Maulkorb für Mitarbeiter - Verkaufsgespräche mit Investoren laufen NKD: Jobs und Filialen in Gefahr

Von
Die NKD-Zentrale in Bindlach. Hier wird derzeit alles auf den Prüfstand gestellt. Foto: Wittek Foto: red

Die Lage bei NKD scheint noch schwieriger zu sein als gedacht. Jobs, Filialen und auch das Sponsoring des 1. FC Nürnberg - ist jetzt alles in Gefahr?

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Am Donnerstag teilte der Bindlacher Textildiscounter mit, dass Eigentümer Daun & Cie. einen Käufer suche und das Unternehmen zuvor restrukturiert werden müsse. Auch Filialschließungen und ein Arbeitsplatzabbau scheinen nicht ausgeschlossen. Alles komme auf den Prüfstand, sagte eine Sprecherin dem Kurier.

Vor knapp zwei Monaten hatte sich NKD überraschend von Geschäftsführer Michael Krause getrennt. Experten der auf Sanierungen spezialisierten Kölner Unternehmensberatung Ziems & Partner übernahmen das Kommando und sollten herausfinden, ob das von Krause eingeschlagene, deutlich höhere Expansionstempo NKD überfordert hat. Es hat, lautet das Ergebnis. Nun wird ein Plan erarbeitet, wie das Unternehmen wieder in die Spur gebracht werden kann. Neben Ziems & Partner wurde dafür eine weitere renommierte Unternehmensberatung mit ins Boot genommen, deren Namen Pressesprecherin Alberta Rohardt nicht nennen wollte. Nach der Umsetzung des Sanierungsplans, der bis Herbst vorliegen soll, will Gesellschafter Daun & Cie. (Rastede), der NKD 2003 nach der Insolvenz übernahm, das Textilunternehmen verkaufen – als Ganzes und bis Jahresende. Grund sei, dass die Eignerfamilie Daun ihre unternehmerischen Aktivitäten insgesamt konsolidieren wolle.

Es gebe bereits Gespräche mit mehreren möglichen Investoren, sagte Rohardt dem Kurier. Ob diese aus der Branche stammen oder nicht, wollte sie nicht sagen. Auch nicht, wie lange die Gespräche schon dauern und wie weit sie gediehen sind.

Überhaupt, so Rohardt, könnten derzeit noch keine konkreten Aussagen getroffen werden. Klar sei nach der Analyse durch Ziems & Partner, „dass die massive Expansion der vergangenen 18 Monate und eine Reihe anderer Managemententscheidungen die Organisation stark belastet und das Unternehmen vom Kurs abgebracht haben". Im Kern allerdings sei NKD ein gesundes Unternehmen.

Das unterstreicht übrigens auch, dass der langjährige Geschäftsführer Helmut Wirsieg, der vor einem Jahr in den Ruhestand gegangen war, die Entwicklung nicht angelastet werden kann. „Schauen sie sich die zeitlichen Abläufe an", sagte Rohardt dazu. Krause war Mitte 2011 zu NKD gekommen und hatte den Expansionskurs des Unternehmens deutlich verschärft. Statt zuvor rund 70 neue Filialen pro Jahr waren es 2012 rund 200. Heute hat NKD rund 2000 Filialen und 8000 Mitarbeiter, davon rund 600 in Bindlach.

Nun soll NKD verschlankt, ein effizientes Modell gefunden werden, mit dem das Unternehmen wieder profitabel wachsen kann, so Rohardt. Von Randaktivitäten werde man sich trennen. Welche das sind, könne noch nicht gesagt, müsse jetzt erst definiert werden. Zum Kerngeschäft gehörten aber das Filialgeschäft, das Auslandsgeschäft und die Zentrale in Bindlach. Was aus dem neuen Logistikzentrum für rund 24 Millionen Euro wird? Auch das könne man nicht sagen, aber: „Es sollen ja keine Vermögenswerte vernichtet werden, im Gegenteil."

Nichts Konkretes auch zur Frage, ob es zu Filialschließungen oder Entlassungen kommt. Die NKD-Pressemitteilung lässt da allerdings nur wenig Raum für Spekulationen. Zu einer Basis für nachhaltiges Wachstum gehöre auch ein marktfähiges, auf den Kunden ausgerichtetes Filialkonzept, heißt es da. Es seien Anpassungen geplant. Und: „Sollte im Zuge der Reorganisation Arbeitsplatzabbau erforderlich sein, ist das Management zuversichtlich, diesen sozialverträglich umsetzen zu können."

