Gericht wirft Regierung Planungsfehler vor Ortsumgehung Mistelbach vorerst gestoppt

Von Sarah Bernhard
Die Ortsdurchfahrt Mistelbach bleibt erstmal, wie sie ist. Das entschied am Donnerstagabend das Verwaltungsgericht Bayreuth. Foto: Harbach Foto: red

Mit diesem Urteil hatte keiner so richtig gerechnet: Das Verwaltungsgericht Bayreuth hat den Bau der Ortsumgehung Mistelbach vorerst gestoppt. „Wunderbar“, sagt Kläger Berthold Himsel. „Ich bin fast sprachlos, und das passiert mir selten“, sagt Mistelbachs Bürgermeister Matthias Mann. Das Urteil wirft kein gutes Licht auf die Regierung von Oberfranken.

 
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Zwei Stunden nahmen sich die fünf Richter der ersten Kammer des Verwaltungsgerichts am Donnerstagabend Zeit, um ihr Urteil zu fällen. Und gaben dann den Klägern Wilhelm Nützel und Berthold Himsel Recht. Der Landwirt und der Grundstücksbesitzer hatten gegen den Bau der Ortsumgehung Mistelbach geklagt, weil sie dadurch Teile ihrer Grundstücke verloren hätten.

Um solch einen schwerwiegenden Eingriff in das Eigentumsrecht zu rechtfertigen, müsse dem ein schwerwiegendes Interesse der Allgemeinheit entgegenstehen, sagte der vorsitzende Richter Gerd Lederer dem Kurier. Für die Regierung von Oberfranken und das Staatliche Bauamt, gegen die die Klage gerichtet war, war dieses Allgemeininteresse zunächst, die Verkehrsbelastung zu senken. „Ziel einer Ortsumfahrung ist es, einen Ort zu umfahren“, sagte Bauoberrat Berthold Hübner. Die sogenannte Nullvariante, also ein Ausbau der bestehenden Ortsdurchfahrt, war deshalb nur sehr oberflächlich geprüft worden.

Ein Zirkelschluss

„Das ist ein Zirkelschluss“, urteilte Richter Lederer. „Man kann nicht mit dem Ziel die Notwendigkeit einer Maßnahme begründen.“ Die Verkehrsbelastung alleine sei auch deshalb keine hinreichende Grundlage für eine Umgehung, weil auch auf den Einfallstraßen großer Städte viel Verkehr herrsche – und dort keiner auf die Idee käme, eine Umgehung zu fordern.

Es sei also zu prüfen, ob bei der Planung noch andere Belange berücksichtigt wurden. Belange, die so schwerwiegend waren, dass der Ausbau der bestehenden Ortsdurchfahrt zu Recht von vorne herein ausschlossen wurde. „Das wären zum Beispiel Verkehrssicherheit und Lärmschutz“, sagt Lederer.

Gutachten erfüllt nicht alle Voraussetzungen

Soweit war man tatsächlich auch bei der Verhandlung im September schon gekommen. Damals konnte die Regierung ein Lärmschutzgutachten nicht vorlegen, weshalb die Verhandlung vertagt wurde. Mittlerweile hat die Regierung ein Gutachten nachgereicht – allerdings ein nachträglich erstelltes aus dem laufenden Jahr. „Man darf doch Gründe nachschieben“, sagte Regierungsoberrätin Brigitte Witton, die die Bauerlaubnis vor zwei Jahren unterschrieben hat.

Die Richter entschieden jetzt: Das darf man. Aber es hilft nichts. „Die nachträglich vorgelegten Berechnungen können nicht herangezogen werden, da sie bei der Entscheidung damals nicht vorgelegen haben“, sagt Lederer. Und die Ortsdurchfahrt sicherer zu machen, wäre möglicherweise einfacher und günstiger, wenn man sowieso schon Ausbauarbeiten durchführe.

"Vorschnell und ohne Tatsachenprüfung"

Keine schwerwiegenden Belange also, weshalb die Richter urteilten: Die Nullvariante sei „vorschnell und ohne ausreichende Tatsachengrundlage“ verworfen worden. Das sei so früh im Planungsverfahren geschehen, dass die Richter als einzige Möglichkeit sahen, das ganze Verfahren nochmals neu zu beginnen.

„Ein dicker Hund“, sagte Matthias Mann, Bürgermeister von Mistelbach. Er sei überrascht, dass in der Verhandlung statt über die Umgehung nur noch über den Ausbau der Ortsdurchfahrt diskutiert worden sei. „Selbst wenn wir sie geprüft hätten, wären wir doch zum gleichen Ergebnis gekommen.“ Er werde sich nun so bald wie möglich mit der Regierung und dem Bauamt abstimmen. „Ich habe einen ganz klaren Bürgerauftrag, ich bleibe kämpferisch.“ Gemeinde und Regierung können gegen das Urteil Berufung einlegen.

Dass die Berufung kommen wird, glaubt auch Kläger Berthold Himsel. „Das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange, trotzdem bin ich begeistert“, sagte er dem Kurier. Er sei allerdings froh, dass er nicht mehr in Mistelbach wohne. „Da werden einige eine Wut auf mich haben, aber damit muss ich leben. Mal schauen, was noch kommt.“

Vorgeschichte

Seit 2006 wird über die Trasse diskutiert, die rund 5,2 Millionen Euro kosten soll. Aus Protest gegen die Trasse gründete sich die Partei "Pro Mistelbach", die schon auf verschiedene Arten gegen die Trasse protestiert hat, etwa durch die Darstellung des Trassenverlaufs - oder natürlich im Gemeinderat. 2011 folgte der sogenannte Planfeststellungsbeschluss, mit dem der Bau hätte beginnen können - hätten nicht 2012 Himsel und Nützel gegen die Regierung geklagt.

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