Patienten- und Pflegebeauftragter Hermann Imhof und VdK begrüßen die Pflegereform Pflege: Viele kennen ihre Rechte nicht

Von Katharina Wojczenko

Immer älter und kränker: Laut dem aktuellen Pflegereport müssen im Jahr 2060 etwa 4,5 Millionen Menschen in Deutschland gepflegt werden. Die Pflegereform bringt Verbesserungen, sagte Hermann Imhof, Patienten- und Pflegebeauftragte der Bayerischen Staatsregierung, bei der Jahresabschlussversammlung des VdK-Kreisverbands. Was es Betroffenen bringt, was die Knackpunkt sind und was der VdK Bayreuth sagt.

 
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Hauptverbesserung: Pflegebedürftigkeit bezieht sich bisher vor allem auf körperliche Beeinträchtigung. So fielen beispielsweise Menschen mit Demenz großteils durchs Raster. Künftig werden auch kognitive und psychische Beeinträchtigungen bei der Einstufung gleichermaßen berücksichtigt.

Davon werden im Kreis Bayreuth nach Schätzung des VdK einige tausend Menschen profitieren. Zusätzliche Betreuungskräfte sollen Fachkräfte entlasten und die Patienten geistig rege halten. Weil sie keine aufwändige Ausbildung benötigen, könnte dies ein Arbeitsfeld für Flüchtlinge sein, sagt Kreisvorsitzender Christoph Rabenstein.

Stationäre Pflege: Der Betreuungsschlüssel in Heimen verbessert sich von 1:24 auf 1:20. „Optimal wäre ein Schlüssel unter zehn“, sagt Kreisgeschäftsführer Christian Hartmann. Aber das sei nicht zu bezahlen. Immerhin: In Bayreuth ist die Betreuungssituation bereits „eher leicht überdurchschnittlich“.

Personal: Fachkräfte sind in der Pflege Mangelware, die psychische und körperliche Belastung sind hoch. Deshalb müssen sich Arbeitsbedingungen und Bezahlung verbessern, fordern VdK und Imhof, denen das Gesetz hier nicht weit genug geht. In Bayern liegt der Krankenstand von Pflegekräften 30 Prozent über dem Durchschnitt, sagt Imhof.

Ein Negativ-Beispiel, das auch im Kreis Bayreuth einzelne Einrichtungen laut Hartmann praktizieren, sind die geteilten Dienste. Pflegepersonal wird in Spitzenzeiten für zwei, drei Stunden angefordert, kurz heimgeschickt und dann wieder geholt. „Das zerpflückt den ganzen Tag“, sagt Hartmann. Zumindest in Kulmbach, wo Hartmann an der Krankenpflegeschule am Klinikum unterrichtet, mangele nicht es an Nachwuchs. Allerdings hat jeder, der dort die Ausbildung beginnt, die Aussicht auf Übernahme.

Angehörige: Wer pflegt statt arbeitet, wird künftig mehr unterstützt. Die Pflegeversicherung zahlt für Angehörige Rentenbeiträge, Arbeits- und Unfallversicherung wird verbessert. Aber: „Der Kindererziehung ist die Pflege von Angehörigen immer noch nicht gleichgestellt“, sagt Hartmann. So werden Menschen, aus dem Arbeitsmarkt aussteigen, weil sie einen Angehörigen mit Pflegestufe drei betreuen, nur 20 Euro pro Jahr auf dem Rentenkonto gutgeschrieben. Kümmern sie sich um ihr Kind, sind es 27 Euro.

Beratung: Pflegebedürftige erhalten künftig rechtlichen Anspruch auf Beratung. „Viele wissen oft nicht nicht, welche Leistungen ihnen zustehen“, sagt Imhof. Wie genau die Beratung aussehen soll, ist aber unklar, sagt Hartmann. Die Beratung der Pflegekassen sei oft unzureichend, kritisiert Imhof. Dabei sei dies ihre Aufgabe. Pflegestützpunkte sollten daher ausgebaut werden. „Ich habe damit in Nürnberg gute Erfahrungen gemacht“, sagt Imhof.

Aber: „Bayern hinkt bei den Pflegestützpunkten im bundesweit hinterher“, sagt Rabenstein. Viele andere Institutionen deckten bei der Beratung nur Teilbereiche ab. Deshalb würde der VdK oft diese Aufgabe übernehmen. „Die Pflegestützpunkte würden unsere Mitarbeiter entlasten“, sagt Rabenstein.

Was die meisten nicht wissen: Es gibt seit diesem Jahr mehr Hilfe, um Angehörige zu entlasten. Für Tages- und Ersatzpflege gibt es mehr und länger Geld. Umbaumaßnahmen, zum Beispiel für ein barrierefreies Bad, bezuschusst die Kasse mit 4000 Euro statt bislang 2600 Euro – und unabhängig von Einkommen und Vermögen, sagt Hartmann. Außerdem gibt es Geld für niederschwellige Angebote. Zum Beispiel, wenn Angehörige ins Kino möchten und jemand bezahlen, um dem Kranken Gesellschaft zu leisten.

Pflegeversicherung: Am Ende läuft es auf eine Frage hinaus, sagt Hartmann: Was ist uns Pflege wert? Fest steht: Die Pflegeversicherung wird nie Vollkasko sein. Mit der zweiten Stufe der Reform steigt der Beitrag um 0,2 Prozent. Patientenbeauftragter Imhof fordert sogar ein Prozent. Geschäftsführer Hartmann plädiert für 0,5 Prozent, um Geringverdiener nicht noch mehr zu belasten. Aber er sagt auch: Was die Versicherung leistet, reicht nicht.

Für einen Platz im Pflegeheim bei Pflegestufe 1 betrage der Eigenanteil immer noch rund 1400 Euro monatlich. „Dafür reicht bei den meisten unserer Mitglieder die Rente nicht. Selbst wenn sie 20 000 Euro gespart haben, sind die in zwei Jahren weg.“ Dann werden die Kinder zur Kasse gebeten. Das wollten die wenigsten. Zusatzversicherungen setzten auf Risiko. „Es ist immer besser, wenn das gesetzlich geregelt ist, weil der Staat das Geld langfristig sicher anlegt.“

Neue Angebote auch für Nicht-Mitglieder: Monika Rockstroh ist die erste VdK-Lotsin in Bayreuth und leitet Hilfesuchende zu dem passenden Beratungs-angebot. Sie soll die Hauptamtlichen entlasten, indem sie Menschen, für die der VdK nicht zuständig ist, weiter an die richtige Stelle verweist. Die ehrenamtlichen VdK-Pflegebegleiter kommen nach Hause und leisten pflegebedürftigen oder alten Menschen stundenweise Gesellschaft. Sie verschaffen Angehörigen Zeit für sich.

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