Oktoberfest soll sicherer werden

Archivfoto: dpa Foto: red

Anschläge in Paris, Brüssel und Istanbul, das Massaker in Orlando - die Sorgen um die Sicherheit steigen. Drei Monate vor dem Start der Wiesn tüftelt München an einem verschärften Konzept. Das Hauptproblem: Es ist manchmal so eng, dass allein die Menschenmenge zum Risiko wird.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

 Rund 100 Sicherheitskräfte mehr, Warnungen per Lautsprecher, Taschenkontrollen stichprobenartig an allen Eingängen sowie mobile Zäune: allerdings weniger gegen Terroristen, sondern gegen die drohende Überfüllung mit friedlichen Gästen. München rüstet sich fürs Oktoberfest (17. September bis 3. Oktober). Das größte Volksfest der Welt hat jedes Jahr mehr als sechs Millionen Besucher.

An einzelnen Tagen schieben sich bis zu 500 000 feiernde und trinkende Menschen über das rund 30 Hektar große Areal. Egal ob ein Anschlag, Brand, Unfall oder ein schweres Unwetter - das Festgelände ist manchmal so brechend voll, dass Rettungskräfte nur schwer durchkämen. Im vergangenen Jahr etwa war die Wiesn am 3. Oktober regelrecht überrollt worden. Die Stadt versuchte, Zugänge zu sperren. Doch die Ordner wurden der heranströmenden Massen kaum Herr.

Die Veranstalter ziehen Konsequenzen. Erstmals wollen sie per Lautsprecher in vielen Sprachen vor Überfüllung warnen. Notfalls sollen die Zugänge dicht gemacht werden. „Temporäre Sperren werden nur als ultima ratio geplant“, heißt es dazu in der Vorlage, über die der Münchner Wirtschaftsausschuss am Dienstag (5. Juli) beraten will und die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

Die zusätzlichen Zäune: ein Politikum. Eher eine Gefahr, sagen die einen und verweisen auf die tödliche Massenpanik bei der Loveparade 2010 in Duisburg. Sinnvoll, sagen die anderen. Schon jetzt ist das Gelände fast komplett von Bauzäunen und Schaustellerwagen umgeben. Nur an der Theresienhöhe sind einige Hundert Meter offen.

Mobile Sperren, wie sie etwa bei Fußballspielen und Konzerten eingesetzt werden, sollen den Plänen zufolge bei zu großem Andrang kurzfristig den Zugang verhindern. Helfer sollen parat stehen, um sie bei Gefahr schnell zu öffnen. 350 Ordner sollen insgesamt unterwegs sein, vor zehn Jahren waren es 35.

Die Stadt hatte Probleme, überhaupt 100 zusätzliche Kräfte zu finden. Die Aufgaben sind anspruchsvoll, die Unterbringung zur Wiesn-Zeit schwierig und viele Kapazitäten in Flüchtlingsheimen gebunden, wie es in der Unterlage heißt. Deshalb musste der einzige Bieter akzeptiert werden - mit Stundensätzen von 56 und 60 Euro je nach Qualifikation. Allein die Bewachung kostet 2,2 Millionen Euro mehr als im Vorjahr, die Kosten dafür steigen auf 2,8 Millionen Euro.

Um die Überfüllung einzuschätzen, soll ein Personenzählsystem angeschafft werden - bisher werden die Menschenmengen nur grob geschätzt. Dabei gehen die Sicherheitsexperten davon aus, dass höchstens vier Menschen auf einen Quadratmeter passen. Müsste eines der 14 großen Zelte mit jeweils bis zu 10 000 Menschen geräumt werden, wären dafür also 2500 Quadratmeter nötig. Da allerdings auch auf dem Freigelände Besucher unterwegs sind - und zwar idealerweise maximal zwei pro Quadratmeter - würden bei einer Räumung pro Großzelt leicht 5000 Quadratmeter benötigt.

„Die Zelte sind vorbildlich, was Rettungswege innen betrifft“, sagen Rettungskräfte. Wer abends in einem Bierzelt unterwegs ist, stellt freilich fest: Oft ist in der bierseligen Masse kaum ein Durchkommen. In Zelten und Biergärten sitzen auch mehr Menschen als früher. Mancher Wirt hat die Zahl der Plätze nach und nach erhöht.

Seit langem herrscht für die Wiesn ein Überflugverbot. Blumenkästen mit bunter Blütenpracht zieren die Straßenzüge rundum - aus Beton sollen sie Bollwerk sein gegen Autos, die eine Bombe transportieren könnten. Elektronische Poller sichern die direkten Zufahrten. Die Stadt hatte diese Sperrgürtel 2009 nach Terrordrohungen eingerichtet. Per Videobotschaft hatte Al-Kaida im Zuge des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan Anschläge angedroht und Fotos vom Fest eingeblendet.

Die abstrakte Terrorgefahr gehört seit Jahren dazu. In diesem Jahr sind die Menschen noch mehr in Sorge. Anschläge in Paris, in Brüssel, in Istanbul, Bluttaten wie in Orlando und die Messerattacke einer 15-Jährigen in Hannover: Die Welt scheint verletzlich.

Die Behörden beruhigen. „Terror ist für uns ein Thema, das wir ständig auf dem Schirm haben“, sagt Polizeisprecher Marcus da Gloria Martins. Die Polizei, auf der Wiesn mit 500 Beamten im Einsatz, versuche schnell „in Echtzeit“ eine Gefahr zu erkennen und dann zu reagieren. „Die Szenarien sind derart vielschichtig, dass es nicht einfach die Schablone X oder Y gibt, die man darüberlegt.“ Zudem bleibt der Polizeisprecher dabei: „Mir macht das allgemeine Vermassungsproblem auf der Wiesn mehr Sorgen als ein Terroranschlag.“

Schon einmal wurde das Oktoberfest Ziel eines Anschlags. 1980 riss die Bombe eines Rechtsextremen 13 Menschen in den Tod und verletzte mehr als 200. Seitdem sucht mancher Besucher vergeblich nach Abfalleimern für Pappteller und Würstchenreste. Sie wurden abmontiert - die Bombe detonierte in einem Müllkorb.

dpa

Autor