Müller-Zwillinge vor Bundesliga-Start

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Mannschaftskapitän und Abwehrchef: Auch im namhaft verstärkten Team der MT Melsungen wollen Michael und Philipp Müller (von links) weiterhin maßgebliche Rollen spielen. Foto: Eibner-Pressefoto Foto: red

Mit dem Auswärtsspiel beim TVB Stuttgart beginnt für Michael und Philipp Müller morgen ihre vierte gemeinsame Bundesligasaison im Trikot der MT Melsungen. Nach dem siebten Platz in der vergangenen Saison, der nach zwei sechsten und einem vierten als Rückschritt gelten musste, wollen die 32 Jahre alten Zwillinge aus Bayreuth nun mit den Nordhessen wieder etwas weiter oben mitmischen. Nach den Erfahrungen des Vorjahres formulieren sie ihre Erwartungen im Kurier-Interview aber trotz der namhaften Verstärkung ihres Teams unter anderem mit drei deutschen Europameistern von 2016 noch unter gewissem Vorbehalt.

 
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Nach dem glänzenden vierten Platz von 2016 hat die vergangene Saison wahrscheinlich nicht alle Wünsche erfüllt. Was lässt hoffen, dass es diesmal wieder besser laufen wird?

Michael Müller: Ich denke, wir haben daraus gelernt. Allerdings haben wir nun auch einige Neuzugänge zu integrieren, und zwar nicht gerade auf unwichtigen Positionen. Dafür hatten wir extrem viele Vorbereitungsspiele, und wenn wir da ernsthaft gefordert wurden, haben wir auch gut gespielt. Die Bundesliga verspricht sehr spannend zu werden auf den ersten fünf bis sechs Plätzen, und mit unseren Namen sollten wir im erweiterten Kreis ganz oben mitspielen können. Ein Europapokal-Platz wäre schon ein schönes Ziel.

Philipp Müller: Ich bin sicher, dass unsere Mannschaft an Qualität zugelegt hat. Jede unserer Neuverpflichtungen bedeutet auch tatsächlich einen Fortschritt.

Die Verstärkungen haben die Fachwelt aufhorchen lassen. Alle reden von den Europameistern Julius Kühn, Finn Lemke und Tobias Reichmann – aber ist nicht der dänische Spielmacher Lasse Mikkelsen ebenso wichtig, weil das doch wohl eine der Positionen war, auf der nicht alles rund lief?

M. Müller: Lasse ist ein sehr guter Mittelmann, der allerdings noch etwas Zeit brauchen wird. Die Intensität in der Bundesliga ist schon anders als in der dänischen Liga. Ich bin aber sicher, dass er viel zur Qualität unseres Spiels beitragen wird.

P. Müller: Auch Nebojsa Simic als zweiter Torwart ist eine Verstärkung, ebenso wie Julius Kühn im Rückraum, Finn Lemke mit seinen 2,11 Metern Körpergröße in der Abwehr und Lasse Mikkelsen, der ein ganz neuer Spielmacher-Typ für uns ist. Das gilt sogar auch für den Rechtsaußen, obwohl da Johannes Sellin unser erfolgreichster Torschütze war. Tobias Reichmann hat sich beim Champions-League-Sieger Kielce so entwickelt, dass er für mich die deutsche Nummer eins auf dieser Position ist.

19 Vorbereitungsspiele, 19 Siege

Wie bewerten Sie die Bilanz der Saisonvorbereitung: 17 Testspiele, zwei Pokalspiele – 19 Siege?

M. Müller: Oft haben wir gegen unterklassige Mannschaften gespielt, das darf man nicht überbewerten. Manchmal habe ich mir sogar gedacht, dass uns ein internes Spiel mindestens ebenso voran gebracht hätte. Die Vergleiche mit Bundesligisten waren dann aber doch meist sehr ordentlich.

P. Müller: Vorbereitung und Ernstfall sind schon sehr unterschiedliche Dinge. Wir sind viel herumgetingelt und waren da mitunter auch etwas müde im Kopf. In Stuttgart geht es jetzt ganz von vorne los. Wenn wir gleich wieder dreimal verlieren, redet wahrscheinlich keiner mehr über die tolle Vorbereitung. Die Siege sehen gut aus, aber wir sollten die meisten dieser Spiele auch wirklich gewinnen.

