Oberfranken: Warum Lehrlinge hinschmeißen

Von Peter Rauscher

Immer mehr Jugendliche brechen ihre Berufsausbildung vorzeitig ab, heißt es im Entwurf des neuen Berufsbildungsberichts der Bundesregierung, der vorab bekannt geworden ist. Mehr als jeder vierte Auszubildende hört vorzeitig auf, in manchen Berufen sogar jeder Zweite. Gabriele Hohenner, Hauptgeschäftsführerin der Industrie- und Handelskammer für Oberfranken, sagt im Kurier-Interview, warum jungen Menschen ein Abbruch heute leichter fällt als früher.

 
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Wie entwickeln sich die Abbrecherzahlen im Bereich der IHK Oberfranken?

Gabriele Hohenner: Bei den Mitgliedsunternehmen der IHK für Oberfranken Bayreuth liegt die Abbrecherquote bei der Ausbildung bei rund 20 Prozent, also spürbar unter dem deutschen Durchschnitt von 25,8 Prozent.

 

Wo landen die Ausbildungsabbrecher?

Hohenner: Gut die Hälfte der Abbrecher fängt eine neue Ausbildung bei einem IHK-Mitgliedsunternehmen an, meist in einem anderen Beruf. Der Rest besucht eine weiterführende Schule, startet mit einem Studium oder beginnt eine Ausbildung, etwa im Handwerk oder den freien Berufen, also bei Ärzten, Rechtsanwälten, Steuerberatern.

 

Welche Ausbildungsberufe sind hier von Abbrüchen besonders betroffen?

Hohenner: Vor allem Berufe in der Gastronomie, im Einzelhandel, bei den Berufskraftfahrern, im Lagerbereich und bei den Sicherheits-Fachkräften.

 

Welche Branchen tun sich besonders  schwer, überhaupt Auszubildende zu finden?

Hohenner: Besonders betroffen sind bei den IHK-Berufen Gastronomie-, Einzelhandels- und Logistikberufe.

 

Ausbildungsabbrecher gibt es immer. Aber worauf führen Sie den jetzigen Höchststand zurück?

Hohenner: Hier sind zwei Hauptgründe zu nennen: Zum einen merken viele Jugendlichen im Laufe der Ausbildung, dass sie sich unter dem Beruf etwas anders vorgestellt haben, und brechen deshalb ab. Diesen Beweggrund gab es schon immer, da aber viele Unternehmen händeringend Nachwuchs suchen und viele Lehrstellen nicht besetzen konnten, fällt ein Abbruch insgesamt leichter als etwa vor zehn Jahren.

In der Regel sind die Unternehmen mit ihren Auszubildenden sehr zufrieden. Da aber einerseits immer mehr Mitarbeiter in den Ruhestand gehen und aber immer weniger Jugendliche die Schule verlassen, steigt die Bereitschaft der Unternehmen, auch Auszubildende einzustellen, die dem Anforderungsprofil nur teilweise entsprechen.

Wichtigste Auflösungsgründe aus Sicht der Ausbildungsunternehmen sind mangelnde Ausbildungsleistungen oder fehlende Motivation.

 

Spielt bei dem Trend die Integration von Flüchtlingen eine Rolle?

Hohenner: Dank der intensiven Betreuung durch die IHK für Oberfranken ist die Abbrecherquote bei den Flüchtlingen derzeit spürbar niedriger als im Durchschnitt.

 

Wer ist im Falle eines Abbruchs unzufriedener: Der Ausbildungsbetrieb mit seinem Lehrling oder umgekehrt?

Hohenner: Rund zwei Drittel der Ausbildungsverträge werden durch den Azubi gelöst.

 

Was stört wen am meisten?

Hohenner: Hauptgründe für einen Abbruch der Ausbildung sind die Entscheidung für den falschen Ausbildungsberuf, aber auch unattraktive Arbeitszeiten am Abend und am Wochenende, zwischenmenschliche Probleme, die Vergütung und das Unterschätzen der körperlichen Anstrengung. Eine wichtige Rolle spielt manchmal auch der Standort der Berufsschule. So gibt es etwa Ausbildungsberufe, bei denen die Auszubildenden nach Lindau am Bodensee in die Berufsschule müssen.

 

Laut DGB gibt es einen Zusammenhang zwischen niedriger Ausbildungsvergütung und hohen Abbrecherquoten. Würde ein Mindestlohn für Lehrlinge helfen?

Hohenner: Die Höhe der Vergütung ist nicht der Hauptgrund, spielt aber zweifellos eine Rolle.

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