Kassen-Aufruf gegen korrupte Ärzte Oberfränkische Mediziner sind empört

Von Elmar Schatz
 Foto: red

Ärzte sind empört über den Aufruf des Spitzenverbandes der Kassen an alle Krankenversicherten, Hinweise auf korrupte Mediziner zu geben. „Es darf nicht einfach denunziert werden“, sagt Dr. Ingo Rausch, Regionaler Vorstandsbeauftragter für die Hausärzte bei der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) in Oberfranken.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Auf seiner Homepage schreibt der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV): „Jeder kann sich mit einem konkreten Verdacht oder glaubhaften Hinweis auf Fehlverhalten im Gesundheitswesen an die zuständige Kranken- oder Pflegekasse, ihre Verbände oder an den GKV-Spitzenverband wenden.“

Auf einem Formular können konkrete Angaben gemacht werden – etwa zu Ärzten, die jemand für korrupt hält.

Schnell beim Staatsanwalt

„Anonyme Beschuldigungen sind in unserem Rechtsstaat völlig unüblich“, sagt Rausch dem Kurier. „Der Arzt habe so gar keine Möglichkeit, sich zu wehren.“ Er könne schnell beim Staatsanwalt landen, obwohl sich die Anschuldigungen vielleicht als völlig haltlos herausstellten.

Auch Ärzte seien dafür, dass gegen schwarze Schafe in ihren Reihen vorgegangen wird. Aber dann müsse jemand Anzeige erstatten und mit seinem Namen dafür geradestehen, erklärt Rausch.

„Die pharisäerhafte Diskussion“, die nun geführt werde, sei „überflüssig wie ein Kropf“, sagt Dr. Peter Schmied (Burgkunstadt), bei der KV Regionaler Vorstandsbeauftragter für die Fachärzte. Er bringt die GKV-Initiative gegen Korruption im Gesundheitswesen mit den anstehenden Wahlen in Zusammenhang. Damit solle Druck auf die Mediziner aufgebaut werden. Doch Ärzte hätten noch die beste Reputation. Den Kassen wirft Schmied vor, Honorare zu zahlen, die nicht betriebswirtschaftlich kalkuliert seien.

Begriffe aus der Kriminologie

Rausch rügt, dass auf dem GKV-Formular von Tatort, Tatzeit und tatverdächtiger Person die Rede ist. Diese Begriffe aus der Kriminologie seien unangebracht. Das schaffe Misstrauen zwischen Arzt und Patient. Aktuell sei ihm in Oberfranken kein einziger Fall bekannt, in dem ein Arzt verurteilt worden ist.

Auch die AOK Bayern hat keine Informationen über korrupte Ärzte in Oberfranken. AOK-Pressesprecher Michael Leonhart sagt, die GKV-Initiative sei „kein Angriff auf die Ärzte. Die allermeisten von ihnen arbeiten korrekt.“ Leonhart mahnt, ganz sachlich zu diskutieren. Es gelte, Fehlverhalten überall im Gesundheitswesen aufzudecken, beileibe nicht allein bei Ärzten. „Das betrifft Versicherte genauso.“ Oder Apotheker – oder Verantwortliche in den Kliniken. Ja sogar die Krankenkassen selber unterliegen einer ständigen Aufsicht, betont der Sprecher.

Die Bundesregierung habe mittlerweile nachgebessert. Nun könnten auch niedergelassene Ärzte nach dem Sozialgesetzbuch bestraft werden, wenn sie sich bestechen lassen. Vorher war das nur bei angestellten Ärzten möglich.

Regionale Ermittlungsbeamte gefordert

Bayerns AOK-Chef Helmut Platzer fordert eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft, die sich mit Fehlverhalten im Gesundheitswesen befasst – und regionale Ermittlungsbeamte, die dafür Spezialisten sind.

Mehr als 4000 Fälle von Fehlverhalten im bayerischen Gesundheitswesen haben AOK-Experten in den Jahren 2010 und 2011 aufgedeckt. Dabei sei ein Gesamtschaden von 7,1 Millionen Euro entstanden, so die AOK in einer Pressemitteilung. AOK-Spezialisten hätten beispielsweise herausgefunden, dass Apotheken in Deutschland nicht zugelassene, billige Krebsmedikamente an Patienten abgegeben, bei der AOK dann aber als teure deutsche Originalpräparate abgerechnet hätten. Dazu gebe es 25 laufende Ermittlungsverfahren bei bayerischen Staatsanwaltschaften.

Bilder