TV-Experte Stefan Kretzschmar hat schon vor einiger Zeit geäußert, dass aus dem gewohnten Dreikampf um die Meisterschaft ein Sechskampf werden könnte – neben Rhein-Neckar Löwen, Flensburg und Kiel nun auch mit Berlin, Magdeburg und Melsungen. Ist das zu hoch gegriffen?

M. Müller: Dafür müssen wir konstant spielen und alle gesund bleiben, dann haben wir schon ohne Zweifel eine bärenstarke Mannschaft. Aber jetzt gilt es erst einmal, fünf oder sechs Spiele unter richtigem Druck zu gewinnen, dann kann man weiter reden. Wir haben ja im Vorjahr gesehen, wie schnell es in eine ganz andere Richtung gehen kann. Da war der Zug schnell abgefahren. Außerdem stehen die Titelfavoriten schon sehr lange da oben. Das ist schon eine andere Leistung, als wenn da die MT jetzt mal ein paar Jahre mehr oder weniger weit vorne mitmischt.

P. Müller: Das schwierigste ist wirklich, ein ganzes Jahr konstant zu bleiben. Damit hatten ja sogar die Kieler ihre Probleme, als sich Domagoj Duvnjak verletzt hatte. Wir haben es selbst erlebt, als unser Torwart Johan Sjöstrand zu Beginn der letzten Saison verletzt war – so etwas kann jeden Plan schnell durchkreuzen.

Neues TV-Zeitalter: Alle Spiele auf Sky

Was erwarten Sie vom neuen Fernseh-Zeitalter für die Handball-Bundesliga durch die Übertragungen aller Spiele auf Sky?

M. Müller: Ich rechne mit höheren Einschaltquoten als bei Sport1, und vielleicht bleibt dann ja der eine oder andere Zuschauer beim Handball hängen. Viele sind skeptisch wegen der ungewohnten Spielzeit sonntags um 12.30 Uhr, aber ich lasse mich überraschen. Das kann auch gut werden, weil es eine noch ungenutzte Lücke im Sportprogramm ist.

P. Müller: Es ist generell interessant, wie sich die Medien entwickeln, zum Beispiel mit den verschiedenen Streaming-Kanälen im Internet. Handball muss sich da mit entwickeln, und da halte ich es für den richtigen Schritt, nach der Zeit bei Sport1 mal was anderes zu machen. Die Erfahrungen mit der Champions League haben gezeigt, dass Sky die Spiele sehr attraktiv für die Zuschauer aufbereitet.

Die kommende Saison ist die letzte in ihrem laufenden Vertrag. Gibt es schon eine Idee, wie es danach weitergehen soll? Immerhin werden Sie bald 33 Jahre alt . . .

M. Müller (lacht): Einige Ideen sogar!

P. Müller: Ich habe mir noch keine konkreten Gedanken gemacht. Die Gespräche darüber beginnen normalerweise im Oktober oder November.

Prominente Konkurrenz für Philipp Müller

Philipp Müller könnte der einzige Spieler der MT Melsungen sein, der von den prominenten Verstärkungen seiner Mannschaft nicht vollkommen begeistert ist. Von den drei Neuzugängen aus der deutschen Nationalmannschaft sind nämlich zwei seine unmittelbaren Konkurrenten im Kampf um Einsatzzeit: Julius Kühn (Gummersbach) im linken Rückraum und Finn Lemke (Magdeburg) noch zusätzlich in der Abwehr, wo der Bayreuther bisher als zentraler Leistungsträger der Nordhessen galt. „Julius Kühn dürfte gesetzt sein. Der ist ja nun mal auch wirklich gut und zudem deutlich jünger als ich“, sagt Müller. „Im Liga-Alltag werde ich aber sicher die Rolle für mich finden, in der ich der Mannschaft am besten helfen kann.“

Ein gutes Beispiel lieferte am vergangenen Sonntag das Spiel um den Einzug ins Achtelfinale des DHB-Pokals gegen Bundesliga-Aufsteiger TSG Ludwigshafen: Da wurde der angeschlagene Lemke geschont, Kühn startete mit ein paar Fehlwürfen – und Müller war am Ende mit fünf Treffern der erfolgreichste MT-Torschütze beim 29:25-Sieg.

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