Piwernetz: Wir sind eine Aufsteigerregion

Regierungspräsidentin Heidrun Piwernetz schwärmt von ihrer Heimatregion Oberfranken. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Seit dem 1. März ist Heidrun Piwernetz die erste Frau an der Spitze der Regierung von Oberfranken. Nach Stationen in Brüssel und München ist sie zurück in ihrer Heimat. Dass sie zum Jobangebot sofort ja gesagt hat, hat sie bisher nicht bereut. Sie schwärmt von Oberfranken. Warum, das erklärt sie im Kurier-Interview.

 
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Frau Piwernetz, Sie sind die erste Regierungspräsidentin von Oberfranken. Auch in anderen politischen Spitzenpositionen gibt es in der Region viele Frauen. Müssen wir noch über das Thema diskutieren?

Heidrun Piwernetz: Der Anteil kann sich immer noch steigern. Und ich würde mich sehr freuen, wenn mehr Frauen Führungspositionen anstreben. Im Vergleich mit anderen Regionen sind wir aber schon sehr gut aufgestellt.

Um was haben Sie sich im neuen Amt als erstes gekümmert?

Piwernetz: Mir ging es zunächst darum, möglichst viel von der Regierung und Oberfranken aufzunehmen. Dazu habe ich viele Gespräche im eigenen Haus geführt, aber auch mit Abgeordneten, Landräten, Bürgermeistern, Verbänden und Kirchen – also mit wichtigen Akteuren in Oberfranken.

Wie ist die Stimmung?

Piwernetz: Gut, Aufbruchstimmung. Die Menschen in der Region wollen nach vorne. „Das Jahrzehnt Oberfrankens hat begonnen“ – das ist ein Slogan, der mir außerordentlich gut gefällt, das ist meine Wahrnehmung.

Man sagt, Oberfranken sei im Vergleich zu Südbayern abgehängt. Woher kommt Ihre Wahrnehmung?

Piwernetz: Man muss sich nur die Fakten anschauen. Nehmen wir allein die Zahl der Arbeitsplätze, 53 600 Arbeitsplätze mehr in den vergangenen zehn Jahren. Und die sehr niedrige Arbeitslosenquote. Die Menschen hier sind zupackend, auch ehrenamtlich. In ganz Bayern gibt es sieben Weltkulturerbestätten, zwei davon allein in Oberfranken. Wir sind auch in anderer Hinsicht gut aufgestelllt, ob bei Kunst, Kultur oder Lebensqualität. Mir fällt dazu ein Zitat der Bundeskanzlerin ein: „Für eine bessere Zukunft überraschen wir uns damit, was möglich ist und was wir können.“

Sie waren von 2004 bis 2007 Vizepräsidentin der Regierung von Oberbayern. Ist der Unterschied zwischen hier und dort, dass man in Oberbayern selbstbewusster ist?

Piwernetz: Das mag sein. Aber auch in Oberfranken hat sich sehr viel bewegt, denken Sie nur an die Entwicklungsagentur Oberfranken Offensiv. In sämtlichen Ländern der Erde trinken die Menschen oberfränkisches Bier, alle 30 Sekunden wird irgendwo auf der Welt eine künstliche Hüfte aus Marktredwitz implantiert, überall essen und trinken die Menschen von Rosenthal-Geschirr, aus Tettau kommen die edelsten Parfumflakons, oberfränkische Teile finden sich in Millionen von Autos dieser Welt.

Ein wichtiges Thema in Bayern sind die gleichwertigen Lebensverhältnisse in allen Regionen. Ist da noch ein Weg zu gehen?

Piwernetz: Wir sind auf dem Weg dahin. Natürlich stellen sich noch wichtige Fragen. Gerade im ländlichen Raum, zum Beispiel wie die ärztliche Versorgung sichergestellt werden kann. An solchen Aufgaben arbeiten wir als Regierung konkret mit. Neuere Entwicklungen wie die Digitalisierung bieten hier erhebliche Chancen, die zu einer Renaissance des ländlichen Raumes führen. Die Arbeitswelt verändert sich sehr stark dahin, dass man nicht mehr an einem bestimmten Ort sein muss. Und das ist eine Entwicklung, die uns hier sehr entgegen kommt.

Wenn man etwas voranbringen möchte, braucht man Gestaltungsspielraum. Sie sind als Regierungspräsidentin Chefin einer Behörde. Haben Sie Gestaltungsspielraum?

Piwernetz: Ja, zum Beispiel im Rahmen der Förderprogramme. Nehmen Sie die Städtebauförderung. Da versuchen wir natürlich, diejenigen Projekte zu unterstützen, die positive Entwicklungen verstärken. Eines von vielen gelungenen Beispielen ist ist Mitwitz bei Kronach. Da stand viele Jahre lang eine Scheune in der Ortsmitte leer. Dort praktiziert jetzt wieder eine Arztfamilie in der vierten Generation. Dann ist noch eine Logopädin eingezogen. Und das in einer qualitätvollen, modernen Architektur. So profitieren jetzt alle im Ort.

Den ersten Schritt müssen aber die Kommunen machen.

Piwernetz: Und das tun sie natürlich auch. Wir versuchen außerdem, solche Entwicklungen aus allen Bereichen der Regierung anzustoßen, zusammen mit den Kammern, den Verbänden und allen wichtigen Akteuren vor Ort. Die guten Beispiele wollen wir in die Region tragen. Da will ich natürlich die eine oder andere Herausforderung nicht wegdiskutieren. Aber wir sind eine Aufsteigerregion, und so dürfen wir uns auch bezeichnen.

Sie sprechen von Herausforderungen. Welche sind das?

Piwernetz: Um ein Stichwort zu nennen: Demografie. Wir haben mehr als 600 Hidden Champions in Oberfranken – also Firmen, die in ihrer Nische Weltmarktführer sind. Diese Firmen brauchen Fachkräfte, und wir können diese Fachkräfte nicht aus dem eigenen Nachwuchs stellen. Bieten wir attraktive Rahmenbedingungen, werden wir diese Fachkräfte auch von außerhalb gewinnen. Auf dieses Ziel arbeiten alle gemeinsam hin.

Mit was kann Oberfranken für sich werben? Aus eigener Erfahrung würde ich sagen: Hohe Lebensqualität zu erschwinglichen Preisen.

Piwernetz: So ist es. Wir haben Kunst und Kultur von internationalem Rang zu bieten. Die angesprochen beiden Welterbestätten, die Bayreuther Festspiele, die Bamberger und die Hofer Symphoniker, begeisternde Sportteams. Jetzt starten die Luisenburgfestspiele in Wunsiedel. Und ich müsste eigentlich noch viel mehr aufzählen. Wenn man dann erschöpft ist von dieser vielen Kunst und Kultur, dann kann man ein wunderbares Bier genießen.

Ihrem Vorgänger im Amt hat als Makel angehaftet, dass er Regierungspräsident von Oberfranken wurde, nachdem er als Oberbürgermeister von Fürth abgewählt worden war. Wollten Sie diese Stelle hier unbedingt haben?

Piwernetz: Als das Angebot kam, war mein Impuls sofort: Ja! Die Regierung als modernes regionales Kompetenzzentrum ist eine spannende Behörde mit tüchtigen Mitarbeitern. Außerdem wollten mein Mann und ich die Vorzüge der Region auch wieder persönlich erleben.

Das Gespräch führte Moritz Kircher

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