FCN-Deal auf der Kippe

Seit August 2012 ist NKD Trikotsponsor des 1. FC Nürnberg. Der Vertrag hat eine Laufzeit bis 2016 und soll dem Fußball-Bundesligisten nach unbestätigten Informationen gut vier Millionen Euro pro Jahr in die Kassen spülen. Auf die Frage, ob auch der FCN-Deal mit der Restrukturierung des Unternehmens auf der Kippe stehe, sagte NKD-Sprecherin Alberta Rohardt: „Man muss sich in der jetzigen Situation über alles Gedanken machen – auch über das Engagement beim 1. FC Nürnberg." Beim Club selber hieß es dazu auf Nachfrage, man sei über den Verkaufsprozess bei NKD informiert. Ansonsten gebe es ein gültiges Vertragsverhältnis.

Bürgermeister fällt aus allen Wolken

Die Meldung vom geplanten NKD-Verkauf hat in Bindlach eingeschlagen wie eine Bombe. Bürgermeister Gerald Kolb war völlig überrascht, als ihn der Kurier am Handy von der Entwicklung bei NKD informierte. „Ich falle aus allen Wolken", sagt er. Deshalb könne er auch noch keinen fundierten Kommentar abgeben. Klar sei, dass Probleme beim größten Arbeitgeber und Steuerzahler der Kommune auch Befürchtungen auslösen. Zumal sich NKD schon lange nicht mehr bei ihm gemeldet habe, auch nicht nach dem Abgang von Geschäftsführer Michael Krause vor zwei Monaten. „Vielleicht meldet sich ja jetzt mal jemand, sonst muss ich einen Versuch starten. Aber wer weiß, wie schwer Herr Daun in Rastede zu erreichen ist . . .", sagte Kolb. Nun sei abzuwarten, ob trotz der angekündigten Restrukturierung bei NKD die versprochenen 150 neuen Arbeitsplätze im neuen Logistikzentrum trotzdem kommen, oder ob in der Zentrale sogar Arbeitsplätze gestrichen würden. Die Erweiterung des Gewerbegebiets Esbachgraben und die Erschließung mit zwei neuen Straßen sei allerdings nicht allein wegen des NKD-Logistikzentrums geschehen, „auch wenn das natürlich die Prioritäten verschoben hat", so Kolb: „Jedenfalls haben wir uns schon sehr angestrengt, als NKD mit seinen Ausbauplänen gekommen ist. Aber wir haben jetzt auch sieben Hektar neue Gewerbeflächen, und das war dringend nötig." 2,6 Millionen Euro kostet die Erweiterung laut Kolb, die Gemeinde werde nach der Umlage rund 700 000 Euro davon schultern müssen.

Maulkorb für die Mitarbeiter

Im NKD-Verwaltungsgebäude liegt derweil ein großes Blatt auf dem Empfangstisch. In blauen Leuchtbuchstaben, jeder groß geschrieben, steht: „Nichts sagen! Zu Pressesprecher." Die Empfangsdame will nicht einmal ihren Namen nennen. „Kein Kommentar". Seit wann sie nicht mehr sprechen darf? „Ich sage nichts." Sie lächelt verlegen. Am Empfang auf Pressesprecher Jörg Roßberg warten, ist auch tabu. Wir sollen vor die Tür.

Dann kommt Roßberg. Sagen will auch er nichts. Für die Informationen sorgt jetzt eine Agentur in Frankfurt. Immerhin spielt er dann doch drei Übernahmekandidaten in der Discountszene durch: Takko sei zu speziell, Kick zu stark, Ernsting's Family vielleicht. Am interessantesten, weil Ernsting's die meisten seiner 1650 Filialen im Norden, NKD seine im Süden Deutschlands hat. Natürlich müsse man abwarten. „Wie bei einem guten Auto, das einen neuen Käufer sucht".

Vor diesem kurzen Gespräch waren alle unseren Versuche gescheitert, einen Kommentar zu bekommen. Jeder, den wir auf dem Gelände treffen, schaut sofort auf den Boden, manch einer raunt noch: „Sage nichts". In der Raucherecke, unter einem großen, roten NKD-Sonnenschirm fühlt sich die Stimmung besonders gespannt an. „Wir haben Mittagspause. Und tschüss." Freiwillig ist so viel entschlossene Abweisung nicht. Roßberg nennt das „weitsichtig". Er wolle nicht, dass die loyalen NKD-Mitarbeiter verunsichert werden – durch verunsicherte Stellungnahmen. Ein Maulkorb also für die Beschäftigten, die erst vor kurzem über die missliche Lage informiert wurden.

Autor

Bilder