Osterfestival: Markus-Passion zum Auftakt

Von Gordian Beck
Gemeinsam mit dem Chor der Stadtkantorei spielte die Neue Nürnberger Ratsmusik in der Stadtkirche auf historischen Instrumenten Bachs Markus-Passion.
 Foto: Andreas Harbach Foto: red

Sie ist in vielerlei Hinsicht eine Herausforderung, die Markus-Passion Johann Sebastian Bachs. Vor allem, weil von ihr nur der Text überliefert, das Notenmaterial dagegen vernichtet oder verschollen ist, sich aber über den Text rekonstruieren lässt – aber dafür mal mehr, mal weniger mit dem Malus der Wahrscheinlichkeit behaftet ist. Was wiederum dazu geführt hat, dass von dieser Passion mittlerweile rund ein Dutzend Fassungen auf dem Markt sind, die zum Teil auch noch höchst unterschiedliche Ansätze verfolgen.

 
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Die am frühen Karfreitagabend im Rahmen des 24. Osterfestivals in der Stadtkirche zu Gehör gebrachte Version von Andreas Fischer beispielsweise, nimmt für sich in Anspruch, die erste zu sein, die ausschließlich auf Bachsches Notenmaterial zurückgreift, also auf anteilige Neukompositionen in modernem oder historischen Gewand verzichtet und auch keine Anleihen bei Bachs Kollegen nimmt.

Der Aufwand, den Fischer betrieb, ist beachtlich und das Resultat, nimmt man das Konzert als Maßstab, durchaus hörenswert. Allein, es reißt nicht durchweg mit. Was allerdings eher auf den ausgesprochen narrativen Charakter dieser Passion zurückzuführen ist. Es fehlt schlichtweg an Höhepunkten. Ganze acht Arien, verteilt auf rund 130 Minuten reine Aufführungsdauer, dazu noch einige kurze Chöre, das ist alles, was in diesem Werk an theatraler Emotion aufgeboten wird. Der Rest sind Rezitative sowie eine erkleckliche Zahl an Chorälen.

Stadtkirchenakustik und Orchester passen zur Passion

Der Akustik in der Stadtkirche, allerdings, kam der unaufgeregte, eher sachliche Duktus dieser Passion sehr entgegen. Wie sich auch das Orchester, die Neue Nürnberger Ratsmusik, als Glücksfall entpuppte. Denn dieses Ensemble, das sich ausschließlich historischer Instrumente oder deren Nachbauten bedient, offeriert ein beeindruckendes Spektrum an zumeist in zarten Pastelltönen gehaltenen Klängen. Zumal in diesem Konzert auch Instrumente zu Gehör kamen, denen man normalerweise kaum mehr begegnet. Wie etwa eine Oboe da Caccia, eine gekrümmte Vertreterin ihrer Art mit Messingstürze(!). Eine Quinte tiefer gestimmt, entwickelt sie einen fast schon magisch zu nennenden, samt-dunklen Klang, der aus der Bass-Arie „Ich lasse Dich, mein Jesu, nicht“ aus dem Stand heraus ein faszinierendes Duett machte. Desgleichen auch die eingesetzten Gamben, deren sanft-elegische Klangfärbung wundervoll mit der menschlichen Stimme harmoniert.

Überzeugende Solisten

Von der ungewöhnlich farbenreichen Continuo-Begleitung – Gambe und Truhenorgel – profitierte auch der Solist des Abends, Michael Zabanoff (Tenor). Denn als Evangelist war er praktisch im Dauereinsatz. Zabanoff zeigte sich jedoch gut gerüstet und absolvierte diese fast schon monströse Partie mehr als nur souverän und fast durchweg gut verständlich. In Alban Lenzen (Bass), der die Jesusworte übernahm, hatte er einen Kollegen an seiner Seite, der mit seinem dunkel gefärbten, obertonreichen Bass wirkungsvolle Kontrastpunkte setzen konnte. Einen sehr guten Eindruck hinterließen auch die drei anderen Solisten, Tobias Freund (Bass) sowie Radoslava Vorgić (Sopran) und Alexandra Hebart (Alt). Allesamt verfügen über wohlgeformte und elegant geführte Stimmen mit beachtlicher Durchschlagkraft.

Als ähnlich sichere Bank stellte sich auch der Chor Stadtkantorei Bayreuth dar. Bis auf ein paar wenige verwackelte Choraleinsätze – allesamt witzigerweise im ersten Teil der Passion verortet – präsentierte sich das Ensemble stimmlich sicher, durchweg aufmerksam und bis zum Schluss hin konzentriert.

Problem: dem Chor mangelt es an Männerstimmen

Ein echtes Problem ist allerdings der Mangel an Männerstimmen, insbesondre im Tenor. Denn dadurch ist der Chor als solches auch in seiner Dynamik limitiert, was gerade in den raren theatralen Momenten der Passion auffällig war. Etwa, wenn der Evangelist die Ansage tätigt, „Aber sie schrien noch viel mehr“ und der Chor in seinen „Kreuzige ihn!“-Rufen einfach nicht mehr zusetzen kann. Das ist schade, vor allem weil diesem Manko wohl nicht auf die Schnelle abgeholfen werden kann, der Chor aber durchaus Potential hat. Was auch mit seinem Dirigenten, Michael Dorn, zu tun hat. Denn dessen unaufgeregte, gelassene, aber nichtsdestotrotz ungemein präzise Art, einen Chor und ein Orchester, zu führen, ist – dieses Karfreitags-Konzert war eindrucksvoller Beleg dafür – Forderung und Förderung zugleich.

Das Publikum in der voll besetzen Stadtkirche dankte es den Künstlern mit teils stehenden Ovationen.

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