Patrick Salmen: Aufregend unaufgeregt

Trifft den Nerv des Publikums: Patrick Salmen bei der Lesung im Glashaus. Foto: Peter Alexander/red Foto: red

Poetry Slam und klassische Literatur: Das geht zusammen. Wie man seit Volker Strübing weiß. Es passt aber auch ganz anders  - wie Patrick Salmen im Glashaus bewies.

 
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Er sieht aus wie Sänger Woodkid. Aber so sehen ja jetzt inzwischen viele Hipster aus. Ein Rapper-Käppi und Vollbart, die Club Mate steht auf dem Tisch. Dabei kommt Patrick Salmen gar nicht aus Berlin – und das, obwohl er Literat ist. Ein junger Literat. Aus Dortmund. Soll es geben. Er ist einer der bekannteren Lesebühnen-Autoren der jüngeren Generation.

"Nimm Drogen!"

Was soll er auch anderes machen? Denn die Stimme von Patrick Salmen klingt wie Gerd Heidenreich nach einer Kreide-Kur. Eine Stimme, die so recht geeignet scheint für Gute-Nacht-Geschichten. Und tatsächlich: Mit seiner sonoren Ruhrgebietsstimme und dem salbungsvollen Tonfall spricht er auch oft über Kinder. Die seien zwar ein wenig dumm – aber auch sehr süß. Jugendliche wiederum, die könne er ja überhaupt nicht leiden. Wahrscheinlich wäre er der unmotivierteste Streetworker aller Zeiten. Seine Ratschläge an Pubertierende: „Spring ruhig.“, „Schule? Anstrengen lohnt sich bei dir jetzt auch nicht mehr.“ Oder: „Dir geht’s scheiße? Nimm Drogen.“

Rappelvolles Glashaus, und das gleich doppelt

Seine Philosophie angewandter Anti-Motivation kommt an im Glashaus. Das durchweg studentische Publikum lacht sich bunt. Gerade, weil Salmen nicht zu den lauten, marktschreierischen Poetry Slammern gehört, wirken die starken Aussagen. Er wirkt wie dieser ruhige Kumpel, der fast nie etwas sagt, aber dann plötzlich für die größten Brüller sorgt.

Nur hat Salmen diese Art kultiviert. Dass er dabei nicht in die Beliebigkeit der Comedy abdriftet, verdankt er seiner präzisen Sprache. Aber auch dem Umstand, dass er sich eben nicht ans Publikum anbiedern möchte. Auch anspruchsvollere Passagen wirken. In einem dreiteiligen Gedicht-Zyklus spricht Salmen von Beginn, Höhepunkt und Verfall einer Paarbeziehung. „Wir sind Synchronsprecher unseres eigenen Stummfilms“ – selten hat jemand so gelungen formuliert, dass zwei sich nichts mehr zu sagen haben. Da mag es nicht verwundern, dass Patrick Salmen das Glashaus zweimal an einem Tag rappelvoll gemacht hat. Laut Veranstaltern hätte er wohl auch den Europasaal im Zentrum gefüllt.

Wer Karten ergattern konnte, erlebte eine besondere Vorstellung. Einen Autor, der den Bogen schlägt zwischen dem Poetry Slam und der klassischen Literatur. Einen Unaufgeregten im aufgeregten Betrieb der Sprechbühne.

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