Neuerung Urheberrecht: Uni rebelliert

Von Katharina Wojczenko
Uni-Präsident Stefan Leible ist mit dem neuen Rahmenvertrag zum Urheberrecht so gar nicht einverstanden. Foto: Peter Kolb/Archiv Foto: red

Es ist ein Wort mit Sprengstoff für die Uni: Einzelerfassung. Wenn Dozenten urheberrechtlich geschützte Texte in den digitalen Seminarapparat einstellen, müssen sie das von Januar an einzeln melden. Viele Unis rebellieren gegen diese Regelung. Auch die Uni Bayreuth tritt dem Vertrag nicht bei. Ihr Präsident Stefan Leible erklärt, warum.

 
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Warum hat die Uni Bayreuth mit dem Vertrag ein Problem?

Stefan Leible: Das gilt nicht nur für die Uni Bayreuth, sondern für alle Hochschulen in Deutschland. Bislang war es so: Wenn man Bücher, Aufsätze oder andere urheberrechtlich geschützte Werke digitalisierte und in den Seminarapparat einstellte, haben die Bundesländer die Abgabe dafür pauschal an die VG Wort abgeführt - und weiter an die Urheber gegeben. Jetzt muss jede Uni dem Autor nachweisen, welche seiner Werke in Lehrapparaten den Studierenden zugänglich gemacht werden. Die Uni Osnabrück hat das Meldeportal getestet, das VG Wort und Kultusministerkonferenz dafür entwickelt haben. Dabei ist herausgekommen, dass den etwa 5000 Euro, die wir an die VG Wort zahlen müssen, ein Verwaltungsaufwand von 21.000 Euro gegenübersteht.

Ist Geld das Hauptproblem?

Leible: Nein. Haben Sie sich dieses lange Formular schon einmal angeschaut? Unsere Dozenten stehen eh unter Zeitdruck, sie forschen, sie lehren. Unsere Professoren haben keine 40-Stunde-Woche, sondern arbeiten deutlich darüber hinaus. Man muss für jedes Dokument angeben, woher es stammt, wie viele Leute es nutzen werden und mehr. Wir, aber auch die Universitäten in Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen und andere, haben gesagt: Diesem Rahmenvertrag treten wir nicht bei, weil wir das niemandem auf dem Campus zumuten können. Was natürlich eine Katastrophe ist.

Warum ist das für Sie eine Katastrophe?

Leible: Das ist ein Rückfall ins vordigitale Steinzeitalter. So war es, als ich studiert habe: Ordner mit Kopiervorlagen, die in der Bibliothek stehen.

Was haben Sie den Dozenten gesagt?

Leible: Wir haben Mitte November an alle einen Rundbrief geschickt und sie informiert, wie die Rechtslage ab 2017 ist und was sie noch einstellen dürfen. Also zum Beispiel eigene Beiträge, die nicht verlagsrechtlich geschützt sind, wie selbst entwickelte Folien. Ebenso können sie verlinken auf E-Journals und E-Books, die wir elektronisch lizensiert haben. Oder gemeinfreie Werke nutzen, das heißt zum Beispiel Werke, deren Urheber vor mindestens 70 Jahren gestorben ist. Den Rest aber nicht.

Was fällt dadurch weg?

Leible:Eine ganze Menge. Bisher durften digitale Semesterapparate Auszüge aus aktueller Literatur enthalten. Das fällt weg. Was ich noch machen kann, ist Kopiervorlagen in die Bibliothek zu stellen. Das ist auch für die Studenten ein gravierender Mehraufwand, aber dann sind die VG-Wort-Rechte gesichert, weil diese pro Kopie anteilig Geld bekommt. Die Kopiervorlage dürften die Studenten übrigens für den Privatgebrauch einscannen. Nur wir dürfen sie nicht digital zur Verfügung stellen.

Dozenten schreiben zum Beispiel auf netzpolitik.org, dass sie ihren Studenten künftig einen USB-Stick mit den digitalen Unterlagen zur Vervielfältigung geben.

