Die Evangelische Landeskirche fordert von Anne-Kathrin Kapp-Kleineidam ein Bekenntnis Pfarrerin zieht Stadtratskandidatur zurück

Von Frank Schmälzle
Stadtratsarbeit hätte gut gepasst: Anne-Kathrin Kapp-Kleineidam hat eine halbe Pfarrstelle an der Stadtkirche inne. „Ich hätte Kapazitäten gehabt.“ Und Interesse sowieso. Jetzt zieht sie ihre Kandidatur zurück. Foto: Schmälzle Foto: red

Zunächst hatte das Landeskirchenamt keine Probleme mit der Kandidatur von Anne-Kathrin Kapp-Kleineidam. Jetzt aber doch: Die Pfarrerin der Stadtkirchengemeinde muss ihre Kandidatur für die Stadtratswahl aufgeben.

 
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Beim Propheten Jeremia heißt es: „Suche der Stadt Bestes.“ Für Anne-Kathrin Kapp-Kleineidam gilt dieses Bibelwort zumindest in einer Hinsicht nicht mehr. Die Pfarrerin der Stadtkirchengemeinde zieht ihre Kandidatur für die Stadtratswahl zurück. Weil sie muss. Weil das Landeskirchenamt es von ihr fordert. Kapp-Kleineidam war auf Platz 7 der Grünen-Liste nominiert – durchaus aussichtsreich, um bei der Wahl am 16. März tatsächlich in den neuen Bayreuther Stadtrat einzuziehen.

Der Paragraf 15 des Pfarrdienstgesetzes trifft die 45-jährige Seelsorgerin der Stadtkirchengemeinde. Darin steht: Pfarrer dürfen nicht Politiker sein. Sie dürfen sich weder in den Landtag noch in den Bundestag wählen lassen. Und laut eines Zusatzes, den die Landesynode erst 2012 abgesegnet hat, dürfen sie in Bayern auch kein Stadtratsmandat antreten. Tun sie es doch, sind sie ihr Amt als Pfarrer sehr schnell los. Wahlkämpfende Geistliche werden beurlaubt, bekommen aber ihren Verdienst. Schaffen sie es in einen Stadt- oder Gemeinderat, streicht die evangelische Kirche auch die Bezüge. Pfarrer dürfen dann keinen Gottesdienst mehr halten, als Seelsorger tätig sein. Sie geben ihr Amt für die Zeit in der Politik ab.

Bevor die Grünen ihre Stadtratsliste aufstellten und bevor sie sich zur Kandidatur entschloss, hatte sich das für Anne-Kathrin Kapp-Kleineidamm noch ganz anders angehört. Beim Landeskirchenamt hat sie eigenen Worten nach angefragt und um Klärung gebeten, ob eine Kandidatur wohl in Ordnung ginge. Und auch im Bayreuther Dekanat. „Niemand hatte Einwände.“ Die kamen dann aber im Dezember schriftlich vom Landeskirchenamt. Die Botschaft war eindeutig: Wenn die Bayreuther Pfarrerin kandidiert, muss sie ihr Kirchenamt ruhen lassen.

Das ist kein Gebot, an das sich nur Kapp-Kleineidam halten muss. Diese Regelung, sagt sie, „macht es für alle Geistlichen in Bayern unmöglich, auf kommunaler Ebene politisch tätig zu werden. Ein Mitglied unserer Gemeinde nennt das einen politischen Zölibat.“ Wohlgemerkt nur in Bayern, in anderen Bundesländern lassen Landeskirchen ihre Pfarrer durchaus in die Politik. Beispiel Baden Württemberg: Die Landeskirche dort hat eine Notbremse eingebaut. Wenn das kommunalpolitische Mandat eines Pfarrers überhand nimmt, wenn er seinen Dienstpflichten nicht mehr in vollem Umfang nachkommt, schreitet die Kirche ein. Sonst nicht. In Baden-Württemberg traten bei der jüngsten Kommunalwahl 22 Pfarrer an, 18 wurden gewählt.

Anne-Kathrin Kapp-Kleineidam will nicht schimpfen. „Ich schätze sehr vieles an meiner Kirchen – zum Beispiel, dass sie die Gleichstellung von Mann und Frau wirklich geschafft hat.“ Und doch quält sie ein Glaubensproblem: Sie kann nicht glauben, dass ein Gesetz, das Pfarrer einschränkt und den Kommunen das Wissen und Können von Geistlichen vorenthält, noch in die Zeit passt. Am Ende aber musste sich die Stadtkirchen-Pfarrerin entscheiden. Sie tat es zugunsten der Kirche. Nur in zweiter Linie wegen des Geldes. „Mir ist mein Amt als Pfarrerin zu wichtig.“

Aus der Zeit gefallen ist dieser Bayern-Zusatz im Gesetz, so sieht das auch die Kreisvorsitzende der Grünen, Ulrike Gote. Zumal es Mittel und Wege gibt. Zum Beispiel bei den bayerischen Beamten: Die dürfen sich in Stadt- oder Gemeinderäte wählen lassen, ihr Mandat ausüben, wenn sie dabei ihre Dienstpflichten nicht verletzten. Im Bayreuther Stadtrat sitzen einige Beamte, auch auf den Kandidatenlisten der Parteien und Gruppierungen für die nächste Stadtratswahl findet man Beamte. Und keiner regt sich darüber auf. Dass die evangelische Landeskirche ihre Pfarrer an der kommunalpolitisch kurzen Leine hält, um Unfrieden in ihren Gemeinden zu vermeiden, versteht Gote ebenso wenig. Gut möglich, dass die Kirche die Gläubigen unterschätzt. „Es darf doch wohl jeder wissen, wo ein Pfarrer steht. Dann kann man diskutieren.“ Anders herum übrigens habe die Evangelische Landeskirche deutlich weniger Berührungsängste mit der Politik. Vier Landespolitiker arbeiten in der Synode mit. Und auch auf lokaler Ebene, sagt Gote, scheut man die Nähe nicht. Im Oberbürgermeisterwahlkampf haben sich Kirchenvertreter mit dem damaligen CSU-Bewerber Michael Hohl gezeigt.

Ulrike Gote, die auch Vizepräsidentin des Bayerischen Landtags ist, will die Sache nicht einfach auf sich beruhen lassen. Bei bevorstehenden Treffen mit dem Landesbischof und Synodalen wird sie den politischen Zölibat für evangelische Pfarrer in Bayern ansprechen. Eine schnelle Lösung erwartet sie nicht. „Das wird das Bohren dicker Bretter.“ Bis dahin müssen die Pfarrer in Bayern Jeremias Wort „Suche der Stadt Bestes“ auf andere Weise folgen. So wie es Anne-Kathrin Kapp-Kleineidam tun wird. Sie ist und bleibt ein politischer Mensch. Auch ohne Stadtrat.

INFO: Nach dem Verzicht von Anne-Kathrin Kapp-Kleineidam rückt die Studentin Karin Labsch auf Rang 44 der Grünen-Liste nach.

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