Oberfranken blickt bange nach Russland

Von Roland Töpfer und
Russland liefert Rohöl nach Deutschland und bezieht Maschinen aus Oberfranken: Das Bild zeigt die Total-Raffinerie in Leuna (Sachsen-Anhalt), in der russisches Öl verarbeitet wird. Foto: Waltraud Grubitzsch dpa/lah Foto: red

Die neuen US-Sanktionen könnten die deutsche Wirtschaft in den nächsten Jahren Milliarden kosten, warnt die Deutsch-Russische Auslandshandelskammer (AHK) in Moskau. Betroffen davon ist auch die oberfränkische Wirtschaft, wie die Industrie- und Handelskammern unserer Zeitung auf Anfrage bestätigten.

 
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Was verbindet die oberfränkische Wirtschaft überhaupt mit Russland? Über 100 Unternehmen aus Oberfranken pflegen Handelsbeziehungen mit Russland, sagt Sara Franke, Bereichsleiterin International bei der IHK für Oberfranken in Bayreuth. „Zum Teil bestehen diese Beziehungen bereits seit vielen Jahren.“

Oberfränkische Unternehmen liefern etwa Maschinen, Metallerzeugnisse oder Elektroprodukte. Hinzu kommen verschiedene Luxusgüter. „Außerdem sind natürlich in den meisten Pkw, die von deutschen Automobilherstellern nach Russland verkauft werden, oberfränkische Produkte eingebaut.“

Handelsvolumen deutlich rückläufig

Hauptexportprodukte Russlands seien Erdgas und Erdöl. Das lande auf indirektem Wege natürlich auch bei hiesigen Unternehmen und Verbrauchern. Das Handelsvolumen mit Russland sei seit 2012 deutlich zurückgegangen, zuletzt habe es aber wieder eine leichte Steigerung gegeben. „Konkrete Zahlen gibt es auf regionaler Ebene nicht.“

Die Exporte von Bayern nach Russland seien seit 2012 um ein Drittel zurückgegangen, die Importe hätten sich sogar halbiert. Ist Russland ein wichtiger Wirtschaftspartner der Region? Laut Franke zählt Russland „mit Sicherheit zu den 20 wichtigsten Handelspartnern Oberfrankens, spielt also eine gewichtige Rolle“.

Hat Oberfranken gute Kontakte nach Russland? „Grundsätzlich ja.“ Auf der neuen US-Sanktionsliste, die 24 Russen und 15 russische Unternehmen betrifft, stehen zum Beispiel die Automobilgruppe GAZ, der Energiekonzern Gazprom, der Aluminiumhersteller Rusal oder der Mischkonzern Renova Group.

Projekte in Milliardenhöhe gefährdet

Allein durch ausfallende Neugeschäfte droht der deutschen Wirtschaft in Russland nach Einschätzung der AHK kurzfristig ein Schaden von mehreren Hundert Millionen Euro. Langfristig könnten die US-Sanktionen Projekte in Milliardenhöhe gefährden.

In den vergangenen Jahren hatten deutsche Unternehmen trotz der gegenseitigen Sanktionen wegen der in Teilen verbesserten Investitionsbedingungen und des niedrigen Rubelkurses stark in Russland investiert – neben Großkonzern auch zahlreiche mittelständische Firmen.

Für mehr als 30 Unternehmen aus dem Bezirk der IHK zu Coburg sei Russland ein strategisch wichtiger Markt, sagt IHK-Hauptgeschäftsführer Siegmar Schnabel. Es handelt sich vor allem um Firmen aus den Bereichen Maschinenbau, Elektrotechnik, Automotive, Industriekeramik und Spielwaren.

Durch China-Geschäft teilweise aufgefangen

Schnabel spricht von „gewachsenen, langjährigen Geschäftsbeziehungen“. Durch die Sanktionen seien die Geschäfte in einzelnen Fällen um bis zu zwei Drittel eingebrochen. Teilweise konnte das jedoch durch eine positive Entwicklung des China-Geschäfts aufgefangen werden, wie Schnabel berichtet.

Erstmals nach zwei Jahren sei die russische Wirtschaft 2017 wieder gewachsen, und davon profitierten die in Russland aktiven Unternehmen. „Allerdings heizen die neuen Sanktionen aus Washington den Konflikt zwischen Russland und dem Westen weiter an“, klagt der Hauptgeschäftsführer.

Die meisten Coburger Unternehmen, die bereits in Russland tätig sind, wollen ihm zufolge trotzdem am russischen Markt festhalten. Es gehe auch darum, nach Beendigung des Konflikts vor Ort präsent und gut vernetzt zu sein.

Appell an die Politik

An die Politik appelliert Schnabel, schnellstmöglich auf Konfliktlösung zu setzen und vor allem „nicht weiter an der Sanktionsschraube zu drehen“.

Nach einer Studie der Universität Kiel übersteigen die Kosten der 2014 eingeführten gegenseitigen Wirtschaftssanktionen die Marke von 100 Milliarden Euro. Rund 60 Prozent der Verluste gehen auf das Konto Russlands, etwa 40 Prozent auf Kosten der Wirtschaft in der EU.

„Wenn deutschen und amerikanischen Unternehmen das Engagement in Russland zunehmend schwer gemacht wird, werden asiatische Unternehmen, insbesondere chinesische die Lücke Schritt für Schritt besetzen“, fürchtet AHK-Chef Matthias Schepp.

„Es ist schwer zu verstehen, warum ein engeres Zusammenwirken von russischem Bär und chinesischem Drachen im langfristigen Interesse des Westens liegen sollte.“

Die Strafmaßnahmen des US-Finanzministeriums vom 6. April sehen laut AHK vor, die Aktiva der genannten Personen und Firmen in den USA zu blockieren. US-Bürger und -Unternehmen dürfen keine Geschäfte mehr mit den Gelisteten machen, zudem besteht ein Einreiseverbot in die USA.

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