Ökonomiekongress: Strategien für morgen

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 Foto: red

Einen kleinen runden Geburtstag feiert in diesem Jahr der Ökonomiekongress an der Universität Bayreuth. Zum zehnten Mal treffen sich an zwei Tagen namhafte Vertreter aus Wissenschaft und Wirtschaft. Diesmal geht es um Zukunftsfragen wie die Digitalisierung und den Stellenwert des eigenen Fachs

 
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Wer wie sie bereits zehn Mal hier teilgenommen habe, wollte Romy Arndt beim Auftakt des Bayreuther Ökonomiekongresses im Audimax der Universität wissen. Einige Dutzend Arme schnellen in die Höhe. Die ntv-Moderatorin schätzt die „spezielle Bayreuther Kongressatmosphäre“, wie sie am Donnerstagvormittag sagte.

Und so geht es wohl den meisten der rund 1200 Teilnehmer des Ökonomiekongresses. Vor zehn Jahren vom Bayreuther Professor Heymo Böhler ins Leben gerufen, treffen dabei an zwei Tagen Studenten mit hochkarätigen Wirtschaftsvertretern zusammen. Das Ziel lautet „Von den Besten lernen“.

Zum zehnjährigen Bestehen stehen „Strategien für die Generation von morgen“ im Mittelpunkt der Diskussionen und Vorträge.

Zahlreiche Teilnehmer

Kongresspräsident Klaus Schäfer, Professor für Finanzwirtschaft und Bankbetriebslehre, hob die große Zahl an Teilnehmern, beeindruckenden Referenten und interessierten Studenten hervor. Die Wirtschaftskonferenz habe die Universität und den Standort Bayreuth weit nach vorne gebracht. „So etwas finden Sie an kaum einer anderen deutschen Uni“, sagte Schäfer.

Dieser „Spitzenplatz“ sei den Studenten und der Kongressleitung zu verdanken, die den Ökonomiekongress Jahr für Jahr vorbereiten. Über 300 Redner und 12.000 Gäste sind laut Vizepräsident Torsten Eymann bisher zu der Wirtschaftskonferenz nach Bayreuth gekommen. Sie alle hätten die „ungezwungene, familiäre Atmosphäre“ auf dem Campus genossen. Im zehnten Jahr gehe es um nicht weniger als „erfolgreiche Strategien in stürmischen Zeiten“ zu finden.

Da ist dann der Weg zur Digitalisierung nicht mehr weit. Mit unternehmerischen Start-ups und fehlenden Fachkräften war sie das beherrschende Thema. Kein Wunder, dass die Silbury Deutschland GmbH, ein IT-Dienstleister für Unternehmen und ihre Kunden, erneut Hauptsponsor der Wirtschaftskonferenz ist.

Sprechen mit der Technik

Gründer und Chef Markus Neubauer befasst sich derzeit intensiv mit Chatbots. Dabei handelt es sich um Dialogsysteme, über die man mit einem technischen System „sprechen“ kann. „Uns interessieren die neuen Möglichkeiten der sprachlichen Kommunikation mit künstlicher Intelligenz.“ Solche „innovativen Technologien“ stärkten die Metropolregion Nürnberg und würden den IT-Standort Franken nach vorne bringen, ist Neubauer überzeugt.

Überraschend locker war der Auftritt von Stefan Groß-Selbeck, der über Innovation im digitalen Zeitalter sprach. In grauen Jeans und schwarzem Hemd, mit Bart und Hornbrille sah der frühere Xing und ebay-Geschäftsführer genauso aus, wie man sich einen Internetmanager vorstellt. Für eine Tochter der Boston Consulting Group betreut er derzeit digitale Neugründungen. „Noch nie war es so einfach wie heute, einen digitalen Dienst für wenig Geld auf den Markt zu werfen“, sagte der ehemalige Gastprofessor der Humboldt-Uni in Berlin.

Unternehmen sollten Innovation heute anders zu denken. Dazu gehöre mehr Risikobereitschaft und Mut. „Ich muss mich trauen, zu scheitern.“ Diesem Denken widerspreche indes das deutsche Perfektionsstreben. Dabei komme es vielmehr auf die Geschwindigkeit an, mit der ein neues Geschäft aus dem Boden gestapft werde.

Anders als sonst

Anders als sonst wurde der Ökonomiekongress in diesem Jahr mit einer Diskussion eröffnet. Über die Zukunft der Wirtschaftswissenschaften debattierten die Journalisten und Buchautoren Philip Plickert (FAZ) und Axel Gloger (,,Betriebswirtschaftsleere“) mit den Professoren Jörg Schlüchtermann (Produktionswirtschaft und Industriebetriebslehre) und Martin Leschke (Volkswirtschaftslehre) mit dem Bayreuther Absolventen Colin Fernando (Brand Trust) und Johannes-Jörg Riegler (BayernLB).

Auswendiglernen und keine Fragen stellen, könne nicht der richtige Weg sein, meint Gloger. Auch Plickert sagte, die Volkswirtschaft gehe von einem unrealistischen Menschenbild aus. „Etwas mehr Demut wäre angebracht.“ Das kritische Denken und der Austausch mit anderen Disziplinen fehlten. Den Studiengang Philosophie und Wirtschaft, den es in Bayreuth gibt, hält er dagegen für einen vielversprechenden Ansatz.

Reformbedarf

Dass im Fach BWL „der Lack ab ist“,wollten die Professoren nicht auf sich sitzen lassen. Die Betriebswirtschaftslehre sei „ein lebendiges und offenes Fach“, sagte Schlüchtermann. Dass nicht jeder erfolgreiche Unternehmer studiert haben müsse, sei zu vereinfachend. „Auch ein Religionswissenschaftler glaubt nicht, dass er irgendwann zum lieben Gott wird.“

Leschke sieht durchaus Reformbedarf für die VWL. „Wir stecken in einem zu engen Korsett“, hob er auf die verschulten Studienabschlüsse Bachelor und Master ab und fand: „Ein bisschen Wissen schadet nicht.“ Fernando empfahl den Studenten, mehr als die üblichen Pflichtpraktika zu machen. „Neun Wochen sind ein Witz.“

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