Was sie bislang zu Tage gefördert und aufbereitet haben, ist faszinierend. Man sieht Szenen, in deren Lebendigkeit man fast schon unmittelbar eintaucht. Um so mehr, da man sich gleich im nächsten Raum Kopfhörer überstülpen kann: Da sprudelt sie, die Quelle, die so lange verschüttet war. Man sieht Fotos von Bands mit abenteuerlichen Namen und Musikern mit noch abenteuerlicheren Frisuren – ganz wie zu Glamrock-Zeiten im Westen. Und: So etwas ähnliches wie Krautrock gab es dort offenbar auch schon, in der früheren deutschen Kolonie, deren problematische Geschichte diesmal allerdings außen vor bleibt. Man sieht aber auch tanzende, feiernde Menschen, aufgemacht wie für einen Ball. „Ja, die Menschen haben sich herausgeputzt, wenn sie ausgehen wollten“, sagt Aino Moongon. Männer mit Smoking und Fliege in der Disco – unvorstellbar fast im rebellischen Europa der 60er Jahre.
Welche Spuren blieben?
Die Musikausgräber bemühten sich darum, das Erbe mit der Gegenwart zu verknüpfen. Sie mussten es auch tun: Viele Fotos waren nicht einem konkreten Ort noch einer Zeit zuzuordnen. Über Zeitungen und soziale Netzwerke suchten sie nach Verknüpfungen – und erhielten viele Tipps. Die Forscher luden auch zur großen Revivalparty. „Ein ziemlicher Erfolg“, sagt Moongon, „wir hatten einen großen Saal für vielleicht 300 Leute angemietet und mussten die Menschen schließlich fast schon reinpferchen.“ Wie tanzte man eigentlich damals? Die Ausstellungsmacher filmten mit – die Dokumentation auch von der Begegnung verschiedener Generationen kann man im Kinosaal des Iwalewahauses sehen. Und sie luden Graphiker ein, Plattencovers zu gestalten – Verpackung für Musik, die allzu lange schon im Archiv geschlummert hat. Und sie ließen Fotografen auf Spurensuche gehen: Wie sehen sie heute aus, die Musikpaläste von damals?
Den Menschen in Namibia wurde ihr Augenblick in der Musikgeschichte gestohlen, daz ihre Erinnerung, den Musikern selbst die Chance auf Anerkennung. 26 Jahre, nachdem Namibia die Unabhängigkeit erlangte, drängt die Zeit, will man noch Zeugen der goldenen Ära erleben. Einige der ergrauten Helden von damals hat das Iwalewahaus daher eingeladen.
Auch Ben Molatzi. Der Musiker machte sich auf den Weg nach Windhoek, kaufte einen Koffer für die Reise ins herbstliche Bayreuth. Und starb kurz darauf. Es wird keinen Oscar für Film über diesen vergessenen Popstar geben. Seine Musik aber – sie darf man im Iwalewahaus nun kennenzulernen. Großartig, nicht nur für Fans von Indie-Pop.
INFO: Stolen Moments, bis 30. April im Iwalewahaus. Danach in den Afrika Bibliographien, Basel, und dann im Kunstraum Bethanien, Berlin. Morgen stehen passend zur Ausstellung um 19 Uhr ein Konzert und ein Tanzabend mit Kakuja Kembale & Jackson Wahengo auf dem Programm.