Leible: Ich weiß nicht, was meine Dozenten machen. Ich kann das nachvollziehen, aber offiziell natürlich nicht gutheißen.

Raten Sie Ihren Dozenten, nun selbst mehr Open Access, also frei zugänglich zu veröffentlichen?

Leible: Das haben wir nicht getan. Wir haben ihnen aber geraten, alles noch digital einzustellen, was sie für dieses Semester brauchen. Bis 31.12. geht das rechtlich noch. Sagt den Studierenden, sie sollen möglichst alles noch herunterladen. Zum 1. Januar müssen sie alles beseitigen.

Sehen Sie irgendeinen Vorteil in dem neuen System?

Leible: Nein. Es wird jetzt politisch das Ziel sein, im Laufe des Jahres 2017 einen neuen Vertrag mit der VG Wort auszuhandeln.

Was sollte darin stehen?

Leible: Die alte Pauschalvergütung, oder die Politik schafft eine Ausnahme vom Urheberrecht für wissenschaftliche Zwecke.

Sie klingen optimistisch, dass der Rahmenvertrag nicht bleibt. Warum?

Leible: Die meisten Bundesländer lehnen ihn ab. Noch stellt sich die VG Wort quer und sagt: Wir ändern gar nichts. Ihr wird aber Geld fehlen, weil sich so viele dem neuen System verweigern und das alte Pauschalenmodell nicht mehr existiert.

Der Urheberrechtsstreit

Autoren und Verlage, die Texte veröffentlichen, haben Rechte. Die Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort) kümmert sich darum, dass sie bekommen, was ihnen nach Paragraf 52a des Urheberrechtgesetzes zusteht: Geld. Das haben die Bundesländer für die Unis bislang pauschal gezahlt. Der Bundesgerichtshof hat 2013 entschieden, dass es für die Unis zumutbar sei, dass Dozenten jedes genutzte Werk einzeln der VG Wort melden. So soll jeder Autor einzeln vergütet werden.

Auch Studenten sind entrüstet

Den Rahmenvertrag dazu hat die Kultusministerkonferenz mit der VG Wort im September 2016 geschlossen. Er regelt die Nutzung auf Online-Plattformen neu. Die Formel für die Abgabe lautet: Seitenzahl mal Teilnehmerzahl mal 0,8 Cent. Vorher müssen die Dozenten ausschließen, dass die Verlage das Werk selbst digital anbieten. Nicht nur bei den Unis ist der Widerstand groß: Auch Studenten haben zur Demo gegen die VG Wort aufgerufen.

Der Geschäftsführer von VG Wort, Rainer Just, wehrt sich gegen die Kritik: Das Thema sei seit 2013 bekannt. Außerdem bekämen die Unis dafür einen Gegenleistung: Sie dürfen Texte online stellen. Das geht aber schon jetzt - nur einfacher. So dürfen Werke bis 26 Seiten komplett eingestellt werden, bei längeren Texten bis zu zwölf Prozent, aber maximal 100 Seiten pro Lehrveranstaltung.

Universität Konstanz verklagt

Was das Urheberrecht und Unis angeht, wird der Verwaltungsgerichtshof Mannheim wohl bald einen Meilenstein setzen. 17 Dozenten haben die Uni Konstanz verklagt. Diese gilt als Vorreiter bei Open Access und setzt jetzt schon um, was in der EU ab 2020 Standard sein soll: Wissenschaftler der Uni müssen Arbeiten, die mindestens zur Hälfte mit Steuergeld finanziert wurden, ein Jahr nach der Erstveröffentlichung kostenlos jedem über den Hochschul-Publikationsserver zugänglich machen. Die Forscher sehen darin einen Verstoß gegen das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG).

Für Uni-Bibliothekschef Ralf Brugbauer sind Urheberrecht und Lizenzen ein Riesenthema. Mehr dazu hier.

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