Trotz zweier Sanierungen wird bei Bauarbeiten erneut belastete Erde gefunden Neue Altlasten auf Frankoniagelände

Von Andreas Gewinner
 Foto: red

Böse Überraschung auf dem Gelände des ehemaligen Frankonia-Kristallglaswerks. Beim Erdaushub wurde mit Fluoriden belastetes Erdreich gefunden. Auf dem Gelände, das als "altlastenfrei" galt, entsteht derzeit für fünf Millionen Euro ein Lager der Warmensteinacher Firma Sili.

 
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Sili baut auf dem freigeräumten Areal eine neue Logistikhalle, der benachbarte ehemalige Frankoniawerksverkauf wird umgebaut. Diese Halle hatte Sili von der insolventen Frankonia gekauft, das freigeräumte Fabrikareal von der Gemeinde, nachdem dort 2007 und 2010 Abrissarbeiten und teilweiser Bodenaustausch stattgefunden hatten.

Bei den aktuellen Bauarbeiten musste die Baufirma an einigen Stellen in die Erde rein, um Fundamente für die Halle zu setzen. Und in größerem Umfang im rückwärtigen Teil des Geländes, wo für die tieferliegenden Zufahrten an Lastzugdocks zwei bis drei Meter in die Erde gegangen werden musste. Dabei kam das Erdreich mit Fluorid zum Vorschein. Derzeit lagert das Material mit Plastikplanen abgedeckt auf einem benachbarten Grundstück.

Geschäftsführer überrascht

Damit hat Sili-Geschäfsführer Stefan Trassl nicht gerechnet. Er hatte das Areal als „altlastenfrei“ gekauft: „Ich dachte, ’altlastenfrei’ heißt, dass es keinerlei Altlasten mehr gibt.“ Inzwischen weiß er: „Altlastenfrei“ heißt lediglich, dass von dem Grundstück keine Gefahren mehr für die Umwelt ausgehen. Das bestätigt auch Diplom-Ingenieur Karl-Gerhard Pedall aus Haag, dessen Fachbüro die zweite Sanierung im Jahr 2010 fachlich begleitet hatte: „Wir haben nach den Vorgaben des Bodenschutzgesetzes alles gemacht, was zur Gefahrenabwehr nötig war“. Altlastenfrei heiße, dass keine Gefahr mehr für Grundwasser und Menschen von dem Grundstück ausgeht. „Wir sind gehalten, als Verbraucher von Fördergeldern die Kirche im Dorf zu lassen und nur das zu tun, was zur Gefahrenabwehr nötig ist“, macht der Fachmann deutlich. Beide Sanierungsmaßnahmen wurden mit öffentlichem Geld unter anderen von Freistaat und EU bezahlt, da beim Verursacher nach zweifacher Insolvenz nichts mehr zu holen war. Seit der Sanierung findet ein Grundwassermonitoring statt, das auch bisher, trotz der neuerlichen Funde, ohne Befund war.

Die zusätzliche Belastung, die ihm entsteht, siedelt Trassl im mittleren sechsstelligen Euro-Bereich an, vor allem für die Entsorgung des belasteten Materials. Er hat inzwischen einen Bodengutachter und einen Anwalt eingeschaltet. Am Montag erörterte Trassl die missliche Lage im nichtöffentlichen Teil der Gemeinderatssitzung mit dem Bürgermeister und den Gemeinderäten. Man sei übereingekommen, die Sache im kleinen Kreis mit den beiden Anwälten weiterzuverfolgen, sagen Trassl und Bürgermeister Andreas Voit übereinstimmend. Voit bedauert die Angelegenheit, sieht die Kommune rein rechtlich aber auf der sicheren Seite. Trassl: „Das will ich mal nicht ganz so stehenlassen. Nun muss man halt reden. Eigentlich will ich nicht meine Heimatgemeinde verklagen“, so Trassl, „ich mache niemandem einen Vorwurf. Das ist eine verfahrene Situation.“ Immerhin: Am Zeitplan für den Neubau soll sich nichts ändern. Im November soll der Umzug des Unternehmensbereichs „SiLiGlit“ an den neuen Standort beginnen. Die offizielle Einweihung ist für nächstes Jahr geplant, wenn Sili 140 Jahre alt wird.

Flusssäure wohl schuld

Der Geländeteil, wo aktuell die meisten Verunreinigungen gefunden wurden, ist im Bereich der ehemaligen Säurepolierung. Hier wurde jahrzehntelang mit Flusssäure hantiert, die mutmaßlich für die üble Hinterlassenschaft gesorgt hat. Auch der Boden unter der ehemaligen Werksverkaufshalle musste teilweise ausgetauscht werden, so Trassl. Die Halle von Ende der 1970er Jahre war offenbar gebaut worden auf einer Fläche, wo zuvor Abfälle aus der Glasproduktion wie Schlacken abgelagert worden waren.

Die Frankonia war 1997 aus den insolventen „Glaswerken Warmensteinach“ hervorgegangen, die Hälfte der rund 200 Mitarbeiter verlor damals ihre Arbeit. 2003 kam die zweite Insolvenz, 80 Menschen wurden arbeitslos. Einige Jahre dämmerten die leeren Fabrikgebäude mitten im Ort vor sich hin. 2007 wurde das Meiste abgerissen, und eine erste Altlastensanierung durch den Freistaat und den Landkreis fand statt, um akute Gefahr für das hier recht hohe Grundwasser und die nahe Steinach abzuwenden. Damals wurden vor allem Blei und Arsen gefunden. Die Verunreinigungen mit Fluorid, Antimon und Cadmium sowie Teer- und Ölresten fielen damals eher gering aus.

Doch damals gab es auch Kritik am Umfang der ersten Sanierungsmaßnahme; die Vertreter von Behörden und der ausführenden Firma im Gemeinderat zu entkräften suchten. Nach der ersten Sanierung blieben der Schornstein, ein paar Werkstattreste und das Bürogebäude direkt an der Straße stehen. Nach dreijährigen Bemühungen erhielt die Kommune eine weitere hohe Bezuschussung für Kauf, Freiräumung und weitere Altlastensanierung des Areals, um es als altlastenfrei nutzen oder an einen Investor veräußern zu können, der dann mit Stefan Trassl gefunden wurde.

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