Vertreter der Reformpädagogik im Unterricht Otmar Fischer, Schulleiter, im Ruhestand

Von Dieter Jenß
Für den Schulleiter Otmar Fischer waren Fantasie und Schule kein Widerspruch. Foto: Dieter Jenß Foto: red

Eigentlich wollte Otmar Fischer Meeresbiologe werden. Er wollte zur See fahren. Er wollte in ferne Länder reisen und helfen, die Probleme der Menschheit zu lösen. Das war 1973. Das Schicksal hatte aber anderes mit ihm vor. Am Freitag vergangener Woche verabschiedete sich Fischer als Schulleiter. Für ihn war Fantasie und Schule kein Widerspruch.

 
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Seine Erzählungen „Aus dem Leben eines Schulmeisterleins oder 40 Jahre Lehrer“ beinhalten eine lange Reihe von Erlebnissen, die mehrere Bücher füllen könnten. Sein großes Interesse an der Reformpädagogik zieht sich wie ein roter Faden durch seine Zeit im Schuldienst. Administration war nicht unbedingt sein Ding. Eher waren es Ideen und ihre Umsetzung in die Praxis. 2008 wurde er Konrektor und ab 2011 war er Schulleiter. Da hatte er alle Hebel in der Hand. Auch wenn das Gestalten aufgrund der immer mächtiger werdenden Bürokratie oft auf der Strecke blieb.

EDV raubt die Zeit

„Die Verwaltung mit unzulänglichen EDV-Programmen frisst unwahrscheinlich viel Zeit und Energie“, sagt der Pädagoge. Die Zeit fehle dann für die Kinder. Das es auch einfacher geht, erlebte Otmar Fischer im westafrikanischen Senegal in der Partnerschule. Dort stand die ganze Statistik bei doppelt so vielen Schülern mit Kreide auf einer Tafel geschrieben und wurde täglich aktualisiert. „Ich möchte gar nicht wissen, wie viele Stunden ich für sinnlose Statistikeingaben am Schreibtisch verbracht habe“, so Fischer.

Zurück in die 70er Jahre. Nach dem Abitur landete Otmar Fischer zunächst bei der Bundeswehr. Die Lernort war für ihn aber nicht das Richtige. Nach drei Monaten verweigerte er den Kriegsdienst. Den Zivildienst leistete er in einem Kinderheim in Hof. Dort beschloss er, Lehrer zu werden und begann ein Studium in Bayreuth.

Celestin Freinet als Vorbild

Schon bald aber musste er feststellen, dass dieses mit seinen Erfahrungen aus der Arbeit mit Kindern sehr wenig zu tun hatte. So wandte er sich der Literatur zu und entdeckte einen französischen Reformpädagogen, der ihm seitdem nicht mehr losgelassen hat: Celestin Freinet. Etliche Kontakte führten zu einem Treffen in der damaligen Wohnung der Fischers in Mistelbach. Das war der Beginn der Freinet-Pädagogik in Bayern. Seither, also seit 1980, treffen sich bis heute Menschen aus den verschiedensten Schulen, berichten von ihrer Arbeit und tauschen ihre Ideen aus. Diese Begegnungen gaben Otmar Fischer viel Kraft. Etliche Ideen für den Unterricht brachte er heim nach Mistelbach.

Waldsterben als Thema

Als in den 80er Jahren das Waldsterben immer mehr ins Bewusstsein der Menschen drang, wurde er nach Zell am Waldstein ins Fichtelgebirge versetzt. Er fing an, sich mit den Ursachen auseinander zu setzen. Zusammen mit der Klasse wurde ein Szenario entwickelt, das die Veränderungen vor Ort und die Folgen für die Menschen drastisch zeigten. Fischer verwirklichte sogar ein Stück Demokratie in der Schule: Der Klassenrat wurde zu einem festen Bestandteil seines Unterrichts. Gerade in Klassen mit hohem Migrationsanteil entstand eine neue Gesprächskultur.

Wichtig war Fischer auch der Bezug zum Arbeitsleben. 1981 machte er ein Praktikum in einem Metallberuf. Von da an begleitete er unzählige Schüler in den Betriebspraktikas. „Die Theorie auch in die Praxis umzusetzen, war für mich immer wichtig“, sagt er Fischer dazu.

Nach acht Jahren im Fichtelgebirge wechselte Fischer in die Fränkische Schweiz. Nach einer achten Klasse hatte er dort eine erste. Die beiden Jahre in Nankendorf waren seine schönsten Jahre, denn sein Unterrichtsideen fielen dort auf besonders fruchtbaren Boden. Danach folgten 16 Jahre an der Hauptschule in Waischenfeld.

In 200 Tagen um die Welt

Eine unvergessliche Zeit war für Fischer das Sabbatjahr 2004. Da war er mit seiner Frau Ulrike rund 200 Tage auf Weltreise. Ein Jahr später begann er eine Montessori-Ausbildung, die er mit dem Diplom abschloss. Neben der Partnerschule in Lalane/Senegal galt seine Begeisterung den Bienen. Im ehemaligen Schulgarten in Hummeltal wurden die ersten Bienenvölker aufgestellt und eine AG Bienenschule ins Leben zu rufen. Heute führen ehemalige Schüler von ihm schon ihre eigenen Wirtschaftsvölker.

Ein lachendes, ein weinendes Auge

Otmar Fischer geht mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Zum lachenden Auge gehört, dass in Hummeltal viel Lernen stattfand. Wo er es überhaupt nicht vermutet hatte, begannen die Kinder plötzlich, sich selbst zu informieren. So beim großen Thema Bienen. Das weinende Auge: Wenn hoch motivierte Kinder aus der ersten Klasse in der Mittelschule zu gelangweilten, desinteressierte Jugendlichen werden. Dann laufe das etwas falsch, so Fischer. Was ihn glücklich macht, sind die vielen Kontakte zu ehemaligen Schülern, die etwas aus ihrer Schulzeit gemacht haben.

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