Zum 56. Mal findet die „German-American Steuben Parade“ statt. Sie wurde 1957 von deutschen Auswanderern gegründet, um die heimischen Bräuche aufrechtzuerhalten – noch heute haben 50 Millionen Amerikaner deutsche Wurzeln und bilden damit die größte Herkunftsgruppe des Landes. Benannt wurde die Parade nach Friedrich Wilhelm von Steuben, einem preußischen Offizier, der das Heer George Washingtons zu einer richtigen Armee machte und 1794 als Held des amerikanischen Unabhängigkeitskriegs starb.
Der Traum eines jeden Blasmusikers
Dieses Jahr, am vorletzten Samstag im September, ist der Musikverein Marktleugast eine von 20 deutschen Gruppen, die beim Umzug spielen. Der deutsche Club Germania Park in Dover (New Jersey) hat die Kulmbacher Truppe zur Parade und dem Oktoberfest des Clubs eingeladen. „Für uns wird heute der Traum eines jeden Blasmusikers wahr, einmal in seinem Leben auf der Steuben-Parade spielen zu dürfen“, sagt der Vorsitzende des Musikvereins, Georg Purucker, der seit 40 Jahren Posaune spielt. „14 Monate lang haben wir auf diesen Moment hingearbeitet. Ich kann noch immer nicht glauben, dass er jetzt gekommen ist.“
Ein paar Musikanten pfeifen die Lieder der vorigen Gruppen mit, der Kulmbacher Landrat Klaus Peter Söllner knipst noch Bilder zur Erinnerung und Georg Purucker blättert ein letztes Mal sein Liederheftchen durch, als es scheppert und die Polizisten die Absperrungsgitter wegschieben. „Formation!“, brüllt der Dirigent Peter Weiß. „Und immer ein Lächeln auf den Lippen! Marsch!“ Die Truppe rollt los. An ihrer Spitze flattert das Banner: „Landkreis Kulmbach grüßt New York“. Georg Purucker strahlt und setzt die Lippen an die Posaune.
Zwischen einer amerikanischen und einer deutschen Flagge marschiert Renate Lange. Im Alter von 21 Jahren kam die heute 78-Jährige aus Nordrhein-Westfalen mit dem Schiff in die USA und war von Anfang an bei der Steuben-Parade dabei. Der Umzug sei nicht mehr das, was er einmal war, glaubt Lange, trotz Tausender Gäste jedes Jahr. „Unsere Generation wird zu alt und unsere Kinder sind eigentlich Amerikaner: sie lieben die Musik und die Traditionen nicht so, wie wir es tun.“
Trabbis auf der Fifth Avenue
Zwei Trabbis zuckeln die Fifth Avenue hinauf. An den Geländern grölen Jungs in Fußballtrikots der deutschen Nationalmannschaft, und ein afroamerikanischer Mann in Lederhosen schießt ein Foto nach dem anderen. Der graue Wolkenhimmel reißt langsam auf und auf Georg Puruckers Stirn glänzen Schweißtröpfchen in der Septembersonne. Als er kurz die Posaune absetzt, schaut er nach oben zu den Hochhäusern und lächelt.
Die Truppe folgt dem Taktstock und biegt ein in die 86. Straße. Der Umzug ist zu Ende, doch Dirigent Peter Weiß noch lange nicht. Er schwingt den Stock und es erschallt der letzte Marsch in Manhattan. „Sauba gspuit!“, ruft ein bierbäuchiger Bayer danach, „Zugabe!“ ein anderer.
Die 39-jährige Sigrid Pfadenhauer steht am Rand und kann noch immer nicht glauben, dass es schon vorbei ist. „25 Jahre habe ich darauf gewartet, hier mitspielen zu dürfen.“ Vierzig Minuten ist sie marschiert – die Meile ihres Lebens.