulner (CSU) aus Lichtenfels, die ja "KT" zu Guttenberg beerben will. Nach zwei Minuten im vollen Stadel klebt die Kleidung am Körper. Der Durst steigt.

AUSKLANG: "Des gibt's doch net!" Zwei Männer, je acht Bierflaschen. Abends gegen zehn stehen sie an der Mönchshof-Braumeisterei am Marktplatz, versuchen im Rekordtempo Bügelverschlüsse auf die dunkelbraunen Flaschen zu montieren. Der Rekord des Tages liegt bei rund 50 Sekunden, die beiden, ein Kulmbacher und ein Kölner brauchen länger. Rund um den Bierstadel stehen drei Mal so viele Menschen wie am Vormittag. Denn jetzt ist es etwas kühler, aber immer noch 24 Grad warm. Nicht mehr Mütter, Väter und kleine Kinder, sondern die großen Kinder alleine. Die Jugendlichen sind in der Mehrzahl, die Generation 30 plus in der Minderheit.

Eine sagt: "Bei den jungen Frauen sehen die Dirndl besser aus." Eine Blondine unterhält sich mit einem dunkelhäutigen Mann aus Liverpool, ein junger Kerl in Lederhosen und mit Zopf steht Arm in Arm mit einem Grauhaarigen im Gang. Die Wilderer heizen ein. Der Stadel rockt.

Ein Mädchen streift die weißen Pumps ab, hängt sie über das Gestänge des Biertisches. Barfuß steht sie besser. Die Atmosphäre erinnert an eine Sauna, heiß und stickig. Stress am Ausschank im Eku-Eck: Neun Tage lang arbeiten dort 15 Schankhilfen, sind seit sieben auf den Beinen. "Du bringst in einer Bierwoche 100 Stunden zusammen", sagt einer und schiebt die nächste Maß auf den Tresen. "Nachts ist das manchmal schon brutal."

ABGANG: "Weißt du, wo die noch hin sind?" Mitternacht. Die lärmende Musik ist aus. Man sucht und findet sich wieder. Einige breiten Ganges oder wippend leicht auf den Zehenspitzen gehend.

Ein Rentnerpaar grast das Umfeld des Stadels ab, sucht nach Pfandflaschen und liegen geblieben Krügen. Das feiernde Volk zieht es in die Kneipen, in die Liquid Bar, die Feuerwache, das Casblanca. Abtanzen in der Sohle, DJs legen auf, Bierfestbeats. Um vier Uhr ist noch nicht Schluss.

Fotos: Koslowsky

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