Neuer Babyboom: Rein ins gemachte Nest

Von Peter Rauscher
Neue Lust auf Kinder? Die Lust war nie weg, aber die Vereinbarkeit von Beruf und Familie fehlte, sagt der Bamberger Familienforscher Harald Rost. Foto: Waltraud Grubitzsch/ dpa-Archiv Foto: red

 "Trendwende" bei den Geburten in Deutschland: Frauen bekommen wieder mehr Kinder, meldet das  Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung in Berlin.  Auch dank besserer Vereinbarkeit von Beruf und Familie, sagt Diplomsoziologe Harald Rost, stellvertretender Leiter des Staatsinstituts für Familien an der Universität Bamberg.

 
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Familienforscher Martin Bujard vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung begründet seine Einschätzung mit der Gesamtzahl der Kinder, die Frauen eines Jahrgangs in ihrem Leben bekommen. Demnach wird sich die endgültige Kinderzahl von Frauen, die 1973 geboren wurden, statistisch betrachtet auf 1,56 erhöhen. Für den Jahrgang 1968 hatte dieser Wert noch bei 1,49 gelegen. Wäre es bei dieser Zahl geblieben, dann wären von den 1973 geborenen Frauen 32 000 Geburten weniger zu erwarten gewesen.

Bevölkerungsschwund wird nicht gestoppt

Für die Jahrgänge nach 1973 sei sogar mit einem Anstieg auf knapp 1,60 Kindern pro Frau zu rechnen, wie die Hochrechnung ergab. Dei endgültigen Zahlen stehen erst fest, wenn die entsprechenden Jahrgänge in ein Alter kommen, in dem sie keinen Nachwuchs mehr erwarten können. Der Trend drückt sich auch in absoluten Zahlen aus: Laut Statistischem Bundesamt wurden 2015 in Deutschland rund 738.000 Jungen und Mädchen  geboren. Mehr waren es zuletzt vor 15 Jahren.

Um allerdings den Bevölkerungsschwund durch Sterbefälle auszugleichen, müsste eine Frau rechnerisch 2,1 Kinder gebären. Diesen Wert hatte zuletzt die Müttergenerationen erreicht, die Mitte der 1930er Jahre auf die Welt gekommen waren. Diese Jahrgänge sorgten in der Nachkriegszeit für den "Babyboom". Seitdem war die Geburtenrate kontinuierlich zurückgegangen.

Bessere Kinderbetreuung

Zwar könne über die Ursachen der Trendwende nur spekuliert werden, sagte Rost. Auch gehe aus diesen Zahlen nicht hervor, viele Mütter Ausländerinnen seien, die im Durchschnitt mehr Kinder bekämen.  Tatsächlich sei durch den Ausbau der Kinderbetreuung für unter Dreijährige die Vereinbarkeit von Beruf und Familie in Deutschland verbessert worden, sagt Harald Rost. Auch die Arbeitswelt sei vielfach familienfreundlicher geworden.

Platz eins in der Lebensplanung

Die "Vereinbarkeit von Familie und Beruf war immer der Schlüssel dafür, dass sich junge Menschen für Kinder entscheiden", sagt Rost. Denn Untersuchungen wie die Shell-Jugendstudie hätten stets gezeigt, dass Partnerschaft und eigene Kinder in der Lebensplanung junger Menschen immer noch auf Platz eins der Prioritätenliste stünden.  Dennoch blieb fast jede vierte Frau, die Mitte der 60er Jahre geboren wurde, auf Dauer kinderlos.

Die Ansprüche junger Menschen seien hoch. Lange Ausbildung, guter Job, fester Partner, materielle Sicherheit, große Wohnung, Urlaubsreisen: "Erst muss das Nest gemacht sein, ehe Kinder erwünscht sind."  Frauen in Deutschland bekämen Kinder sehr spät, das Zeitfenster der Fruchtbarkeit sei dadurch klein geworden. Was Rost beobachtet: Moderne Reproduktionsmedizin erlebt nicht zuletzt deshalb einen Boom. (Mit Material von dpa)

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