Obstlehrpfad: Große Vielfalt im Kleinen

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Spechthöhlen gibt es in der krummen alten Birne, und Gelbsterne blühen. Unter dem vertrockneten Gras aus dem Vorjahr sieht man die ersten Käfer kriechen, überall hört man Vogelstimmen. Über den Obstlehrpfad, der im Mai eröffnet wird, lässt sich diese Idylle bald auch erwandern.

 
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Über drei Hektar groß ist die Streuobstwiese auf dem Kirchberg. Mit ihr hält der Obst- und Gartenbauverein Gesees im Kleinen einer Entwicklung gegen, die im Großen kaum noch aufzuhalten ist: dem Artenkollaps. Jeder zweite in der Agrarlandschaft beheimatete Vogel ist seit 1980 verschwunden, das sind 300 Millionen Tiere, beklagt die Regierung. In Deutschland sank die Masse von Fluginsekten wie Hummel, Biene oder Falter in den letzten 30 Jahren um durchschnittlich 76 Prozent. Nicht so am Kirchberg.

Ein großer Glücksfall

Ein Verein, eng vernetzt mit einem Schäfer, der seinen Betrieb zu Hause auf Bio umstellt, unterstützt auch mit staatlichen Mitteln, schützt die Biodiversität an diesem markanten Hang.

Wie es dazu kam, ist ein großer Glücksfall, sagt Georg Nützel heute, der Vorsitzende des Gartenbauvereins.

Vor der Auflösung

2012 war es so weit, dass der Verein sich auflösen wollte. Einige wenige engagierte Bürger verhinderten das, und Georg Nützel als neuer Vorsitzender wollte den Ursprungsgedanken des Vereins wieder in den Mittelpunkt rücken, die Förderung der Heimatpflege und des Naturschutzes. „Der Kirchberg, das war damals kein schöner Anblick. Zugewachsen und viel Gestrüpp“, sagt Nützel. „Da bin ich schon mal angeeckt mit meiner Äußerung, dass es hier aussieht wie im ,Jurassic Parc‘.“

So nach und nach gab der Garten Einblick in seine Geheimnisse. Der Pomologe Wolfgang Subal entdeckte bei einer Begehung verloren geglaubte Sorten, wie die „Kleine Pfalzgräfin“, eine Septemberbirne, die jetzt auch über Reiser vermehrt wurde. Der Baum am Kirchberg ist über 100 Jahre alt. Oder der Bamberger Blauapfel, berühmt-berüchtigt bei den Bamberger Händlern, weil er schnell wuchs, aber nur schlechtes Mostobst lieferte. Und die seltene Lütticher Ananaskalvill.

Alle kannten Esel Dunja

Pfarrer Philipp Kohlmann hatte den Garten vor 100 Jahren auch zur Stabilisierung des Kirchberges angelegt, und die folgenden Pfarrer kümmerten sich um die Obstbäume. Pfarrer Sperl habe den Garten noch ganz allein gepflegt. Gemeinsam mit seinem Esel Dunja. „Den kannten alle. Am Sonntag hat er immer ein Zuckerstück bekommen“, erinnert sich Nützel. Damals mussten sich die Pfarrer auch noch von dem ernähren, was der Garten an Gemüse und Obst brachte.

Große Aufgabe

Jetzt sind es die Gartenfreunde, die ein Biodiversitätsprojekt schützen wollen. „Das ist aber eine große Aufgabe. Allein kann man das gar nicht bewältigen.“ Nützel ist glücklich, dass drei Helfer eng zusammenarbeiten: der Gartenbauverein, die Kirche und Schäfer Dieter Albrecht aus Culmberg, der mit seinen rund 120 Schafen den Hang beweidet. „Ohne ihn geht es nicht“, lobt Nützel.

Im sogenannten Köhlersgarten, das ist der Bereich links vom Kirchenweg aus gesehen, begannen die Pflegemaßnahmen. „Wir machen auch keinen Ertragsschnitt an den Bäumen, sondern nur Entlastungsschnitte.“ Wildrosen werden zurückgeschnitten, damit sie später die Schafe nicht zu sehr behindern. Und damit es lichter wird auf der Wiese. Auch das ist ein Wunsch, den die Untere Naturschutzbehörde, mit der man eng zusammenarbeitet, geäußert hat.

Außerdem gibt es Totholzhaufen und ein alter Baum darf auch mal langsam vor sich hin sterben. „Da hat auch ein Umdenken eingesetzt“, sagt Nützel. Früher wurde da einfach Brennholz rausgeholt, oder ein Kirchgänger hat dem Pfarrer gesagt: „Do stenn fei widder zwei dörra Baam drinna.“ Heute bieten sie Spechten und Kleibern Nisthöhlen und Schmiedeplätze unter der Borke. Und den künftigen Besuchern des Obstlehrpfades eine Vielfalt, die ihresgleichen sucht.


Info: Der Obstlehrpfad am Kirchberg von Gesees wird mit insgesamt acht Tafeln beschildert und am 17. Mai erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt.

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